Tichys Einblick
Lega d'Italia

Salvini: Kampagne beginnt auf Sizilien

Bürger halten bedruckte Schilder hoch: "Prima gli italiani" - zuerst die Italiener. Matteo Salvini zielt auf verlorengegangene Werte und packt die Zuhörer, wie auch bereits Tage zuvor in Sabaudia südlich von Rom, damit, dass Respekt und Gemeinschaft untereinander weiter wachsen müssen.

Gabriele Maricchiolo/NurPhoto via Getty Images

Eines muss man dem italienischen Innenminister und Vize-Premier Matteo Salvini lassen: Er traut sich auch dorthin, wo neben dem vielen Zuspruch und der vielen Emotionen und Zuneigung, auch die Höhle des Löwen wie die der linken Ideologen wartet, die mit ihrer Gegendemo nicht weit sind.

Es wäre auch verwunderlich, wenn nicht, denn besonders in Kalabrien und wie jüngst auf Sizilien (in Catania und dem sagenumwobenen Syrakus) haben viele Leute über Jahre nicht vergessen, wie abschätzig sich der nun gewandelte Innenminister über den tiefen Süden geäußert hatte. Allerdings – und der Auffassung sind wiederum sehr viele politische Beobachter – war es Salvinis Größe, Können und Talent, auch im Süden Siziliens Interessen gebündelt und auch glaubwürdig Abbitte bei den Landsleuten geleistet zu haben.

Nicht nur mit seinem überzeugenden Kampf, den Gesetzen gegen die Mafia, sondern auch in der Wertschätzung der Region Sizilien generell („mit der schönste Fleck Italiens und auf Erden“) nimmt Salvini auch hier fortschreitend die Bürger für sich ein. Man kann Salvini Kalkül und Populismus vorwerfen, doch können die Italiener ihm sein Bestreben für ein geeintes Italien abnehmen, nachdem er als Innenminister und schon im Wahlkampf zuvor den Süden mehrmals besuchte und einige wichtige Dinge klarstellte.

Zuvor zeigte sich der stolze Mailänder wohl doch zu sehr in seiner Lombardei und Region „Padania“ festgesessen. Oder eben in Straßburg und Brüssel als EU-Parlamentarier, mit deutlicher Abscheu gegen diese EU-Bürokratie, die Italien bis heute zu knebeln versuche – nicht nur mit dieser „verlogenen Flüchtlingspolitik“ derer, die Italien zur Sammelstelle der illegalen Migranten machen wollen. Mit den meist männlichen Migranten aus Afrika hat sich auch der Süden über die letzten Jahre sehr verändert.

Rom ist nicht Berlin
Salvinis Zockerei
Auch wenn es die EU oder Deutschland ausblenden: Zahlreiche Touristen und Italiener selbst äußern bei ihrer Rückkehr aus den italienischen zurück in den deutschen Gefilden, „also nein, bitte nicht“ – solche Verhältnisse auch noch bei uns. Doch gerade das forciert die EU. Fakt ist, Salvinis rigorose Politik der geschlossenen Häfen („porti chiusi“) hat die Zahl der Toten auf dem Mittelmeer um ein vielfaches reduziert. Diese Tatsachen jedoch interessieren weder eine NGO-Rackete noch deren Befürworter und linke Gesellschaftsläuterer, die sich auch in Syrakus und Catania zu Hunderten hinter den Barrieren versammelt hatten – mit Hammer-und-Sichel-Flaggen – um Salvini lautstark zuzurufen: „Mörder, Mörder. Geh in Deinen Norden zurück“, oder, willkommen bei den „Terroni““, den Erdfressern, und viele andere Kundgebungen mehr. Die typischen „Faschist“-Rufe an Salvini gehören bereits dazu. Und dass man ihm den Tod wünscht, sowieso.

Salvini wäre nicht Salvini, wäre er bei seiner Rede auf der überfüllten Piazza vor dem Tempel des Apolls, dem Gott des Lichts und der Heilkunst, nicht auch auf die Demonstranten eingegangen. Nonchalant und mit Biss.

Es scheine, als habe ausgerechnet Matteo Renzi von der PD mit einem Tweet volle Überzeugungsarbeit geleistet, lächelte Salvini vielsagend, und sprach dann Worte ins Mikrofon, die sich die Gesamtlinke (am besten in der ganzen EU) hinter die Ohren schreiben sollten: „Hat doch Renzi tatsächlich behauptet, ich würde eine Politik der Trennung und des Hasses nach Hautfarbe betreiben? Wie armselig ist dieser Mann? Jeder weiß, dass wir weiterhin Frauen, Schwangere, ja, auch Kranke aufnehmen – die Hautfarbe hat uns noch nie interessiert, wenn man sich an Gesetz und Ordnung hält“, wer jedoch glaube, dass die Italiener nur gesunde und wohlgenährte Männer aufnehmen müssen, die illegal einreisen, auf die Gesetze pfeifen, oder sich als Drogendealer, Gewalttäter und Schwerkriminelle hervortun, der täusche sich gewaltig. Riesiger Szenenapplaus und laute Matteo-Matteo-Rufe.

Mehrmals lobte Salvini die Tatkraft der Bürger im Süden und dass man diesen schönen Flecken für die Touristen, die von überall anreisen und Geld ins Land bringen würden, sicher halten wolle. Wer in Not komme, bekomme immer Hilfe, so seien Italiener und Sizilianer. Wer mit Respekt zu uns komme, verdiene auch Respekt. Aber wer mit Weihnachten, dem Kreuzsymbol oder dem Jesuskind Probleme habe, solle dorthin zurück, woher er kam, redet sich Salvini in Rage.

Als Vater von Kindern wisse er genau, wie wertvoll und teuer das Leben sei. Geschützt und belohnt müssen die werden, die fleißig arbeiten, und nicht die, die mit Staatsgeldern umher reisten oder spazieren. Weder aus der EU und schon gar nicht von der devoten und hörigen italienischen Opposition in Brüssel müssten sich die Italiener vorschreiben lassen, dass ein Bürger für circa 100 illegale Einwanderer aufzukommen habe. Das Leben im Süden sei vielleicht beschwerlicher, aber nur, weil die Bürokraten in der EU es ihnen schwerer machen.

Einzelne Bürger halten bedruckte Schilder hoch: „Prima gli italiani“ – zuerst die Italiener. Matteo Salvini zielt auf verloren gegangene Werte und packt die Bürger und Zuhörer damit, wie bereits Tage zuvor in Sabaudia südlich von Rom, dass der Respekt und die Gemeinschaft untereinander weiter wachsen müssen. Durch die Kürzungen der Asylhilfen von 35,- auf 21,- Euro pro Person und Tag, habe Italien Gelder eingespart, die nun bei den Staatskräften wie der Polizei, Ambulanzen und bei der Feuerwehr eingesetzt würden. Außerdem würden jetzt verstärkt Kameras zur Überwachung vor Schulen und Kindergärten zum Einsatz kommen.

Die Kostenfrage in der Migrationspolitik wird seit geraumer Zeit kaum thematisiert, Salvini tut es einfach. Interessant sei aber auch, dass mit diesen Kürzungen der Unterstützung sich plötzlich auch die sozialen Institutionen halbiert hätten – so viel zum Thema der Nächstenliebe oder Caritas – Migration sei ein knallhartes Business.

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Salvini schwor die Leute auf der Piazza ein, Italien habe viel Reichtum, man müsse ein Ende damit machen, sich ständig von Macron, Merkel und anderen „bevormunden“ zu lassen, die selbst mit immensen Problemen in ihren Ländern mehr als genug zu tun haben. Vor dem neuen Italien müsse niemand Angst haben. Italien brauche mehr „Si“ als „No“. Wer stehen bleiben wolle, solle einen Matteo Renzi wählen, der das Land vernachlässigt, die Banken jedoch gerettet habe, obwohl sie sich korrupt bereichert hätten.

Der ökonomische Wechsel müsse schnellstens her. Junge Leute müssten in Jobs kommen und sich nicht gezwungen fühlen auszuwandern. Das Gesundheitswesen und die Justiz müssten verbessert und beschleunigt werden, nicht abgebaut oder „verlangsamt“, nur weil es die EU verlange.

Am Ende sprach Salvini ergriffen wie selten zuvor, er bedankte sich aufrichtig beim Publikum, ein Viva Siracusa, und – etwas zu pathetisch – er würde für dieses Land auch sein Leben geben. An die Störer, die in einer Demokratie einfach dazugehörten, so Salvini, richtete er die Worte, sie sollten besser zuhören und ihr Repertoire an Kraftausdrücken erweitern. Der Abschiedsapplaus fiel sehr groß aus. Die Matteo-Matteo-Rufe hallten noch lange nach.

Wie ist die verfahrene Situation im heißen Urlaubssommer nun aber generell? Salvini und seine Lega möchten Neuwahlen, er selbst will wohl unbedingt Giuseppe Conte beerben, obwohl er mit dem Premier gut konnte. Das Misstrauensvotum gegen Conte muss schon aus strategischen Gründen her – so funktioniert Machtpolitik.
Giuseppe Conte, der einst auch innerhalb der EU als „Marionette“ belächelt wurde, genießt in der Bevölkerung wegen seiner ausgleichenden Art und Belesenheit viel Zuspruch und liegt hier fast gleichauf mit Salvini. In den Umfragen liegt die Lega allgemein bei 37 Prozent, andere sprechen von fast 40 Prozent.

Salvini spekuliert darauf, als Sieger aus Neuwahlen hervorzugehen. Salvini habe, so Di Maio von den Fünfsternen, „diese Regierung gestürzt (…), weil er die Umfragen vor die Interessen des Landes gestellt hat“, schimpft der Sterne-Chef, im Wissen, dass er selbst viel versäumt und seine Partei nicht zu formieren weiß. Di Maio muss sich vorwerfen lassen, dass er Salvini kaum etwas entgegensetzen konnte. Zuletzt war das Votum der M5S gegen ein von der Lega unterstütztes Bahnprojekt TAV nur der willkommene Anlass für Salvini, um die Machtfrage zu stellen.

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Es gibt nicht wenige, die meinen, Salvini könnte sich verkalkuliert haben. Spricht der Senat Premier Giuseppe Conte in dieser Woche das Misstrauen aus, müsste der Regierungschef Conte seinen Rücktritt bekanntgeben. Staatspräsident Sergio Mattarella wiederum muss dann entscheiden, ob er das Parlament auflöst. Oder ob es andere Regierungs-Koalitionen geben könnte. Das Parlament in Rom befindet sich derzeit in der Sommerpause und sollte seine Arbeit eigentlich erst im September wieder aufnehmen. Auch ein Novum also – und Salvini sprach zuletzt auf den Piazzen, dass das Regieren für Italien schon Wert sein müsse, den eigenen Urlaub zu unterbrechen.

Jedenfalls wittert ausgerechnet derjenige von den italienischen Sozialdemokraten kurz Morgenluft, der absoluter Anhänger der EU war und für etliche wirtschaftliche Baustellen und für Fälle des Nepotismus sorgte: Ex-Premier Matteo Renzi. Er schlug recht schnell ein Bündnis vor aus seiner PD mit der Fünf-Sterne-Bewegung, der bis dato stärksten Einzelpartei im italienischen Parlament. (Bei der Europawahl war sie abgeschmiert, während die Lega stark zulegte).

Man könne Italien Neuwahlen ersparen und dem Land eine Alternative zu einer Regierung aus Lega und Mitte-Rechts-Kräften garantieren, so Renzi. Nur vergaß er zu erwähnen, dass seine Partei intern einen Selbstzerfleischungsprozess durchläuft, Renzi selbst absolut out ist und der jetzige PD-Chef Nicola Zingaretti ein Wahlbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung kategorisch ausschließt.

Sollte der Präsident sich weigern, bleibt ferner die Möglichkeit, das Parlament aufzulösen, es könnte auch eine nicht gewählte Technokraten-Regierung eingesetzt werden. Das kam bereits einige Male vor in Italien. Wie auch immer: Experten glauben, Salvini habe alle Szenarien durchgespielt und die Zeit arbeite für ihn – früher oder später sind Neuwahlen fällig.

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