Tichys Einblick

Regionalwahlen in Italien: Jeder deutet sein Ergebnis anders

Ein Patt von Drei zu Drei lässt an vorgezogenen Neuwahlen zweifeln. Weitere Schwächen kann sich die Regierung Conte nicht erlauben. Im rechten Lager verschieben sich die Gewichte etwas von Matteo Salvini hin zu Giorgia Meloni.

imago images / ZUMA Wire

Am Montagabend stand das Ergebnis der Regionalwahlen und des Referendums über die Reduzierung der Zahl der Parlamentarier dann fest. So klar die Abstimmung über die Kürzung der Parlamentssitze ausgefallen war, eine eindeutige Mehrheit von fast 70 Prozent stimmte den Reformen zu, so unterschiedlich – quasi unentschieden – fiel der Kampf um die Regionen und deren Kommunalparlamente mit drei zu drei aus. Im Fußballland Italien stellt man immer Verbindungen zum Lieblingssport her, auch bei den Wahlen.

Die Wettkämpfer: Die zwei erzverfeindeten Lager zwischen Mittelinks, der Regierung aus den Fünfsternen und Sozialdemokraten (PD), und dem Mitterechts-Verbund von Lega, Fratelli d‘ Italia und Forza Italia, sowie manch anderer liberaler Listen in den Regionen.

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Am Montagabend versuchte dann jede Partei das Unentschieden als Gesamtsieg zu deuten. Wie es eben bei einem Unentschieden von drei Regionen zu drei Regionen so ist. Die Lega als Oppositionsführer mit Matteo Salvini hatte sich einen Sieg nach Regionen gewünscht, egal wie knapp. Die Linke wiederum, mit den Sozialisten der PD, ungewählt in der Regierungskoalition mit den Fünfsternen und mit dem parteilosen Premier Giuseppe Conte, hätte es gern gesehen, Salvinis Lega in gewissen Regionen klar zu schlagen. So siegten die Roten nur dort, wo sie sowieso schon stark verwurzelt sind.

Nehmen wir die Toskana, die seit fünf Jahrzehnten von der Linken regiert wird, hier konnten die Sozialdemokraten ihre Macht verteidigen. Aber auch die Sozialisten spüren in ihren Hochburgen, wo das Mitterechtsbündnis ein paar Kommunen gewann, den heißen Atem der Rechtskonservativen im Nacken, wie auch die Zeitung Il Fatto Quotidiano berichtet.

So stellten die Rechtskonservativen der Lega mit ihrem Parteichef und EU-Parlamentsabgeordneten Salvini das Unentschieden als weiteren Erfolg für das „globale“ Resultat dar, was an der Linken insgesamt auch nagt: Nach den Wahlen in Venetien, Ligurien, der Toskana, den Marken sowie den südlicheren Regionen Kampanien und Apulien, sind dennoch bereits 15 von 20 Regionen Italiens unter der politischen Führung des Mitterechts-Bündnisses. Es bleiben nur noch die Emilia-Romagna, seit gestern auch weiterhin die Toskana, sowie Latium, Kampanien und Apulien von der PD und einer Linksallianz geführt: die einzigen verbliebenen fünf roten Regionen. In allen anderen Regionen, seit Montag auch in den Marken, ist Matteo Salvinis Bündnis mit der Lega an der Spitze.

Der Chef der sozialistischen PD, Nicola Zingaretti, hörte sich nach diesem 3:3 dann doch etwas zu vollmundig an: „Es haben diejenigen verloren, die die Regierung stürzen wollten“, und Zingaretti meinte damit natürlich die Anführer der Souveränisten Salvini und Meloni, deren Beliebtheitswerte in der Bevölkerung stetig zunehmen und sich stabil halten – momentan vor allem die von Giorgia Meloni.

Die schwächelnden Fünfsterne wurden von Zingaretti und Premier Conte als Grund für das Unentschieden ausgemacht. Luigi Di Maio, der Außenminister und ehemalige Parteichef der Fünfsterne, nahm für sich und die Seinen den Erfolg des Referendums in Anspruch. Die Cinque Stelle setzten sich seit der Konstituierung der Partei für eine Reduzierung der Parlamentssitze ein.

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Wer Salvini kennt, weiß, dass er sich sehr wahrscheinlich ein bisschen mehr vorgestellt hatte. Doch die Lega als Anführerin des Oppositionsbündnisses wusste auch, dass es wohl ein Weg der kleinen Schritte werden würde bis zu den Neuwahlen. Die Regierung profitiert vermutlich noch ein bisschen von der Pandemiekrise. Diejenigen nämlich, die sich von Angst vor dem Virus anstecken ließen, nicht aber vom Virus selbst, wählten die Roten und die Regierung mit Conte wohl aus purer Dankbarkeit, gesund geblieben, aber arm geworden zu sein während des Lockdowns.

Die Lega hatte doch auch noch Grund, trotz der fehlenden Siege in der Toskana und Apulien ein wenig zu feiern. In den Marken landeten die Souveränisten einen historischen Sieg über die PD. Legachef Salvini nutzte dann auch die Gelegenheit, wie Il Giornale berichtet, um die Wahlen vom Wochenende zu kommentieren für die Zeitungen und sozialen Medien: „Wie immer, und mehr denn je, danke ich auch diesmal den Millionen von Italienern und Italienerinnen, für ihr Vertrauen. Wenn die Daten bestätigt werden, werden wohl ab morgen die Lega und das Mitte-Rechts-Bündnis an der Spitze von fünfzehn Regionen stehen! Nur fünf bleiben in anderen Händen. Und selbst dort, wo wir es nicht geschafft haben, arbeiten wir alle mit einem Ziel: der Hilfe, dem Schutz und Wachstum für unser schönes Italien… “

Es bleibt also interessant in Italien, denn weitere Schwächen kann sich auch die Regierung um Conte nicht erlauben. Landauf, landab, wächst der Unmut über die Einschränkungen und Unsicherheit während der Pandemie.

Hinzu kommt, dass Salvini bald vor Gericht steht wegen der in seiner Amtszeit als Innenminister geschlossenen Häfen. Die Frage ist, ob Salvini diese Bühne für sich uns seine Lega als Wahlkampfforum nutzen kann.

Es gab aber noch eine Erkenntnis bei dieser Wahl. Innerhalb des Mitterechts-Bündnisses hat sich ein leichter Trend und die Verschiebung der Kräfteverhältnisse von Salvinis Lega hin zu den Fratelli d’Italia, den Brüdern Italiens, von Giorgia Meloni bestätigt.

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