Tichys Einblick
Dysfunktionaler Schengenraum

Österreich zieht die Notbremse am Balkan: Kein Schengen-Beitritt für Rumänien und Bulgarien

Gemeint sind sowohl die Länder im einzelnen als auch das Schengen-System insgesamt, das laut Bundeskanzler Nehammer nicht funktioniert – ebenso wenig wie das gemeinsame Asylsystem.

IMAGO / SEPA.Media
Nancy Faeser wollte noch einmal mit ihrem Amtskollegen Gerald Karner über die Sache sprechen, natürlich mit dem höchsten Respekt vor der österreichischen Souveränität. Österreich hat „aus Sicherheitsgründen“ gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien gestimmt. Die beiden Länder würden dem Streckennetz der illegalen Migration eine weitere feste Route hinzufügen, die es laut Schleuservideos schon heute gibt, die dann aber – ohne Grenzkontrollen – noch mehr florieren könnte. Und das dürfte der eigentliche Grund für Österreichs Veto im Innenministerrat vom Donnerstag gewesen sein. „Es ist falsch, dass ein System, das an vielen Stellen nicht funktioniert, an dieser Stelle auch noch vergrößert wird“, sagte Karner.

Den Schengen-Beitritt Bulgariens lehnten auch die Niederlande ab. Mark Rutte sagte laut der Welt, dass eine Einschleusung von der Türkei nach Bulgarien für 50 Euro erhältlich sei, was der bulgarische Innenminister „äußerst beleidigend“ fand, obwohl damit nicht die Bestechlichkeit der bulgarischen Grenzpolizisten gemeint sein musste.

Dass Schengen nicht funktioniert, kann man in der Tat an der österreichischen Grenzsituation ablesen: Mehr als 100.000 illegale Migranten sind dieses Jahr schon in das Alpenland eingereist. Doch drei Viertel von ihnen waren noch in keinem EU-Land registriert, obwohl Österreich keine Außengrenze besitzt.

Jetzt ist viel von innenpolitischer Instrumentalisierung die Rede, zumal Karner die Aufnahme Kroatiens durchwinkte – vielleicht, weil auch viele Österreicher dort gerne Urlaub machen und Wien und Zagreb sich auch sonst gut verstehen. Rumänien sieht sich nun ungerechtfertigterweise in ein schlechtes Licht gestellt. Aber das ist vor allem Mache – nicht nur aus Bukarest, auch aus Brüssel. Frontex-Zahlen belegten, dass Rumänien eben nicht Teil der Balkanroute seien. Doch dafür gibt es keine Gewähr, auch nicht dafür, dass die Verhältnisse so bleiben, wie sie sind, wenn die Schlagbäume erst fallen.

Faeser fehlt das Verständnis – nicht nur für den Amtskollegen Karner

Tatsächlich versucht man so nur, die Schengen-Skeptiker aus Wien und Den Haag in ein schlechtes Licht zu stellen. Tatsächlich richtet sich das Veto nicht gegen die beiden Balkanländer, sondern gegen das Schengen-System an sich, wie Bundeskanzler Karl Nehammer deutlich machte, der in Tirana auf einem Westbalkangipfel sein Fast-schon-Mantra wiederholte: Die EU-Asylpolitik sei gescheitert, und auch der Schengenraum (als ganzes) sei mit schuld daran. Er funktioniere in dieser Form nicht.

Dass viele Köche den Brei verderben, ist ein anderer Grundsatz dieser Europäischen Union und führt ebenso dazu, dass man mit Aufnahmen stets vorsichtig sein sollte, solange ein Gebilde noch deutlichen Reformbedarf hat. Und das ist bei der EU und ihren „Unter-Unionen“ eben der Fall. Für die Rumänen mag es ungerecht sein, und an der Grenze stauen sich die Lastwagen.

Und auch Nancy Faeser hat kein Verständnis für die österreichische Haltung mehr entwickelt oder aus ihrem Gespräch mit Karner mitnehmen können. Und immer wieder ist es merkwürdig, dass sich alle anderen EU-Länder, die auf der Route nach Deutschland liegen, der Problematik der illegalen Migration mehr und mehr bewusst werden – nur das Zielland bleibt bei seiner restlosen Offenheit.

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