Tichys Einblick
Migration im Mittelmeer

Italien schikaniert die NGOs, bis ihnen die Puste ausgeht

Die Regierung Meloni sucht nicht mehr die öffentlichkeitswirksame Konfrontation, sondern lässt die NGOs am langen Arm verhungern. Dass diese lieber über 1.500 Kilometer Umwege nach Ancona in Kauf nehmen, statt die Migranten tatsächlich in den nächsten Hafen zu bringen, entlarvt die wahren Absichten endgültig.

IMAGO / ZUMA Press

In Ancona sind 73 Migranten angelandet. Auf den ersten Blick mag das überraschen – sollte doch ein neues Dekret die Anlandungen in Italien zurückschrauben. Hat sich Meloni also doch nicht durchsetzen können?

Auf den zweiten Blick ist die Sache weit weniger klar – und nicht nur deswegen, weil die Zahl verglichen mit den sonstigen Ankünften gering ist. Dass man die NGOs nämlich härter getroffen hat, als man zunächst glaubt, zeigt sich an den Reaktionen. Ärzte ohne Grenzen sieht in der neuen Regelung einen Verstoß gegen internationales Recht und hält die dreieinhalb Tage zusätzliche Fahrt für unzumutbar. Denn Italien weist den NGOs nunmehr einen sicheren Hafen zu, den die NGOs anfahren müssen. Die Zeiten der kurzen Wege aus Maghreb sind vorbei.

Meloni hält Wort
Italien: Einschränkungen für NGOs
Ancona liegt rund 1.000 Kilometer von Lampedusa entfernt – Luftlinie. Ärzte ohne Grenzen geben eine Strecke von 1.575 Kilometern an. Die Organisationen müssen dabei nicht nur die Strecke zum Zielhafen hin, sondern auch diese zurückfahren. Angesichts der derzeitigen Treibstoffpreise sind die Kosten höher. Klimabewusste, fossilfreie Schiffe gibt es bekanntlich nicht. Schon beklagen die NGOs: Die italienische Regierung solle die Migranten in Süditalien annehmen und anschließend mit Bussen nach Ancona fahren lassen. Solche arroganten Vorstöße zeigen neuerlich, dass man vonseiten der NGOs genau festlegen zu können meint, wer Koch und wer Kellner ist.

Die Strategie der Regierung Meloni setzt damit nicht auf Bilder. Die Zeiten einer Konfrontation zwischen Innenminister Matteo Salvini und der Skipperin Carola Rackete sind vorbei. Die Regelung vermeidet PR-Aktionen. Dazu gehören auch Bilder mit überfüllten Schiffen. Die Regelung, dass nur noch eine Fahrt pro Rettung durchgeführt werden kann, hat zur Folge, dass dreistellige Anlandungszahlen in Zukunft die Seltenheit sein werden. Die NGOs werden dadurch auf eine Art ausgelaugt, die verheerender ist als der medienwirksame Konflikt (wie er etwa auf andere Weise in Lützerath stattfindet).

Die NGOs müssen sich zudem die Frage stellen, wie sie einerseits auf Eile beharren können, andererseits aber darauf bestehen, lieber vor Ort möglichst viele Menschen einzusammeln, statt sie sofort in den nächsten Hafen zu bringen. Der neue Kodex hat zudem für jeden offensichtlich gemacht, dass die NGOs lieber zu einem Hafen auf die andere Seite des Mittelmeeres schippern, so es denn ein italienischer ist, als Libyen, Tunesien oder Algerien, ja selbst Malta, Frankreich (Korsika), Griechenland, Albanien, Montenegro oder Kroatien anzuvisieren.

Auch Spanien, das derzeit von einer linken Regierung geführt wird, hätte auf den Balearen nähere Häfen. Doch merkwürdigerweise hat man sich in Madrid nicht angeboten. Das hat die spanische NGO, die das Schiff Aita Mari betreibt, nicht davon abgehalten, den neuen Kodex und die italienische Regierung anzugreifen und „politischen Schutz“ zu fordern – so, als wären die „Humanitären Helfer“ dazu gezwungen, italienische Häfen anzulaufen, und nicht etwa tunesische oder libysche.

Denn ganz offenbar geht es doch darum, Migranten in Italien abzuladen, um jeden Preis, selbst wenn der Umweg vier Tage kostet. Läge es den NGOs wirklich an der bloßen Rettung, hätten sie nach der Meldung durch die italienischen Behörden, dass sie Ancona anlaufen müssten, ihre Entscheidung eher revidiert und einen tatsächlich nah verfügbaren Hafen angelaufen. Schon gehen die Befürchtungen um, dass die langen Fahrtzeiten und hohen Kosten nicht von den Spenden eingeholt werden, sollte es keine medienwirksamen Bilder aus dem Mittelmeer wie früher geben.

Wer nun einwendet, dass Italien damit Migranten im Meer ertrinken lässt, vergisst, dass der Staat eine Marine und eine Küstenwache besitzt. Eins der von woken Medien geschürten Narrative hat es bisher geschafft, so zu tun, als gäbe es nur die Wahl zwischen NGOs oder dem Tod im Meer. Sollte die italienische Regierung zeigen können, dass es zu keinen höheren Todeszahlen kommt, trotz verminderter NGO-Aktivität, bricht auch diese Erzählung in sich zusammen. Es ist eine elegante, stille Methode, die den NGOs langfristig deutlich schwereren Schaden zufügen könnte als eine Strategie der „geschlossenen Häfen“ – und offenbar spricht es sich unter den Betroffenen herum.

Anzeige