Tichys Einblick
Meloni auf Liberalisierungskurs

Italien: Basta mit Bürgergeld

Während Deutschland das Bürgergeld einführen will, schafft es Italien wieder ab. Und während sich ausgerechnet das etatistische Italien liberalisieren will, fallen der Ampel immer wieder neue „soziale Maßnahmen“ ein.

IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Verkehrte Welt: Während Deutschland einen weiteren Schritt in den Sozialismus tut, versucht das etatistische Italien abzuspecken. Dass ausgerechnet die als Faschistin verschriene Regierungschefin Giorgia Meloni das Land liberalisiert, wird bei den etablierten Haltungsmedien weitere kognitive Dissonanzen auslösen, die sie vermutlich nicht daran hindern werden, den Liberalismus ebenfalls in die faschistische Ecke zu rücken. Um es auf eine kurze Faustformel zu bringen: Während Deutschland das Bürgergeld einführen will, schafft es Italien wieder ab.

Dank "Bürgergeld"
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Das auch in Deutschland sogenannte italienische „Bürgergeld“ (eigentlich: reddito di cittadinanza) ist dabei eher ein bedingungsloses Grundeinkommen; und wie so häufig bei TE vermutet, dürfte auch das deutsche Bürgergeld entlarvenderweise nichts anderes als eine erste Stufe auf diesem Weg sein. In Italien führte es unmittelbar genau zu den Problemen, die ihm nachgesagt wurden: Das Grundeinkommen für alle sorgte für Arbeitsverweigerung, weil jeder Bürger Anspruch darauf hat. Damit spart man zwar Bürokratie, verhindert aber auch Anreize zur Arbeitssuche.

Das Grundeinkommen war eines der Prestigeprojekte der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). Der damalige Koalitionspartner, die Lega von Matteo Salvini, hatte aufgrund ihrer wirtschaftsliberalen Ausrichtung heftiges Bauchgrummeln bei der Einführung. Man vereinbarte einen Deal: Der M5S bekam sein Grundeinkommen, die Lega ihre Flat-Tax. Wie so häufig: Das Grundeinkommen kam, die Flat-Tax nicht. Die Koalition zerbrach 2019 nach rund einem Jahr – und das Grundeinkommen wurde alsbald nicht nur vom M5S, sondern auch vom linken Partito Democratico (PD) verteidigt.

Schnell wurde das vermeintliche „Bürgergeld“ zum Politikum. Denn die Linken konnten sich mit dem Versprechen, das Grundeinkommen beizubehalten, auf eine selbst herangezüchtete Wählerschaft verlassen – und die Gegner als kalte, asoziale Ungeheuer diffamieren. Schon warnten beide Parteien im Wahlkampf, dass jemand, der die Hand an diese Institution legte, soziale Unruhen heraufbeschwören könne. Während der Wahlkampagne machte der böse Spruch die Runde, dass die verbliebenen M5S-Wähler grundsätzlich Nutznießer dieser Gesetzgebung waren.

Für die Parteien rechts der politischen Mitte war klar, dass das Grundeinkommen damit ein Ballast war, der langfristig Wählerstimmen kosten konnte. Zugleich konnten sie auf den Unmut der arbeitenden Italiener setzen, die längst auf Steuerentlastungen hofften, aber stattdessen zusehen mussten, wie das sowieso schon rare Staatsgeld mit der Gießkanne etwa über Langzeitstudenten ausgeschüttet wurde, die sich schlicht zu fein für manche Arbeiten waren. Während die Linke ihren sozialen Sprengstoff nur bei der Empfängerschicht vermutete, wuchs dieser mit ebenso großer Geschwindigkeit auf der anderen Seite. Über die Belastung der Staatskasse muss man an dieser Stelle wohl keine Worte verlieren.

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Nachdem das Rechtsbündnis eine Mehrheit in beiden Kammern des italienischen Parlaments hat, legt die neue Regierung nun die Axt an den linken Stimmenbeschaffer. Dabei hatte Meloni zuerst gezögert, wohl wissend das angesichts der galoppierenden Inflation und Energiekrise die Rücknahme von Staatsgeschenken eine höchst sensible Angelegenheit ist. Doch die rechten Parteien hatten die Rücknahme versprochen. Der Kompromiss: Das „Bürgergeld“ bleibt 2023 noch in Kraft. Am 1. Januar 2024 soll es gestrichen werden, höchstens bei sozial bedürftigen und älteren Menschen kann es eine Ausnahme geben.

Das Paket, das das Kabinett derzeit vorbereitet, umfasst aber mehr als nur die Streichung dieses Milliardengrabs. Im Mittelpunkt der Förderung sollen Familien und kleinere bis mittlere Unternehmen stehen, insbesondere, wenn sie unter den Folgen der Energiekrise (Gasrechnungen) leiden. Die Lohnnebenkosten sollen gesenkt werden, für Freiberufler wird die Einkommensobergrenze auf 85.000 Euro angehoben; ab da gilt ein fester Steuersatz von 15 Prozent.

Und in Deutschland? In einer Regierung, der neben Sozialdemokraten und Grünen immerhin dem Namen nach eine liberale Partei angehört, kommt man aus dem Geldausgeben gar nicht raus. Nach dem Bürgergeld steht nun das Wohngeld auf dem Programm. Bauministerin Klara Geywitz möchte den staatlichen Zuschuss von 190 auf 370 Euro im Monat anheben. Offenbar muss jedes Land seine eigenen Erfahrungen machen, denkt man – nach immerhin zwei sozialistischen Diktaturen braucht Deutschland jedoch offenbar noch etwas längere Nachhilfestunden.

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