Tichys Einblick
Zwischenlager Deutschland

Großbritannien will Export billiger Schlauchboote aus der Türkei verhindern

Die Nachricht über ein britisch-türkisches Abkommen zu Fragen der illegalen Migration ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich spielt auch Deutschland eine Rolle bei den illegalen Kanalüberfahrten. Es geht um günstige Schlauchboote, die massenhaft in der Türkei hergestellt werden.

Schlauchboot am Strand gefunden, Region Hauts-de-France (Nordfrankreich), am 26. November 2021

IMAGO / Andia

Die britische Regierung setzt derzeit alle Hebel in Bewegung, um zumindest eines der offiziellen fünf Ziele von Premier Rishi Sunak vor den Wahlen Ende nächsten Jahres zu verwirklichen: „Stop the Boats“ – die kleinen Boote, die illegale Migranten über den Ärmelkanal bringen, sollen aufgehalten werden. Die Bootsüberfahrten liegen in diesem Jahr nur knapp unter den Höchstwerten von 2022, als es 46.000 illegale Einreisen gab. Rishi Sunak sagte im Radiosender LBC: „Britische Steuerzahler sollten nicht Millionen Pfund aufbringen müssen, um illegale Migranten in Hotels unterzubringen. Das ist falsch und ungerecht, und ich will, dass das aufhört.“ Es sei auch unfair gegenüber denen, die legal ins Vereinigte Königreich kommen, die sich an die Regeln des Landes halten und darauf warten, dass sie an der Reihe sind. Auf X setzt Sunak nach: „Ich werde nichts unversucht lassen, um die Boote zu stoppen – zu Hause und international.“

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Der nun geschlossene Deal zeigt die ganze Verzweiflung des Vereinigten Königreichs. Verzweifelt ist London dabei vor allem über seinen unmittelbaren Nachbarn, die EU. Denn der gelingt es einfach nicht, dem illegalen Zustrom über Mittelmeer und Ärmelkanal Einhalt zu gebieten. Auch so erklärt sich das aktuelle Abkommen mit der Türkei.

Der erste Eindruck ist: London überspringt den unmittelbaren Verursacher seines Problems und geht zum nächsten Spieler über. In der Türkei werden offenbar viele der Schlauchboote hergestellt, die später an der 3000 Kilometer entfernten Kanalküste ins Wasser gehen. So schreibt es etwa auch die Tagesschau. Das scheint in der Tat die Datenlage der britischen Kriminalpolizei (NCA) zu sein. In Hinterhoffabriken hergestellt, werden die Schlauchboote mit chinesischen Motoren ausgerüstet. In London überlegte man sich klar: Je weniger Boote aus der Türkei geliefert werden, desto weniger Überfahrten gelingen. 90 Prozent der Gefährte sollen derzeit aus der Türkei stammen.

Die türkischen Boote kosten nur um die 1.000 Pfund, wo solide Modelle mit dem Hundertfachen zu Buche schlagen. Die Überfahrt soll aber dennoch pro Migrant zwei- bis viertausend Pfund kosten, was offenbar zu gewaltigen Gewinnspannen für die Schmuggler führen würde.

Sitzen die eigentlichen Abnehmer in Deutschland?

Doch all das ist nur die halbe Wahrheit über das Abkommen. Daneben sind auch die Zwischenhändler zwischen Bosporus und Ärmelkanal von Interesse. Laut der Londoner Times führt der Weg der Schlauchboote „Made in Turkey“ nämlich über Bulgarien nach Deutschland, wo die Boote gelagert werden, bevor sie an belgischen oder französischen Küsten zum Einsatz kommen.

Deutschland als Zwischenlager für Schleppergerät – das fehlte noch bei der internationalen Profilierung des Pro-Migrations-Staats BRD. Und die Bundesregierung scheint – ähnlich wie Frankreich – nicht gewillt, seine Zusammenarbeit mit den Briten zu verbessern. Man kann es (etwas spekulativ) auch noch schärfer profilieren und schlicht annehmen, dass die Abnehmer und Nachfrager der türkischen Schlauchboote in Deutschland sitzen. Man darf sich fragen, wer es konkret ist. Aber sie dürften auf den Namen „kriminelle Schlepper“ oder „Pro-Migrations-NGO“ hören.

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Paul Morris von der britischen Kriminalpolizei hat vorgeschlagen, dass Deutschland die Boote als „gefährliche Seefahrzeuge“ einstufen und beschlagnahmen sollte: „Jede einzelne Überfahrt in einem dieser Boote könnte tödlich enden.“ Der Vorschlag wurde offenbar nicht erhört – deshalb braucht es nun das britisch-türkische Abkommen.

Daneben gibt es schon ein britisches Abkommen zur Bekämpfung von Schlepperbanden mit Bulgarien. Ob es hier nicht auch zumindest teilweise um den Handel mit den Booten ging? Auch mit diesem Abkommen setzte Großbritannien am anderen Ende des Kontinents an und übersprang die EU, die in dieser Hinsicht keine Hilfe zu sein scheint. Beachtlich ist, dass ein Rücknahmeabkommen mit Frankreich, um von der EU als Ganzem zu schweigen, bis jetzt nicht gelang. Ein Abkommen mit Albanien hat den Zustrom von Albanern um 90 Prozent senken können.

Nun will die britische Regierung der Türkei laut dem Telegraph ein neues Polizeiquartier finanzieren. Kostenpunkt: drei Millionen Pfund (etwa 3,5 Millionen Euro). Also viel weniger im Vergleich als das EU-Türkei-Abkommen, in dem zunächst sechs Milliarden Euro vereinbart waren, die auch zum größten Teil an Projekte in der Türkei flossen. 2021 folgten weitere EU-Zusagen an die Türkei in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Werden die britischen Millionen vielleicht besser eingesetzt sein? Das bleibt unsicher. Das wäre schon ein großer Gefallen Erdogans an Sunak.

Illegal Migration Bill sieht ohnehin die Abschiebung vor

Andere Projekte, mit denen Sunak sein Vorwahlversprechen einlösen will, umfassen etwa den Einsatz großer antriebsloser Schiffe (Schuten oder „barges“), die in verschiedenen Hafenstädten aufgestellt werden sollen. Damit eifert London ein bisschen Dänemark nach, wo man ebenfalls eine betont einfache Unterbringung für abzuschiebende Migranten eingerichtet hat. Vier-Sterne-Hotels sollen es nicht mehr sein, obwohl auch die Schuten ihre Nachteile für die Bevölkerung haben dürften. Es ist ein Mittel der Abschreckung – auch für die Häfen, die sie aufnehmen sollen. So finden einige Schiffe keinen Abnehmer.

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Kürzlich wurde auch der Illegal Migration Bill angenommen, der gewissermaßen die Grundlage für den Einsatz der Schuten abgibt. Denn nach dem neuen Gesetz wird das Innenministerium dazu verpflichtet sein, illegale Migranten in einer bestimmten Frist abzuschieben. Es gelten einige Ausnahmen, aber auch die nur zeitweise, etwa für die Dauer einer Schwangerschaft oder solange ein „unbegleiteter Minderjähriger“ noch als minderjährig gilt. Wie das Gesetz verwirklicht werden soll, bleibt indes unklar: Der Ausweisung nach Ruanda stehen trotz einem geschlossenen Abkommen der Regierung noch Gerichtsentscheidungen entgegen.

Innenministerin Suella Braverman will daneben härter gegen Schwarzarbeit und illegale Arbeitsverhältnisse vorgehen. Und auch britische Anwälte, die – so Braverman – „unser Asylsystem austricksen“, sollen den harten Arm des Gesetzes spüren. „Skrupellose“ Juristen mit Pro-Migrations-Agenda haben demnach illegale Migranten zu betrügerischen Anträgen und so zur Ausnutzung des britischen Asylsystems ermutigt. Mehrere Anwälte sollen einem verdeckten Reporter der Daily Mail für einige tausend Pfund Honorar geholfen haben, einen falschen Asylantrag zu stellen.

Braverman ist sehr klar darin, dass sie diese „korrupten Anwälte“ dran kriegen und mit Härte verfolgen lassen will: „Betrügerische Einwanderungsanwälte müssen ausfindig gemacht und vor Gericht gestellt werden. Die meisten Anwälte handeln integer. Aber wir wissen, dass einige lügen, um illegalen Einwanderern zu helfen, das System zu umgehen. Das ist weder richtig noch fair gegenüber denjenigen, die sich an die Regeln halten.“ Lange Haftstrafen könnten laut einem Papier des Ministeriums die Folge sein.

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