Tichys Einblick
Faschistoides rund um den Hörsaal

Hochschulen in Frankreich: Die Geister, die man rief

In Frankreich werden Schulen wie Hochschulen zu Kampfzonen der scheiternden Integration von Muslimen. Gefährlich wird das auch für Forscher, die das Problem auch nur beschreiben wollen, wie Vorfälle an der Sorbonne und anderswo zeigen.

IMAGO / Panthermedia

Am Bad Godesberger Nicolaus-Cusanus-Gymnasium (NCG) gibt es Probleme mit ultrareligiösen, muslimischen Schülern. Der Muslimanteil auf der Schule liegt bei etwa 60 Prozent. Laut Berichten kommt es immer wieder zu an sich verbotenen Gebetsversuchen während der Schulzeit, die angeblich umgehend um des lieben Schulfriedens willen unterbunden werden.

Aber die frommen Bonner Muslime belassen es nicht beim Beten, sondern mobben überdies Mädchen, weil dieselben sich nicht an die islamischen Kleidungsregeln halten. Das berichten Schülerinnen der aufsichtsführenden Schulbehörde. Dergleichen wird auch als „religiöses Mobbing“ bezeichnet. Ganz in der Nähe liegt die herausfordernde „konfrontative Religionsbekundung“, mit der sozusagen die Hüter der deutschen Variante der Laizität getriggert und in die Defensive getrieben werden sollen. In Berlin-Neukölln war eine genau diesem Phänomen gewidmete Melde- und Dokumentationsstelle seit 2021 in der Diskussion, hat sich aber nun trotz der Koalition unter Führung der CDU anscheinend verlaufen.

Es sind Zustände an deutschen Schulen, die absehbar waren. In Frankfurt sorgt man sich derweil um den Plan zu einer Großmoschee der Muslimbrüder. Der Bau ist angeblich nicht aufzuhalten. Dabei wird die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG), die für den Bau Spenden sammelt, als verfassungsfeindlich eingestuft. Die multikulturellen Anwohner sorgen sich, was aus ihrem Viertel durch die radikal-islamische Moschee wird. Die Stadt hat noch keine rechte Handhabe für diese Fragen der Religionsaufsicht gefunden.

Eine abgesagte Konferenz zum Laizismus an der Sorbonne

In Frankreich ist man bei dem Thema nicht nur einen Schritt „weiter“, sondern einen ganzen Sprung. Im Mai wurde eine Konferenz über den Laizismus an der historischen, einst für ihr theologisches Seminar berühmten Pariser Sorbonne aus Sicherheitsgründen abgesagt. Organisiert hatte sie die Anthropologin Florence Bergeaud-Blackler, die ein neues Buch herausgebracht hat, in dem die transnationalen Strukturen der Muslimbrüder in Europa analysiert werden (Le Frérisme et ses réseaux, l’enquête, Verlag Odile Jacob, 2023). Der Titel lautet auf Deutsch „Das Muslimbrüdertum und seine Netzwerke“.

In dem Buch beschreibt die Autorin die „Unterwanderungsstrategie der Muslimbrüder“, die zu einem „Euro-Islam“ führe, wie man ihn sich bisher noch nicht vorgestellt hatte. Es ist ein besonders strenger Islam mit viel Kopftuch und eben jenen radikalen Tendenzen, die in den Herkunftsländern einstweilen noch offener gezeigt werden. Die Anthropologin klärt dann auf, dass es sowohl ein „Brüdertum“ der Rechten wie der Linken gibt. Auf der Linken verbünden sich die Brüder demnach mit der Identitätspolitik, mit den Dritte-Welt-Bewegungen und „Dekolonialisierern“, die in Frankreich auch als „indigénisme“ (Indigenismus) bekannt sind. Am Ende soll es sogar einen obskuren „islamischen Feminismus“ geben, was immer das sein mag.

Bergeaud-Blackler darf als eminente Islam-Expertin unserer Zeit gelten, vor allem, was die Unterwanderungswege und versteckten Finanzströme der Muslimbrüder angeht. Und hier kommt der berühmt-berüchtigte „islamogauchisme“ an den französischen Hochschulen ins Spiel. Das Wort ist eine Verbindung aus „islam“ und „gauche“ (links) und meint also die Allianz von Muslimen oder Islamisten mit der politischen Linken. So beklagt etwa auch die durchaus gemäßigte Opinion internationale, die islamfreundliche Linke an Frankreichs Universitäten erlaube nicht, dass die „Unterwanderungsstrategie der Muslimbrüder in die Öffentlichkeit getragen und diskutiert werden kann“. Die Islamogauchisten an Frankreichs Universitäten sind die andere Hand, die die ausgestreckte „Linke“ der Islamisten ergreift, und Ähnliches ist von fast jedem Asta in Deutschland ebenso zu erwarten.

Zu dieser sich anbiedernden Linken gehören schon seit einiger Zeit auch die Partei der Insoumis („Aufsässiges Frankreich“) und der Anführer Jean-Luc Mélenchon. Jener Mélenchon, der Éric Zemmour einst – es ist nur 13 Jahre her – ein Burka-Verbot versprach, weil man in seinem Land das Recht habe, jedem Menschen in die Augen zu blicken. Wie ist es nun heute mit einem Blick auf das Haar jedes Menschen?

In Grenoble wurde zuerst das Rathaus grün

Florence Bergeaud-Blackler geriet durch ihr Buch und ihre akademische Tätigkeit auf die Todeslisten radikaler Muslimgruppen. Sie lebt unter Polizeischutz, ebenso wie die freimütige Schülerin Mila, der Germanist Klaus Kinzler in Grenoble oder der ägyptisch-deutsche Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad, dem irgendwann nahegelegt wurde, bei seinen Vorlesungen eine schusssichere Weste zu tragen. Inzwischen gibt es eine ganze Armee von Islamexperten, die sich ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. Gegenüber Charlie Hebdo sagte Bergeaud-Blackler: „Deshalb forscht niemand mehr zum Islamismus. Seit der Enthauptung von Samuel Paty haben die, die zuvor widerstanden, so viel Angst, dass sie beinahe aufgegeben haben.“

Was aber eigentlich noch schlimmer ist: Die Universitäten scheinen dem äußeren Druck aus der dschihadistisch getönten Gesellschaft des heutigen Frankreich nachzugeben. Neben der Sorbonne kann man auch auf das Beispiel Grenoble und die dortige Hochschule für politische Wissenschaften (Sciences Po) schauen, die schon seit einiger Zeit Schlagzeilen erzeugt. In der Alpenstadt an der Isère sitzt seit inzwischen neun Jahren der Grüne Éric Piolle im Rathaus. Letztes Jahr wollte er grüner Präsidentschaftskandidat werden und gewann bei der grünen Vorwahl (primaire écologiste) fast ein Viertel der Stimmen (22,3 Prozent).

Grenoble will Piolle zu einer „Stadt für alle“ machen. So erklärt sich wohl auch sein aktueller Vorstoß zur Abschaffung christlicher Feiertage zugunsten von republikanischen oder historischen Erinnerungstagen. Piolle will laut einem Tweet an die Revolutionen der französischen Geschichte, an die Pariser Kommune von 1871, die Abschaffung der Sklaverei oder an Frauen- und LGBT-Rechte erinnern und den Feiertagskalender so „pluralistischer“ gestalten. Eigentlich sind es neue Einheitsvorschläge, die ein altes durch ein neues, vermeintlich moderneres Ideal ersetzen.

Klaus Kinzler, der Islamophobie-Leugner, und die faschistoiden Methoden der Universitätslinken

Doch zurück zu den Islamfreunden an der Universität Sciences Po Grenoble. Im Zentrum einer nun wieder aufgeflammten Affäre steht ein deutscher Professor für Landeskunde, Klaus Kinzler, der schon so einige Vertreibungen und Wiederaufnahmen in die Universität zu überstehen hatte, weil er offen ausspricht, dass „Islamophobie“ für ihn ein Begriff ohne wissenschaftlichen Wert ist. Doch diese Leugnung ihres Faszinationsobjekts „Islam“ plus „Islamophobie“ gilt den Linken im Kollegium als „faschistische“ Tat – als Leugnung der Diskriminierung der Muslime durch einen weiß-christlichen Mehrheitsdiskurs. Kinzler ist demnach ein Islamophobie-Leugner.

Das Debattenblatt Causeur spricht von „faschistoiden Methoden“ der extremen Linken an Sciences Po Grenoble. Neben Kinzler ist der Politikwissenschaftler Vincent Tournier davon betroffen. Die Namen der beiden Hochschullehrer wurden an eine Wand geschmiert, daneben der Slogan „Faschisten in unseren Hörsälen! Prof. Kinzler entlassen! Islamophobie tötet!“. Zuvor hatte die Universitätsleitung Tournier kluge Ratschläge zu einem Kurs über den Islam gegeben: Man dürfe nicht alle Muslime in einen Sack stecken. Tournier wollte dennoch über die Rolle der Verwandtenehe in der islamischen Welt sprechen – auch wenn er wusste, dass es genau solche Themen sind, mit denen er sich unbeliebt machte.

Ein linker Studentenverband forderte die Absage des Kurses mit Verweis auf „betroffene Personen“ – also wohl Muslime, die von bestimmten Schriften Tourniers schockiert seien. Tournier erzählt gegenüber dem Causeur, dass die Einführung der Evaluation durch die Studenten im Zusammenhang mit dem woken Zeitgeist zu einer „verallgemeinerten Hetzjagd“ gegen Diskriminierungen oder auch vermeintliche Gewalt gegen Frauen geführt habe. Diese beiden Bereiche seien sozusagen den Studenten übergeben worden. Die Aufmerksamkeit wurde bald eine nationale, und so standen Tournier und Kinzler zwischen zwei feindlichen Lagern: Für die einen waren sie zu Opfern der islamfreundlichen Linken (also des Islamogauchisme) geworden; für die anderen waren sie Provokateure, die den Protest der Studenten selbst zu verantworten hatten.

Eigentlich bedenklich an dem Geschehen ist, dass die Schmierfink-Aktion nicht von allen Lehrkräften verdammt wurde. Stattdessen teilten einige Lehrerkollegen die auf dem Plakat geäußerte Kritik. Einige bestritten den beiden Professoren sogar das Recht, über den Islam zu sprechen. Das wäre dann der vorweggenommene Gottesstaat, erreicht mit den Mitteln des US-amerikanischen Antirassismus, gemäß dem es einer weißen Person nicht möglich sein soll, über die „Schwarze Erfahrung“ zu sprechen.

Leggewie: Wie damals, als man gegen Paty hetzte

Eine frühere Episode desselben Streits fiel in die Wahlkampfzeit zu den Präsidentschaftswahlen 2022. Im Jahr davor hatte Kinzler daran erinnert, dass die Islamophobie aus seiner Sicht nicht auf derselben Ebene anzusiedeln sei wie die Begriffe Rassismus und Antisemitismus. Kinzler warb unter Kollegen dafür, den Begriff nicht in einem Dreiklang-Titel zu nennen, vielleicht seien die gemeinhin als „Islamophobie“ beschriebenen Handlungen und Haltungen sogar nur Unterarten des Rassismus und richteten sich nicht explizit gegen die Religion Islam. Das mag in Frankreich, wo sich Kolonialismus und islamische Zuwanderung überschnitten, teilweise so sein.

Es wird nun aber sogar amüsant, denn Kinzler selbst ist mit einer Muslimin verheiratet, wie die Deutsche Welle weiß. Er trat also eigentlich nicht einmal gegen den Islam auf. Für Jürgen Ritte, Professor für Literaturwissenschaft an der Sorbonne, waren die Vorwürfe gegen Kinzler „nicht wissenschaftlich, sondern geradezu kriminell“. Auch Kinzler selbst legte dar, dass sich im Fall seiner Gegner politischer Aktivismus in den Mantel der Wissenschaft hülle. Dass man so ausgerechnet einen Akademiker auslöschen wollte und will, der dem Islam täglich in der eigenen Familie begegnet, ist besonders absurd. Sicher ist allerdings nicht, dass Kinzlers Frau ihren Glauben praktiziert.

Auch der deutsche Politologe Claus Leggewie warnte vor der Dynamik des Prozesses und erinnerte an den Mord an Samuel Paty, dem Gerüchte in den sozialen Medien vorangegangen waren: „Man inszeniert Shitstorms und ist sich des medialen Beifalls der anderen sicher. Genau das ist jetzt in Grenoble und im Grunde genommen auch schon bei Samuel Paty passiert, wo es tödlich ausging.“

Schulen überfordert: Regeln durchsetzen ist lebensgefährlich

Doch die Problematik bleibt nicht auf die Hochschulen beschränkt, wo manche es dem „woken Mini-Kosmos“ gönnen würden, auch wenn die Ausbildung von strebsamen Menschen darunter leidet. Fast noch gefährdeter scheinen mittlerweile die Schullehrer in Westeuropa. In einem anderen Land zeigte ein Grammar-School-Lehrer aus West Yorkshire seinen Schülern vor einem Jahr Mohammed-Karikaturen. Er erhielt Todesdrohungen, suchte Polizeischutz und hat seither ein neues Leben in einem anderen Teil des Landes beginnen müssen.

Der französische Bildungsminister Pap Ndiaye (eigentlich Vorkämpfer der Wokeness) streitet nun gegen die „religiösen Symbole“ an den Schulen Frankreichs, wie der Figaro berichtet. Hinzu kommen Mobbing und andere Gewaltformen, wie es sie auch an deutschen Schulen (siehe oben) immer öfter gibt.

Das islamische Kopftuch erscheint da schon fast als kulturelle Nebensächlichkeit, auch wenn die Durchsetzung des Verbots für Lehrer lebensgefährlich werden kann. Das zeigen Meldungen wie diese: „Als sie eine Schülerin auffordert, ihren islamischen Schleier abzulegen, wird die Lehrerin vom älteren Bruder mit dem Tod bedroht.“ Es geschah am Lycée Simone Weil im III. Pariser Bezirk (Midi Libre, 20. September 2022).

Außerdem wagt der Minister nicht, alle verbotenen Kleidungsstücke aufzulisten. Das wäre kontraproduktiv, so das Ministerium. Mit anderen Worten: Es würde Regelverstöße und die Empörung gegen den französischen Staat erst ermutigen. So gibt es also theoretisch ein Verbot bestimmter Kleidungsstücke, nur weiß niemand, von welchen. Werden konkrete Verbote jeweils in den Schulen selbst unter dem Siegel der Verschwiegenheit kommuniziert? Man darf es bezweifeln, allein schon die Machbarkeit.

Seit 2004 sind Kleidungsstücke, die ostentativ die Zugehörigkeit zu einer Religion anzeigen, an öffentlichen Schulen verboten. Auf der Liste könnten theoretisch auch lange Gewänder wie Abaya und Qamis stehen, die von Männern getragen werden und auf die frühislamische Zeit verweisen.  Die Vogue der islamischen Kleidung beschäftigt die Franzosen, Umfragen zufolge, durchaus: 75 Prozent zeigten sich beunruhigt ob der Zunahme der religiösen Kleidung. Allerdings hängt die Beunruhigung auch mit dem Alter zusammen. 58 Prozent der 18- bis 24-Jährigen waren nicht beunruhigt, vielleicht aus Naivität.

Houellebecq: Ist der Islam nicht das Problem?

Für Michel Houellebecq steht nicht mehr fest, dass der Islam das schlimmste Problem Frankreichs – oder gleich des gesamten Westeuropa – ist. Im Interview mit Martina Meister in der Welt sagte er vor kurzem: „Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass nicht der Islam das Problem ist, sondern die Kriminalität.“ Die radikalen Islamisten, so habe er aus Emmanuel Carrères Buch V13 – einer Chronik des Prozesses gegen die Attentäter vom Bataclan – gelernt, seien nicht unbedingt die frömmsten. Sie seien von Gewalt erfüllt, der Islam diene ihnen nur als Vorwand, als Anlass für ihre Gewalt. Außerdem würden fromme Muslime wohl eher nicht mit Drogen handeln, was zweifellos richtig erscheint. Dann lässt Houellebecq noch ein Pascal-Zitat folgen, wonach die Religion schon immer ein guter Vorwand gewesen sei, um „andere mit gutem Gewissen zu massakrieren“. Also doch.

Noch im letzten Herbst hatte Houellebecq sehr unvorteilhaft von der muslimischen Bevölkerung Frankreichs gesprochen, ihr das Einstellen von Diebstahl und Gewalt oder den Fortzug nahegelegt (TE berichtete). Auch heute nimmt er im Grunde keinen seiner Vorwürfe zurück. Er ordnet sie nur anders ein, gibt zu bedenken, dass wohl nicht die Religion schuld sei an den Verirrungen von Kriminalität und Gewalt, sondern menschliche Fehler. Daneben gibt es aber auch Fehler, die von Religionen begünstigt werden, etwa die schon angesprochene systematische Gewalt gegen Nichtgläubige, die im islamischen, dschihadistischen Terrorismus gipfelt.

Es bleibt als neues Raffinement der Analyse bestehen, dass es offensichtlich andere Faktoren neben dem Islam gibt, die die Verelendung, Kriminalität und vielleicht auch den Terrorismus der muslimischen Bevölkerungen Westeuropas begünstigen. Man sagt gelegentlich: ein Bild, tausend Worte. Vielleicht funktioniert das bei diesem Beitrag zum jüngsten Drama auf Frankreichs Straßen.

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