Tichys Einblick
Großbritannien

Extinction Rebellion schießt ein Eigentor

Die linksradikale Gruppe greift die Pressefreiheit an und erntet dafür viel Kritik. Die britische Politik erwägt nun die Einstufung als extremistische Organisation und härtere Strafen. Von Claudia Hansen.

XR-Mitglieder blockieren eine Druckerei in Broxbourne

imago images / VXPictures.com

Mit ihrer militanten Aktion zur Blockade mehrerer britischer Zeitungen wie Times und Sun hat Extinction Rebellion (XR), die Gruppe von selbsternannten Klimaschützern, jetzt ein großes Eigentor geschossen. Sowohl die Tory-Regierung von Boris Johnson als auch Labour-Oppositionsführer Keir Starmer verurteilten die stundenlange Blockade der Zufahrtsstraßen zu zwei Druckereien als Angriff auf die Pressefreiheit.

Etwa 100 XR-Aktivisten hatten in der Nacht von Freitag auf Samstag zwei Druckereien nahe London und nahe Liverpool belagert und damit die Distribution von mehr als einer Million Zeitungen lahmgelegt. Rund 80 wurden festgenommen, die Mehrzahl muss sich bald vor Gericht verantworten. Jetzt steht sogar im Raum, dass die Gruppe Extinction Rebellion, die zuvor als zwar radikale, doch irgendwie sympathische Umweltgruppe galt, zu einer „extremistischen Vereinigung“ erklärt wird, die polizeilich überwacht werden könnte.

Innenministerin Priti Patel nannte die Aktion zur Verhinderung der Auslieferung von Zeitungen „widerlich“ und kündigte an, sie werde höhere Strafen prüfen. Bis zu fünf Jahre Knast könnten bei schwerer Störung der öffentlichen Ordnung künftig drohen.

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Einigen der Drahtzieher der Organisation drohen schon jetzt Strafbefehle der Metropolitan Police von 10.000 Pfund. Kulturminister Oliver Dowden kritisierte im Telegraph, die „Klima-Anarchisten“ hätten wieder mal danebengegriffen; ihr inakzeptabler Angriff auf die freie Presse richte sich gegen die Demokratie. In der Labour-Partei führte die XR-Aktion zu Konfusion: Zunächst begrüßte eine besonders linke Abgeordnete auf Twitter die Druckereiblockade als „exzellente Arbeit“, sie musste den Tweet dann aber schnell wieder löschen, weil die Parteispitze angesichts der ablehnenden Reaktion der Öffentlichkeit die „Extinction Rebellion“-Aktion verurteilte. Labour-Parteichef Starmer nannte es „falsch, die Leute daran zu hindern, zu wählen, was sie lesen wollen“.

Diesmal haben die „Klimaaktivisten“ den Bogen ganz offensichtlich überspannt, als sie die Druckereien lahmlegen wollten, in denen die Zeitungen The Times und The Sun von der News Corp des Medienmoguls Rupert Murdoch, aber auch andere Blätter wie Daily Telegraph und die Financial Times hergestellt werden. Die sich selbst als Aktivisten bezeichnenden Blockierer werfen den Zeitungen vor, sie würden „nicht richtig“ über die Klimakrise berichten. Nach dem totalitären Verständnis der „Klimaaktivisten“ müssen freie Zeitungen exakt in ihrem Sinne schreiben, sonst dürfen sie nicht erscheinen.

Antwort nach der Störaktion
Eurowings zaudert mit Maßnahmen gegen Extinction Rebellion Störer
Von Roger Hallam, dem Gründer der „Extinction Rebellion“-Gruppe, sind einige irre, menschen- und demokratieverachtende Ansichten bekannt. Nicht nur hat der pleitegegangene Biobauer von einer „Revolution“ orakelt. Man werde Regierungen stürzen und es werde „auch Tote geben in diesem Prozess“. Später erklärte Hallam, dass Genozide, also Völkermorde, historisch „ein fast normales Ereignis“ seien, und nannte den Holocaust einen „weiteren Scheiß der Geschichte“. In der extremistischen Sicht eines Hallam ist der Holocaust ein eher triviales historisches Ereignis, einzig der Klimawandel hat eine richtig bedrohliche Dimension. Vor ein paar Tagen dann der nächste Hammer von Hallam: Er schlug vor, Politikern eine Kugel in den Kopf zu schießen, die ihm nicht genehm sind, die aus seiner Sicht schuldig sind an der „Klimakatastrophe“. Zwar hat sich XR offiziell von Hallam distanziert, doch steckt nach wie vor viel Hallam in der radikalen, sektenähnlichen Bewegung.

Es ist eine manichäische Sicht auf die Welt: Der Kampf der „Guten“ (Klimaaktivisten), der Mächte des Lichts, gegen die Kräfte des „Bösen“ und der Finsternis … – dieser Kampf rechtfertigt den Bruch von Gesetzen, Angriffe auf die Pressefreiheit und die Demokratie. In den Köpfen mancher radikaler Ökoaktivisten, bei denen die Grenze zu Ökoterroristen verschwimmt, ist die Demokratie obsolet, wenn die Mehrheit ihnen nicht folgt. Eine Klimadiktatur wäre angemessener, um der planetarischen Bedrohung zu begegnen.

Ein anderer hochrangiger Vertreter von Extinction Rebellion in Großbritannien wurde jüngst mit historisch wirren Analogien zitiert: Donnachadh McCarthy, der Pläne für Blockaden entworfen hat, sagte zur Feindmarkierung der XR-Bewegung: „Dies ist wie der Zweite Weltkrieg und ihr Leute (von den Zeitungen) seid auf der anderen Seite.“ Die andere Seite sei „eine existentielle Bedrohung. Es ist eine andere existentielle Bedrohung, aber sie ist eine größere als die Nazis“. Die Gleichsetzung mit Nazis kommt in Großbritannien nicht gut an.

„Greta’s UK-Army“, wie die Mail on Sunday XR nannte, weht in England inzwischen ein kälterer Wind entgegen.

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