Tichys Einblick
EU-Kommissar neuer Außenminister Italiens?

Barley scheitert mit ihrem Husarenritt gegen Rom

Antonio Tajani, zweifacher EU-Kommissar und ehemaliger EU-Parlamentspräsident, soll italienischer Außenminister werden. Die Forza Italia wird zum Eckpunkt der neuen Mitte-Rechts-Regierung. EU-Apologeten wie Katarina Barley bringt die Personalie in Erklärungsnot.

IMAGO / R. Poss u. A. Balasco – Collage: TE

Deutsche Ampelpolitiker wollten ein „mutiges Zeichen“ setzen: Mit einem offenen Brief an EVP-Chef Manfred Weber hatten Katarina Barley (SPD), Daniel Freund (Grüne) und Moritz Körner (FDP) versucht, Einfluss auf die Regierungsbildung in Italien zu nehmen. Sollte die Forza Italia, die wie die deutsche CDU oder die französischen Republikaner zur Parteienfamilie gehören, mit Giorgia Meloni koalieren, dann sollte Weber die italienische Schwesterpartei aus der Fraktion ausschließen.

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Doch in Rom nimmt man dieses Säbelrasseln nicht ernst. Im Gegenteil: Das Kabinett Meloni steht offenbar kurz vor seiner Vollendung, die letzten unbekannten Personalien sollen bis Mittwoch geklärt sein. Anders als von der linken Presse behauptet und von deutschen Medien kopiert, zeichnet sich ab, dass Meloni bereitwillig die Beute teilt. Dabei mehren sich die Hinweise, dass Antonio Tajani offenbar Außenminister wird. TE hatte den Tipp, dass Tajani eine wichtige Funktion in der neuen römischen Regieurung einnehmen könnte, schon vorher abgegeben.

Tajani ist in mehrfacher Hinsicht eine kluge Wahl. Denn er wird es Brüssel erschweren, die neue konservative Regierung in Rom zu delegitimieren. Tajani war nämlich zweimal EU-Kommissar: Kommissar für Verkehr (2008–2010) und Kommissar für Unternehmen und Industrie (2010–2014), sowie Vizepräsident der Europäischen Kommission. Er war zuerst Vizepräsident (2014–2017) und anschließend für zwei Jahre Präsident des EU-Parlaments.

Tajani ist bestens in Brüssel vernetzt, ohne EU-Funktionär zu sein

Die Nominierung Tajanis ist damit ein strategischer Schachzug: Denn nicht nur, dass Tajani bis heute einen guten Draht nach Brüssel hat, so hat allein seine Persönlichkeit eine so symbolische Bedeutung, dass die Wadenbeißerei kleiner EU-Funktionäre schon damit abgewatscht werden kann, dass der Repräsentant der neuen italienischen Regierung selbst hohe Funktionen in Brüssel bekleidete. Es zeigt zudem, dass sich weder das rechte Lager im Allgemeinen, noch die Forza Italia im Besonderen von dem Barley’schen Zwergenaufstand beeindrucken lassen.

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Zugleich ist Tajani alles andere als der Typus des gewöhnlichen EU-Funktionärs. Tajani war zuerst Monarchist und Vizesekretär der Studentenbewegung der Unione Monarchica Italiana, bevor er zusammen mit Silvio Berlusconi die Forza Italia aus der Taufe hob. Tajani begann seine Karriere als Luftwaffenoffizier, studierte Jura und war ab den 1980ern als Journalist zuerst für die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten tätig, danach für das liberal-konservative „Giornale“.

Tajani gehört zu den wenigen konservativen Politikern auf EU-Ebene, die ihre Überzeugungen trotz Zeitgeist behalten haben und deswegen auch immer wieder im Establishment aneckten. Er ist Abtreibungsgegner und Kritiker der LGBT-Lobby. Als Ende letzten Jahres ein „woker“ Verhaltenskodex für EU-Mitarbeiter zu einer Empörungswelle führte, weil etwa christliche Namen wie Maria und Johannes getilgt werden sollten, war Tajani einer der wichtigsten Wortführer, die die Broschüre zu Fall brachten. TE hat damals darüber berichtet. Tajani gilt überdies als Erbe Silvio Berlusconis, der die Parteiführung übernehmen – und die Forza Italia wieder in Richtung zweistelliger Wahlergebnisse korrigieren könnte.

Zwickmühle für Barley und Co: Wie will man Rom als EU-feindlich kritisieren, wenn der Außenminister mal EU-Parlamentspräsident war?

Dennoch bringt die Personalie Tajani die linksliberale Seite in Erklärungsnot. Tajani wird mit dem Verweis auf seine eigene Person jeden Vorwurf entkräften, sollten Barley und Konsorten Italien erklären wollen, was „europäisch“ sei oder nicht. Und auch ein Markus Söder, der den Ausschluss der Forza Italia fordert, wird erklären müssen, mit welchem Recht eine Regierung und eine Partei, die mal hohe Führungskräfte in Brüssel stellte, plötzlich verbannt werden sollten.

Und wenn man doch kurzen Prozess macht, kann Rom genüsslich ausbreiten, dass die EU nun ihre eigenen Kinder fresse. Sie führte sich mit einem solchen Manöver selbst ad absurdum. Für Politiker vom Schlage Barley bleibt dann nur die letzte Waffe: die üble Nachrede in Ermangelung eigenen Profils und eigener Substanz. Viktor Orbán hatte sie „aushungern“ lassen wollen, Meloni unterstellte sie Holocaust-Leugnung, und auch in diesem Fall bleibt dann nur, der einen unbewiesenen Behauptung die nächste anzufügen.

Die Presse-Anfrage von TE, welche „grausamsten Verbrechen“ in der Geschichte Europas Giorgia Meloni denn geleugnet haben soll, hat Barley auch eine Woche später noch immer nicht beantwortet, knüpft dafür auf Twitter heute aber nahtlos an offenbar eingefahrene Verhaltensmuster an.

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