Tichys Einblick
Neue Deutsche Außenpolitik

Baerbocks große Worte in Paris und Röttgens devoter Applaus

Außenministerin Baerbock spricht in Paris von Einigkeit. Was darunter zu verstehen ist, wird ihr französischer Amtskollege etwas anders interpretieren. Aber Widerstand gegen französischen Begehrlichkeiten ist von der Ampel ohnehin nicht zu erwarten. Und Kritik von der CDU auch nicht.

Außenministerin Annalena Baerbock mit dem Außenminister von Frankreich, Jean-Yves Le Drian in Paris 09.12.2021

IMAGO / photothek

Nachdem Annalena Baerbock China und Russland mit den Mitteln der deutschen Sprache, die ihr zur Verfügung stehen, gedroht hat, hat sie gestern ihren Antrittsbesuch beim französischen Außenminister Jean Yves Le Drian absolviert. Beide Außenminister waren sich darin einig, dass Europa „grüner, sozialer und souveräner“ werden müsse. Was das bedeutet, wurde mit guten Gründe nicht erläutert, denn es dürfte schwer fallen, zu erklären, worunter die Gleichheit im Sozialen beispielsweise in der Rentenpolitik besteht, weshalb Deutsche später in Rente gehen sollen, damit Franzosen früher in Rente gehen können. Sicher ist die Brüsseler Umverteilungspolitik nicht der einzige Grund für den späteren Renteneintritt der Deutschen, er findet sich auch in der Massenmigration in die deutschen Sozialsysteme, die von der neuen Regierung noch ausgeweitet werden soll.  

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In der Frage eines grünen Europas wird die beschworene Einigkeit besonders augenfällig, denn während die Franzosen den Weg zur Erreichung des obskuren Pariser Klimaziels in der Atomkraft sehen, sieht die deutsche classe politique, nicht nur Annalena Baerbock, in Atomkraftwerken die Kathedralen des Teufels. Und was die Frage der Souveränität Europas betrifft haben einerseits die Franzosen die Vorstellung, dass „Europa“ eine französische Veranstaltung ist, obwohl sie in letzter Zeit immer häufiger von einem gewissen Eigenleben der Brüsseler Administration leicht irritiert werden, andererseits wird man sehen, wie Macron im Wahlkampf und wie nach der Wahl die Franzosen europäische Souveränität buchstabieren werden. Es scheint jedoch so zu sein, dass eine Prämisse europäischer Souveränität darin besteht, dass nicht die EU von Frankreich, sondern Frankreich von der EU lebt, weshalb man wieder bei der Umverteilungspolitik und beim französisch-italienischen Bündnis angelangt wäre, das sich so großartig in den Corona-Bonds bewährt. Von den über Umverteilung und über Umverteilung durch Schulden 750 Milliarden-Budget erhält allein Italien 200 Milliarden Euro. 

Jean Yves Le Drian beherrscht die Kunst der Diplomatie, Worte zu wählen, die zwar alle benutzen, unter den nur alle unterschiedliches verstehen. Während Baerbock in der Sprache ein Mittel sieht, ihr grünen Freunde zu begeistern und auf grünen Parteitagen zu reüssieren, was nicht unbedingt Sprachbeherrschung erfordert, hatte einst ein französischer Außenminister mit Namen Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord mit Blick auf die Politik, auf die Außenpolitik zumal, um seinen Wortbruch zu rechtfertigen, Voltaire mit der Bemerkung paraphrasiert: „Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen.“

Es könnte also sein, dass, als Annalena Baerbock beipflichtete, dass sie diese Ziele unterstütze, nicht so genau wusste, was sie eigentlich unterstützt. Bitte keine Details, ich bin fürs Klima zuständig. 

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Natürlich schwärmte sie davon, dass es für eine neue Außenministerin nichts Schöneres geben könne, als am ersten Morgen nach ihrem Amtsantritt in Paris zu sein. Als Kompliment wäre das etwas zu dick und zu plump, wenn sie nicht sogleich ihre Erinnerung an den Klima-Gipfel 2015 in Paris nachgeschoben hätte. Dass nicht Notre Dame, nicht Gedanken an Voltaire, Diderot, auch nicht an die Surrealisten, noch nicht einmal an Sartre, an Foucault und Derrida, an Lyotard, Barthe und Bourdieu für sie Paris ist, sondern sich Paris für sie im Klima-Gipfel erschöpft, sagt viel über die Frau aus dem Völkerrecht aus. Man erkennt es schon an Baerbocks Sprache, dass Kultur, dass Kunst, Philosophie und Literatur nicht ihre Sache sind. Macht ist eben, wenn fehlenden Qualifikationen nichts ausmachen. 

Um noch einmal zu verdeutlichen, dass Außenpolitik für sie Klimapolitik ist, wies sie darauf hin, dass in der neuen Geschäftsverteilung das Außenministerium für Klimafragen in der Außenpolitik zuständig ist und die entsprechenden Referate vom Umweltministerium ins  Außenministerium verlagert worden sind. Dass sie sich mit dem außenpolitischen Klima gut auskennt, so möchte man scherzen, hat Baerbock schließlich schon vor Amtsantritt bewiesen, als sie für schlechtes Klima mit Russland, mit China, aber auch mit Polen und mit Ungarn sorgte. 

Was Jean Yves Le Drian von Baerbocks Idee, Außenpolitik als Weltinnenpolitik zu behandeln, und von Annalena Baerbock als Weltinnenministerin hält, konnte wahrscheinlich nicht mehr diskutiert werden, denn Baerbock fuhr noch am Vormittag nach Brüssel weiter. 

Brüsseler Selbstermächtigung
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In Brüssel traf sie, nachdem sie Frankreich rasch absolviert hatte, endlich mit dem umstrittenen Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, zusammen. Borrell lobte natürlich die eifrige Baerbock dafür, dass sie sich dem ehrgeizigen Ziel verpflichtet fühle, die EU-Kommission zu stärken. Bedenkt man, welchen Machtzuwachs der Green Deal für die EU-Kommission bedeutet, dann versteht man Borrells Freude darüber, dass Baerbock als Außenministerin gleichzeitig die „deutsche Klimabeauftragte“ ist. An grünen Schecks aus Deutschland für Brüssel, bzw. an deutschen Schuldversschreibungen wird daher wohl kein Mangel eintreten.

Doch Josep Borrell ist auch ein Mann von Humor, denn er wünschte Baerbock viel Freude im Amt, obwohl das Amt nicht viel Freude brächte, dafür aber sehr viel intellektuelles Interesse. Intellektuell nahm Baerbock den Ball auf und jubelte, dass sie in ihrer ersten Woche als Außenminister „mit Ihnen mehr Zeit verbringen“ wird „als mit Olaf Scholz oder meinem Kollegen Habeck“. So der tristen deutschen Realität entronnen, wird sich Baerbock in Brüssel sonnen, wie es sich für eine „echte Europäerin aus ganzem Herzen“ gehört, die zugleich die „Außenministerin einer echten proeuropäischen deutschen Regierung“ ist, schließlich sei die Zukunft Deutschlands „auf ewig verankert im europäischen Schicksal“, heißt im Klartext, von Brüssels Techno- und Bürokraten beherrscht. 

In Brüssel traf sie dann noch bedeutsame Leute wie den US-Klimabeauftragen John Kerry, den noch wichtigeren EU-Klimakommissar Frans Timmermans und die noch wichtigere EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, bevor Baerbock vom beamtig-schönen Brüssel ins widerspenstig-trotzige Polen weiterreist. Möglicherweise waren die treffen als „intellektuelle“ Wegzehrung gedacht und auch nötig, denn sowohl Timmermans, als auch Johansson vertreten eine unbegrenzte Einwanderung in die europäischen Sozialsysteme, wie ganz nebenbei durch die Nachricht von den 40.000 umzusiedelnden Afghanen unterstrichen wurde, von denen Deutschland 25.000 übernehmen wird. Man wird sehen, ob Baerbocks Reise nach Polen dazu führen wird, dass ein Korridor für die Migranten, die an der Grenze zu Polen in Belarus noch ausharren, nach Deutschland geschaffen wird. Im Sinne Timmermans und Johanssons wäre es.

Post aus Peking
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Und die größte Oppositionspartei im Bundestag? Von der Schongarnichtmehr-Partei CDU hat sich Norbert Röttgen gemeldet, der schon mal zu Protokoll gibt: „Als Oppositionspolitikerin hatte Frau Baerbock mit Blick auf Russland und China sehr ähnliche Positionen wie ich, wenn nicht sogar dieselben. Allerdings erkenne ich noch nicht, dass daraus nun die Linie der neuen Bundesregierung wird. Ich wünsche Annalena Baerbock, dass sie zu ihrer Haltung weiterhin stehen und sie zur Regierungslinie machen kann. In dem Fall hätte sie meine Unterstützung.“ 

Nimmt man die Äußerungen von Röttgen und Merz, so bleibt unterm Strich, dass sich die CDU von den Roten und den Grünen nur dadurch unterscheidet, dass sie sich grüner als die Grünen und röter als die Roten gibt. Ansonsten lassen die jüngsten Einlassungen von Röttgen und Merz, dem Hoffnungsträger der Illusionisten, nur darauf schließen, dass das Ziel der CDU darin besteht, eine harte Oppositionspolitik zu machen – gegen die AfD. 

Im Grund existieren rechts und links, existieren keine Parteien mehr, sondern nur eine einzige, recht homogene classe politique. Darin besteht das wahre Problem. 

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