Tichys Einblick
Der Nichtwähler

Zur EU-Wahl: Gespräch mit einem Nichtwähler

Zur EU-Wahl spricht TE jeweils mit einem Wähler der im Bundestag aktuell vertretenen Parteien und mit einem Nichtwähler. Die Gesprächspartner wurden willkürlich ausgewählt und bleiben anonym. Die Gespräche wurden aufgezeichnet und das geschriebene Wort abgeglichen.

Wir hatten schon einmal zur Bundestagswahl mit einem Nichtwähler gesprochen, mit dem wir zur Europawahl erneut zusammen kamen. Auffällig hier fast eine gewisse Sturheit in der Haltung, die es bisweilen erforderlich macht, mehrfach nachzufragen, um zu verstehen, warum der Nichtwähler sich nun auch der EU-Wahl so konsequent verweigert.

„Wenn Du zu einem Anwalt gehst, würdest Du dem ja auch keine Blankovollmacht für Jahre geben, ohne Rücknahmerecht. Viel wichtiger als das Wahlrecht wäre doch ein Abwahlrecht bei Missfallen. Solange es das nicht gibt, ist das Ganze witzlos. Es heißt ja nichts umsonst „Volksvertreter“.

Wie das mit der Abwahl funktionieren soll? Eine eigentlich unsinnige Frage, denn die stellt man auch nicht als erstes, wenn man mit einem Problem zum Anwalt geht. Wenn also der Vertreter meines Wahlbezirks nicht mehr funktioniert und eine Mehrheit im entsprechenden Wahlbezirk der Meinung ist, der Kollege oder die Kollegin muss weg, dann wird er abgewählt für diesen Bezirk, weil er nicht mehr die Interessen des Volkes vertritt. Er ist also gezwungen durchgehend die Interessen des Volkes zu wahren, dank einer Art negativer Wahl.

Heutzutage ist die Aufgabe von Parteien falsch definiert. Im Moment, als beispielsweise die AfD in den Bundestag eingezogen ist, war die sich selbst gegebene Aufgabe erfüllt, die Abgeordneten hätten allesamt aus der Partei austreten und ab da den Wähler vertreten müssen und nicht mehr die Partei. Das scheitert aber am Parteiensystem. Dieses Parteiensystem ist eine Erfindung der Siegermächte. Wenn es um Freiheit und Demokratie gegangen wäre, hätte man auch das System der Amerikaner übernehmen können. Das wäre für eine Siegermacht auch logisch gewesen, die Frage also: Warum wurde es nicht gemacht? Weil man es den Deutschen nicht zugetraut hätte?

Wenn ich gar nicht wähle, könne ich auch nichts bewirken? Das Gegenteil ist richtig: Wenn eine Mehrzahl der Leute erkennt, das sie nichts bewirken kann und also nicht zur Wahl geht, hat sich das gesamte System ad absurdum geführt. Wenn ich etwas abschweifen würde von der EU-Wahl, dann würde ich gerne an den Fall Assad erinnern, dem damals von der UN seine Wahl als nicht demokratisch legitimiert erklärt wurde, da die Wahlbeteiligung unter 30 Prozent lag, unabhängig davon dass er über 90 Prozent der Stimmen hatte. Wussten Sie, dass Wahlen unter 30 Prozent als nicht legitim gelten laut UN? Da sehen Sie einmal, welche Macht Nichtwähler haben, diese Macht nehme ich für mich gerade wahr.

Zur Idee der Europäischen Gemeinschaft kann ich sagen, dass es nicht meine Idee ist. Beim europäischen Grundgedanken gibt es einen Kardinalfehler: Die Leute werden nie europäisch denken, da dafür die Grundvoraussetzungen fehlen. Warum? Weil das festgelegte unveränderbare geografische Territorium fehlt. Und das ist nötig, weil das Territorium ja schließlich der Ersatz für die Staaten sein soll.

Was wäre der nächste Schritt nach der EU? Möglicherweise Eurasien und dann weiter Richtung One-World? Auch die EU-Macher wollen streng genommen keine EU, sondern immer den nächst größeren Verbund.

Sagen wir es in einem Satz: Wenn Territorien durch Werte ersetzt werden, kommt immer eine Diktatur dabei heraus.

Wenn Politiker davon schwärmen, wie schön die offenen Grenzen und die einheitliche Währung für das Reisen ist, dann ist das Volksverdummung. Wo ist das Problem einer Währungsgrenze? Wer sagt, dass man dann schlechter Geschäfte machen könnte, das Gegenteil ist richtig! Denn Grenzen und Währungen haben immer auch eine erhaltende Schutzfunktion.

Um zu diesem Thema zu kommen: Ich habe nichts gegen Zuwanderung. Man reist mit vollen Taschen in ein Land seiner Wahl ein, genießt die Willkommenskultur der Einheimischen und verschwindet wieder still und leise, wenn die Taschen leer sind. Willkommenskultur ist hier ein Geben und Nehmen. Der reiche Onkel aus Amerika ist willkommen, nicht der verarmte Bauer aus Äthiopien. Hier geht es auch nicht um Bildung, wenn die Kohle stimmt. Eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung. In den 1980er Jahren gab es eine beliebte Fernsehserie, die hieß „Die Schönen und die Reichen“ – für mich ist das bis heute die Entsprechung für passende Zuwanderung.

Wenn Sie mich fragen, was mit den in ihrem Land Verfolgten ist, dann sage ich: Man sollte erst einmal das Thema Verfolgung kritisch hinterfragen.

Nach den Slogans der Wahlplakate brauchen Sie mich gar nicht fragen, das ist doch alles Kokolores inklusive denen der AfD. Bleiben wir lieber noch einmal bei der Zuwanderung. Mit welchem Recht wird deutsches Geld für diese Leute ausgegeben? Ich habe ein gutes Beispiel. Stellen Sie sich vor, sie wohnen in einem Haus mit sechs Eigentumswohnungen. Kein Eigentümer hat das Recht, die Gemeinschafträume ohne die Zustimmung aller mit Fremden aufzufüllen. Für mich ist alleine der Gedanke pervers, dass sich jemand dieses Recht herausnimmt.

Sie meinen ich wäre mit meiner Haltung gestrig, wenn man sich den wachsenden Erfolg beispielsweise der Grünen anschauen würde? Das wundert mich bei Ihnen, denn das wäre so eine typische Frage etablierter Medien. Verstand wird heute mit „gestrig“ assoziiert. Die Grünen sind Realitätsverweigerer. Als sie Ende der 1970er antraten, drohte in 50 Jahren die Eiszeit. 1990 wunderte man sich, dass es immer noch 50 Jahre waren. Dann kam der Schwenk hinüber zur Erderwärmung. Auch hier wieder ein Fenster von 50 Jahren, das man jetzt lustig vor sich herschieben wird.

Ich gehe also nicht zur EU-Wahl, weil es für mich eine Volksverdummung ist. Es gibt ja nicht einmal europäische Politiker, die man europaweit wählen kann. So könnte beispielsweise einer wie Viktor Orbán nicht europaweit kandidieren. Wozu also das alles?

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