Tichys Einblick
Über 10.000 Asylanträge im Juni

Steigende Zuwanderung – wann geht die Union auf Distanz zu den Grünen?

Die Zahlen der Asylzuwanderer nach Deutschland steigen wieder. Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag sagt erstaunlich deutlich: „Dabei geht es vielfach um Wirtschaftsmigration, nicht mehr um Flucht“. Von Kanzlerkandidat Laschet ist dazu nichts zu vernehmen.

IMAGO / Christian Schroedter

Die EU-Mitgliedsstaaten scheinen in der Asylpolitik immer weiter auseinander zu driften: Während Dänemarks Sozialdemokraten intensiv damit beschäftigt sind, Regelungen zu finden, Asylanten nach der Antragstellung im Land in Aufenthalte außerhalb der EU zu verbringen, meldet Österreich fast zeitgleich, dass immer mehr Illegale die Grenzen überschreiten würden. So schreibt u.a. das auflagenstärkste österreichische Blatt Kronenzeitung:

„Die Zahl der Aufgriffe an der burgenländischen Grenze steigt rapide an. An einem einzigen Tag sind fast 70 Migranten registriert worden. Sie suchten um Asyl an. Gleichzeitig häufen sich die Anrufe der Schlepper bei Taxifahrern, um die eingeschleusten Einwanderer nach Wien oder bis nach Deutschland chauffieren zu lassen.“

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Deutschland bleibt demnach ungebrochen das Ziel vieler Illegaler. Aber wie sieht es hierzulande damit aus? Die neuesten Zahlen bestätigen, was von den Außengrenzen zu hören und Anlass für große Sorge ist: Die Asylanträge steigen wieder deutlich an. Und die Wege der Zuwanderung werden vielfältiger: Auf diversen Landwegen, über Mittelmeerrouten oder gleich mit dem Flugzeug mit oder ohne Drei-Monats-Touristen-Visum, um es in einen Asylantrag umzuwandeln.

Nichts daran ist übrigens ein Geheimnis: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) veröffentlicht regelmäßig neueste Zahlen zu den Asyl-Erst- und Folgeanträgen. Dennoch horcht die Presse jetzt besonders auf, wo ein CDU-Bundestagsabgeordneter – also ein Vertreter der für die deutsche Asylpolitik verantwortlichen Regierungspartei – sich diese Zahlen genauer anschaut und damit an die Öffentlichkeit geht :

Mathias Middelberg (56, CDU), innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, macht gegenüber Bild auf den gewaltigen Sprung im Vergleich zum Vormonat aufmerksam: „Im Juni werden wir wieder die 10.000-Grenze bei den Erstanträgen auf Asyl reißen. Das ist eine deutliche Steigerung um gut 20 Prozent gegenüber dem Vormonat Mai.“

Die Zahlen für Juni 2021 werden vom BAMF erst in den kommenden Tagen bekannt gegeben, aber schon jetzt deutet sich ein besorgniserregender Anstieg der Zuwanderung an. Im Mai waren es bereits 8.278 neue Anträge von Schutzsuchenden zuzüglich 950 Folgeanträge.

Im Juni 2020 lag diese Zahl deutlich niedriger bei 3.777 Erstanträgen. Angesichts einer siebenstelligen Zuwandererzahl in das Asylantragssystem seit 2015 mag das gering klingen, aber das sind die Zahlen für einen Monat und die Zahl derer, die Deutschland den Rücken gekehrt haben, zurück in ihre Heimatländer, war geringer. Und um dazu eine weitere Vergleichszahl zu bemühen: „Ende 2019 waren im Ausländerzentralregister ca. 281.000 Menschen in Deutschland als ausreisepflichtig gespeichert“, der Rückstau aus Mangel an Willen oder/und Möglichkeiten, diese Ausreiseverpflichtung durchzusetzen, ist also gewaltig. Die Kosten für jeden einzelnen Neuankommenden im Sozialsystem sind hier noch nicht summiert.

Die Welt berichtete in der ersten Juni-Woche 2021 von der Herkunft der Asylantragstellenden für Mai 2021: „Die größte Gruppe unter den Antragstellern waren in diesem Mai Syrer mit 3.776 Anträgen. 1.594 Antragsteller kamen aus Afghanistan, 651 aus dem Irak.“

Schon Anfang Juni mahnte Mathias Middelberg, der auch innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion ist: „Vieles spricht dafür, dass die Zahl der Asylanträge weiter steigen wird.“ Unter anderem die Zuwanderung über die Mittelmeerroute nach Italien und Spanien wachse erheblich. „Dabei geht es vielfach um Wirtschaftsmigration, nicht mehr um Flucht“, so der CDU-Politiker.

Aber wie glaubwürdig ist die Aufregung aus den Reihen der Union über diese wieder steigenden Asylantragszahlen wirklich? Aktuell gibt es keine Verlautbarungen – schon gar nicht aus der Ecke des Kanzlerkandidaten der Union – dass man nicht mit den Grünen auf Bundesebene koalieren wolle.

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Armin Laschet schaut zwar zufrieden auf den wieder wachsenden Abstand zu den Grünen, der laut aktuellen Umfragen schon bei sieben Prozent liegen soll, aber noch fehlt ihm das Selbstbewusstsein, der Koalition mit den Grünen eine Absage zu erteilen. Oder schielt Laschet etwa schon hinüber zur FDP? Erkennbar ist davon nichts. Nur die FDP ist fleißig dabei, sich ins Gespräch zu bringen.

Warum ist das so beachtenswert im Zusammenhang mit den alarmierend steigenden Zahlen der Asylneuanträge? Weil die Grünen im Parteiprogramm eine Reduzierung der Zuwanderung gar nicht vorgesehen haben. Im Gegenteil: “Weg von Zahlen, hin zu den Menschen: Integration und Miteinander sind die Herausforderungen“.

Und wo es um eine Stärkung des EU-Grenzschutzes geht, wo die Überlegung im Raum steht, Frontex zu stärken und die Grenzen vor illegalen Übertritten zu schützen, soll Frontex, wenn es nach den Grünen geht, „Seenotrettung“ obendrauf noch explizit in ihren Aufgabenbereich übernehmen, wie die Taz berichtet. Frontex also hochoffiziell als zukünftige Asylantragsannahmestelle zur See, zu Wasser und in der Luft.

Was bei Merkel und Baerbock noch über weite Strecken deckungsgleich schien, da sollen Baerbock und Laschet „völlig anders“ ticken, fleht fast der Focus und schreibt dazu – vielleicht um eine imaginäre Distanz zu den zuwanderungsfreundlichen Grünen zu betonen – die CDU würde eine Zuwanderung in die Sozialsysteme, „also die Duldung von Wirtschaftsflüchtlingen“ ablehnen. Das ist schon alleine deshalb kurios, weil es aktuell unter dem Schutzschirm der vierten Merkel-Regierung über fünfzig unterschiedliche Aufenthaltstitel gibt, darunter auch so genannte „Duldungen“.

Die Union bleibt hier so lange unglaubwürdig, wie sie sich nicht explizit von der Zuwanderungspolitik ihrer Noch-Kanzlerin distanziert. Und das geht nur, wenn Spitzenkandidat Armin Laschet in aller nötigen Deutlichkeit Bilanz ziehen und die verheerende Zuwanderungspolitik der Kanzlerin als solche benennen würde.

Eine Pflichtübung wäre hier übrigens, dass sich Armin Laschet erkennbar auf Distanz begibt gegenüber einer Umsetzung der angeblich nicht verpflichtenden UN-Flucht- und Migrationspläne – ist er dazu allerdings nicht bereit, sind die hier eingangs genannten Befürchtungen des innenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einer wieder ansteigenden Zuwanderung wahrscheinlichste Entwicklung mit allen damit zusammenhängenden negativen Folgen für dieses Land.

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