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Ralf Stegner will in BAMF-Affäre Persilschein für die SPD

Stegner und die SPD wussten um die Zustände im BAMF schon seit Jahren, torpedierten aber weiterhin die wirkungsvollste Maßnahme dagegen.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD wirft der Kanzlerin heute früh „Chaos und Missmanagement“ bezüglich der Vorgänge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor. Die Schuld liege bei „Unionsinnenministern und im Kanzleramt“.

Bei den Vorgängen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird deutlich, dass Angela Merkels „Wir schaffen das“ nicht nur die von der SPD mitgetragene humanitäre Flüchtlingspolitik, sondern leider auch Chaos und Missmanagement bei Unionsinnenministern und im Kanzleramt folgte.

Im Januar 2016 klang der SPD-Vize, was die Beteiligung seiner Partei an diesem Chaos angeht, allerdings noch ganz anders, als er gegenüber Deutschlandfunk prahlte: „Frau Merkel kann doch froh sein, dass die SPD in der Bundesregierung ist, sodass sie überhaupt noch eine Unterstützung dafür hat, so schwierig wie das ist.“

Und noch früher, am 16. Okober 2015 verkündete Stegner frohen Mutes: „Ich freue mich, dass die Bundeskanzlerin dagegen in der Flüchtlingsfrage weitgehend das vertritt, was auch die SPD schon lange für richtig hält.“

Ralf Stegner ignoriert heute gerne, dass er persönlich zu denjenigen gehörte, die massiven Druck ausübten auf das BAMF und schon Anfang 2016 vehement und andauernd höhere Geschwindigkeiten einforderten: „Das Problem liegt immer noch beim Bundesamt. Sie warten in Deutschland teilweise sieben, acht Monate auf einen Anhörungstermin.“ Und das schade der Integrationsarbeit, so Stegner.

Die Verantwortung liegt im Kanzleramt
Nicht das BAMF ist der Skandal - Merkel ist es
Heute empört er sich über die Zustände im BAMF, fast so, als höre er zum ersten Mal davon. Von einer Mitverantwortung der mitregierenden SPD will er schon gar nichts wissen. Aber er wusste doch viel, wenn er schon Ende 2015 massiv Druck auf das BAMF ausübte und schneller Verfahren forderte mit der Zusatzbemerkung: „allerdings nicht durch den Abbau rechtsstaatlicher Verfahrensstandards“. Die lagen also schon damals auf dem Tisch. Der Motor hoppelte, aber Stegner wollte nicht in die Werkstatt, er wollte schneller fahren. Offensichtlich frei nach dem Motto: Back mir ein Hähnchen, aber mach den Ofen nicht an.

Dagmar Rosenfeld, stellvertretende Chefredakteurin der Welt kommentiert das heute so: „Dass aber ausgerechnet Sozialdemokraten wie Ralf Stegner dem jetzigen Bundesinnenminister die Fehler der vorherigen großen Koalition in der Flüchtlingspolitik ankreiden, ist absurd.“

Und Stegner organisierte sich schon im September 2015 prominente Fürsprecher in der Opposition für seine Hetze, bloß schnell, schnell zu machen im unionsgeführten BAMF: „Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte Schmidts Abgang ein „klassisches Bauernopfer“. Die politische Verantwortung für das Chaos im Amt liege im Bundesinnenministerium, de Maizière müsse „jetzt endlich seinen Job machen“.

Das Perfide: Stegner und die SPD wussten um die Zustände im BAMF schon seit Jahren, torpedierten aber weiterhin die wirkungsvollste Maßnahme dagegen:

„Statt das Asylrecht zu schleifen, muss de Maizière endlich die Asylverfahren beschleunigen, wie das Länder und Kommunen seit vielen Monaten fordern.“

Ralf Stegner wusste schon Ende 2015 genau Bescheid, was sich da im BAMF anbahnt, heute gibt er den Überraschten, den Empörten. Im Dezember 2015 äußerte sich Stegner gegenüber der Rheinischen Post, als er die Arbeitsweise in dem für die Registrierung von Flüchtlingen zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als »nicht tragbar« bezeichnete. Das läge aber nicht an den Mitarbeitern, so Stegner damals, sondern an der politischen Führung. Die Verantwortung dafür trage Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Wohlgemerkt, die SPD war damals wie heue in der Großen Koalition mit der Union, saß am selben Kabinettstisch. Hatte also die selben Informationen, offensichtlich auch über die Zustände im BAMF. Kritisierte diese sogar öffentlich. Geschehen indes ist in den drei Jahren bis heute nichts. Was sagt das über die Arbeit der Großen Koalition heute wie gestern? Und vor allem: Was sagt das über diese „Kabinettssitzungen“ genannten Zusammenkünfte unter Merkels Leitung? Was passierte da eigentlich, als es brannte?

Ist Ralf Stegner nur furchtbar bigott oder ist alles noch viel schlimmer? Regierten und regieren die Ministerien aneinander vorbei? Wo sind die entsprechenden Kabinettsprotokolle? Ach so, die werden ja aus gutem Grund und wenn überhaupt, dann erst Jahrzehnte später veröffentlicht. Dann, wenn sie nicht dauerhaft mit einer Geheimhaltungsstufe „VS geheim“ belegt wurden. Dann könnten möglicherweise später Generationen das Totalversagen auch der SPD nachlesen. Aber dann interessiert es nur noch Historiker.