Tichys Einblick
„NesT – Neustart im Team“

Neues Großprojekt für noch mehr Zuwanderung

Bertelsmann Stiftung und Stiftung Mercator finanzieren eine Abteilung im Innenministerium und wirken mit an Regierungsprogrammen, die mit 500 Personen starten, aber potentiell bis zu 1,4 Millionen neue Zuwanderer legal nach Europa und Deutschland bringen sollen.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Sagen wir es von Anfang an in aller Deutlichkeit: Solange die Bundesregierung, solange der Staat meint, sich mit den Kirchen des Landes zusammentun zu müssen, wenn es um die Bewältigung der anhaltenden Zuwanderung geht, dann besteht Gefahr, dass diese Zusammenarbeit noch als Brandbeschleuniger wirken könnte, wie im Folgenden erzählt. Auf welch dramatische Weise hier gezündelt wird, wie der Bürger vorgeführt wird, wenn es um die ersten Schritte der rechtlichen Verwirklichung der angeblich doch völlig unverbindlichen Flüchtlings- und Migrationpakte geht, lässt sich gerade sehr gut beobachten, wenn man sich das am Montag von Vertretern der Bundesregierung und den Kirchen gemeinsam vorgestellte Flüchtlingsunterstützungsprogramm: „NesT – Neustart im Team“ anschaut.

Wer die ersten Verlautbarungen aus dem Hause Horst Seehofers zu diesem Programm liest, könnte Schnappatmung bekommen: Der Ansprechpartner unter der dazugehörigen Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums ist eine eigens neu geschaffene hausinterne „Zivilgesellschaftliche Kontaktstelle (ZKS)“ und die Mitteilung selbst wurde folgendermaßen betitelt: „Hand in Hand von Anfang an“.

Was soll das sein? Prosa oder schon Gebet? Wer inspiriert so eine Kuschellyrik in einem der wichtigsten deutschen Ministerien, dessen erste Aufgabe doch darin besteht, über die Geschicke im Land zu wachen, Sicherheit zu garantieren und durchzusetzen? Also das Diesseits für die deutschen Bürger und Steuerzahler so angenehm wie möglich zu gestalten.

Tatsächlich sind die Stichwortgeber solch gefühliger Weltprosa die Verwalter des Jenseits, wenn das Programm passenderweise in der evangelischen Diakonie vorgestellt wurde.

Zwar darf zunächst noch Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) von einer „ausgesprochen humane(n) und humanitäre(n) Visitenkarte“ fabulieren, als hätte es die Massenzuwanderung ab 2015 nie gegeben und als würden nicht schon weit über eine Million Visitenkarten in arabischer Schrift vorliegen.

Dann aber kommt schon Oberkirchenrat Ulrich Möller zu Wort, der sofort ein biblisches Gleichnis bemüht: So wie Vögel im Frühling ausdauernd an einem Nest bauten, so werde auch an dem Programm „NesT“ zu einem tragfähigen Gebilde werden – errichtet von vielen Ehrenamtlichen mit Leidenschaft. Und weiter zum Projekt, das solvente Ehrenamtliche und nicht solvente Zuwanderer zusammenführen soll: „Es braucht Menschen, mit denen gekickt und gesungen, gelacht und getanzt, gespielt und geredet werden kann.“

Geredet? Zunächst einmal lässt einen dieses Reload einer überschwänglichen von der Realität vielfach längst eingeholten Bahnhofsapplausprosa von 2015 sprachlos zurück. Dann gilt es hier zunächst einmal genauer zu schauen, was es mit „NesT – Neustart im Team“ konkret auf sich hat.

In besagter Pressemitteilung des Innenministerium zum Startschuss des „Aufnahmeprogramms NesT – Neustart im Team“ vom 06.05.2019 teilt besagter Stephan Meyer (CSU) mit: „Es ist ein echtes Gemeinschaftswerk von Staat und Zivilgesellschaft, das am heutigen Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wird und eine wichtige Ergänzung unserer humanitären Aufnahmeprogramme.“

Wer bitte, hatte noch einmal iwann und wo gesagt, es bedürfe einer solchen Ergänzung, wo der Staat gerade schon damit hoffnungslos überfordert ist, bereits erfolgte Aufnahmen via Abschiebungen irgendwie rückgängig zu machen?

Nicht nur das Vorhaben zwischen Kirche und Staat ist erstaunlich, auch der Zeitpunkt ist es, wenn das Projekt so kurz vor der EU-Wahl bekannt gemacht wird. Wie selbstbewusst sind die Regierungsparteien mittlerweile schon, anzunehmen, dass ihr so ein Vorhaben nicht schaden könnte?

Annette Widmann-Mauz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und Staatsministerin im Bundeskanzleramt freut sich: Das „Das Programm „Neustart im Team“ sei ein starkes Zeichen gelebter Solidarität: „Mentorinnen und Mentoren helfen bei Behördengängen, bei der Suche einer Wohnung, Schule, eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes und erleichtern so die erfolgreiche gesellschaftliche Integration — das nutzt den Schutzbedürftigen, aber auch der ganzen Gesellschaft.“ Reicht der Begriff „Blauäugigkeit“ hier überhaupt noch aus?

Denn beispielsweise die Flüchtlingsbegleiterin Rebecca Sommer hatte gegenüber TE gerade erst berichtet, wie es tatsächlich an der Kuschelfrontlinie aussieht, wenn immer mehr Helfer und Unterstützer die Segel streichen angesichts unfassbarer finanzieller Forderungen und eines übergriffigen Verhaltens einiger der Betreuten.

Gegenüber der Welt soll das Bundesamt sogar darum gebeten haben, das Desaster rund um die Bürgschaften für Zugewanderte bitte nicht zu erwähnen, als der Staat die Bürgschaften irgendwann kassierte und die entsetzten Helfer beruhigte, als er sie, als es zur Kasse ging, dann doch von ihren Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber befreite.

Die Zusammenführung von Zugewanderten und „Mentorengruppe“ nennt Andrea Schumacher, Vizepräsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) neudeutsch „Matching“. Hier lege der besondere Fokus des NesT-Programms, das eine „operative Durchführung der Resettlementverfahrens“ des UNHCR der Vereinten Nationen sei.

Ganz klein will man starten mit 500 Zuwanderern. Niemand soll zunächst beunruhigt werden. Auch sollen die Zuwanderer nicht zusätzlich kommen, sondern werden dort ausgewählt, wo Horst Seehofer im Namen der  Bundesregierung dem Flüchtlingswerk der UN sowieso schon via Resettlement-Programm weitere zehntausend legale Einreisemöglichkeiten zugesagt hatte.

Im Wortlaut heißt es zum Programm „NesT – Neustart im Team“ aus dem Innenministerium:

„Der neue Ansatz: Staat und Zivilgesellschaft arbeiten dabei von Anfang an Hand in Hand. Dreh- und Angelpunkt bei NesT sind die Mentorinnen und Mentoren: Mindestens fünf Personen müssen sich gemeinsam dazu verpflichten, Flüchtlingen das Ankommen zu erleichtern und sie ideell und finanziell zu unterstützen.“

Ist das nun nur erschütternd in seiner Naivität oder schon komplett irre? Glauben die Verantwortlichen wirklich, das sich nicht wiederholen könnte, was passierte, als diese vielen beseelten Helfer und Bürgen tatsächlich zur Kasse gebeten wurden? Gibt es sie überhaupt noch, die Mütter und Töchter, die angesichts einer zunehmenden eingewanderten Gewaltkriminalität und des so genannten Femizid gegen Frauen und Mädchen so völlig unvoreingenommen und beseelt auftreten können gegenüber einer vornehmlich jungen männlichen Zuwanderung?

Dachten sich wohl auch die Initiatoren des Programms, als betont wurde, dass es sich bei diesem ersten Kontingent ausgewiesen und vornehmlich um Schwangere, Frauen mit kleinen Kindern, Behinderte oder Kranke handeln würde. Redakteurin Ricarda Breyton bei der WELT allerdings bleibt skeptisch, wenn sie auf den Vertreter des UNHCR in Deutschland verweist, der seinerseits darauf hingewiesen hätte, dass es weltweit 68 Millionen Vertriebene gäbe.

Davon hätten nun wiederum 25 Millionen Menschen einen Flüchtlingsstatus. Und rund 1,4 Millionen dieser Flüchtlinge seien besonders schutzbedürftig und hätten einen „ganz dringenden“ Resettlementbedarf. „Sie warten darauf, dass ein Platz für sie frei wird“, zitiert Breyton den UNHCR-Vertreter und findet das so bemerkenswert, das sie daraus die Schlagzeile macht: „1,4 Millionen Flüchtlinge warten darauf, dass Platz für sie frei wird“. Also erst 500, dann weitere 1,4 Millionen nach Deutschland? Das ist tatsächlich in etwa, was die Welt ihren Lesern erzählen will.

Im Lichte dessen, dass der Staat nun verstärkt den Schulterschluss mit privaten Organisationen sucht, darf im Übrigen auch der Vorstoß der Grünen, der Linken und der SPD verstanden werden, welcher die Bundesregierung aufgefordert hatte, private Nichtregierungsorganisationen rechtlich, logistisch und finanziell zu unterstützen, wenn es beispielsweise darum geht, mit privaten Schiffen vor der libyschen Küste ungehindert Zuwanderer aufzunehmen und nach Europa zu shutteln.

Das Innenministerium erklärt gemeinsam mit der evangelischen Kirche, wie sie sich diese Erweiterung der Zuwanderung idealerweise vorstellt, wie das neue Programm ablaufen soll, wenn man sich an die Helfer richtet:

„Sie suchen eine geeignete Wohnung und finanzieren die Kaltmiete für zwei Jahre. Außerdem unterstützen sie  die Schutzbedürftigen ein Jahr lang ideell auf ihrem Weg zur gesellschaftlichen Teilhabe. Sie sind Ansprechpartner und helfen beispielsweise bei Behördengängen, bei der Suche einer Schule, eines Ausbildungsplatzes und einer Arbeitsstelle. Zudem ermöglichen sie Begegnungen, zum Beispiel im Sportverein, in der Freizeit oder bei Festen.“

Aber es kommt noch dicker: Diese neu geschaffene „Zivilgesellschaftliche Kontaktstelle (ZKS)“ des Bundesinnenministeriums ist bereits die Auslagerung des Problems, wenn sie – so erzählt es ganz freimütig die Pressemitteilung – durchfinanziert wird unter anderem von der Bertelsmann Stiftung und der Stiftung Mercator.

Die Privatisierung des Staates findet also bereits statt, die privaten Stiftungen bringen die Kohle mit, kaufen sich ein und bekommen dafür quasi ihre eigenen Abteilungen im Bundesministerium, selbst wenn dieses Abteilung „in der Pilotphase aus Vertretern des Deutschen Caritasverbandes, des Deutschen Roten Kreuzes und der Evangelischen Kirche von Westfalen“ verwaltet werden sollen.

Der deutsche Staat verabschiedet sich. Und damit auch von der Verwaltung der ihm anvertrauten Steuergelder über deren Verwendung jetzt NGO entscheiden, die den Behörden ja sowieso immer nur drein reden und alles besser wissen, also sollen sie es doch gleich selber und also besser machen?

Das Bundesinnenministerium erklärt sich abschließend:

„Zivilgesellschaftliche Vertreter haben NesT mit entwickelt: Katholische und Evangelische Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie haben ebenso mitgewirkt wie Arbeiterwohlfahrt, Bertelsmann Stiftung, Der Paritätische, Deutsches Rotes Kreuz, Mercator Stiftung und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR). Auch Flüchtlingsinitiativen wie „save me“, „start with a friend“ und die „Flüchtlingspaten Syrien“ haben ihre Erfahrungen eingebracht.
Das Projekt startet im Frühjahr 2019. Die ersten Einreisen werden voraussichtlich ab Sommer 2019 erfolgen.“

Im Übrigen läuft dieses Engagement des Innenministeriums einer anderen Verlautbarung aus dem Hause Seehofer entgegen, die wir gerade erst hier abgebildet haben.