Tichys Einblick
In München, in Berlin

Lokale müssen schließen, Pächter aufhören: Politmafia oder politisch korrekte Bewirtung?

Hier das italienische Lokal im Viertel, dort der zum Rathaus gehörende Ratskeller. Aber beide Fälle werfen ein Schlaglicht auf die Hysterie und den unbedingten Gestaltungswillen der politischen Parteien, wenn es um die Hoheit über den öffentlichen Raum geht.

Würde man es maximal zuspitzen, dann könnte die Frage auch lauten: Hätte Adolf Hitler verhindert werden können, wenn der Betreiber des Münchner Bürgerbräukellers den Nationalsozialisten das Betreten des Lokals verboten hätte?

Solchen a-historischen Blödsinn gepaart mit einer Aufsehen erregenden Form von Hysterie jedenfalls kann man nun Berliner und Münchner Bezirksbehörden und Politikern unterstellen, die Wirte mutmaßlich dahingehend Existenz bedrohend genötigt haben, Pegida und AfD nicht in ihren Lokalen speisen zu lassen als Demonstration von Weltoffenheit und Toleranz.

Zwei betroffene Wirte in Berlin–Charlottenburg und München–Sendling allerdings machten es nicht so, wie wahrscheinlich hunderte andere Lokale, die Besuch von den politischen Lokalverbotserteilern bekamen, der Italiener in München war nicht einmal bereit, den mitgelieferten Aufkleber „München ist bunt . . . auch in Gaststätten und Hotels“ an seine Lokalscheibe zu kleben. Ein Sakrileg, das ihn seine Existenz kostete.

Die NZZ berichtete, Giovanni Costa, ein gebürtiger Sizilianer, hätte erklärt, er habe mit Politik nichts am Hut. Und bevor wir nach Berlin-Charlottenburg zum zweiten Fall behördlicher Willkür und repressiver Partei- und Kommunalpolitik hinüberwechseln, hier kurz eine Zusammenfassung der Ereignisse in München, die zur Schließung des Lokals führten und die sich nun tatsächlich lesen wie aus einem Roman über eine hysterische Gesellschaft am Rande des Wahnsinns:

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Im Frühjahr 2016, so die NZZ, wurden 21 Sendlinger Bezirksausschuss-Mitglieder darauf aufmerksam, dass sich im Lokal von Costa jeden Montag Personen aus der „winzigen Gruppe“ des Münchner Ablegers der Dresdner Pegida-Bewegung treffen würden. Nun verfügt der Stadtteil-Ausschuss über immerhin drei Rechtsextremismus-Beauftragte. Also über drei Kämpfer für das Gute, die ohne das Böse arbeitslos wären. Man kann sich das Gehacke und Gesteche um die besten Plätze vor dem Nazi-Bösen geradezu bildhaft vorstellen. Zack, sitzt man schon vor Giovanni, der solche unangemeldeten Besuche allenfalls aus Erzählungen seiner sizilianischen Vorfahren erinnern könnte, so die ein Lokal in Palermo oder sonst wo betrieben hätten. Ihm werden zwei Briefe ausgehändigt: Einer vom Ausschussvorsitzenden, ein weiterer vom Oberbürgermeister.

Giovanni Costa wird aufgefordert, Pegida-Leuten zukünftig den Zutritt zu verweigern. Und der Oberbürgermeister (SPD) höchstpersönlich, erinnert in einem gemeinsam mit einem Vertreter des Bayrischen Hotel- und Gaststättenverbandes verfassten Brief daran, das München „bunt und weltoffen“ sei. Der OB drückt sein Bedauern aus: „Bedauerlicherweise gab es auch 2014 wieder eine Reihe von Fällen, in denen Gaststättenbetreiber ihre Räumlichkeiten extrem rechten Gruppierungen überlassen haben – zumeist aus Unkenntnis, um wen es sich dabei handelt, und aus Unsicherheit angesichts der eigenen juristischen Möglichkeiten.“

Aber was soll Herr Costa machen? Er soll besagten Aufkleber an die Tür kleben und eventuelle Verträge mit Rechten kündigen. Eine kurze Rechtsberatung, wie das geht, soll ebenfalls laut NZZ im Brief erwähnt worden sein. Ach so: Costa soll doch bitte schauen, ob irgendwo auf seiner Speisekarte noch Zigeunerschnitzel angeboten wird (beim Italiener?). Eine weltoffene Speisekarte muss also ebenfalls her. Alles gute Ratschläge, dachten sich wohl der OB und seine Mitstreiter, aber da haben sie nicht mit dem sturen Ex-Sizilianer gerechnet. Der mauert nämlich und bekennt sich allenfalls dazu, unpolitisch zu sein: „Warum soll ich die rausschmeissen?“

Was dann folgte, ist ein Skandal, wenn der Wirt nach Selbstauskunft vom Rechtsextremismus-Beauftragten Ernst Dill daraufhin bedroht wird, wenn er sich nicht fügen würde, gäbe es „mächtig Ärger“. Der Beauftragte erinnert sich anders, aber es klingt doch irgendwie gleich, wenn er widerspricht, er habe nicht gedroht, er habe Costa nur seine Meinung gesagt: „Wir wollen die hier nicht.“ Eine Politmafia mitten in dieser sozialdemokratischen bayrischen Enklave namens München?

Was die NZZ recherchiert hat, ist tatsächlich atemberaubend: „Dass die Pegida-Gruppe im Lokal keine Reden geschwungen hat, lässt Dill nicht gelten. Der 71-jährige Anwalt sagt, er wolle solche Leute generell nicht an einem öffentlichen Ort dulden. München stehe als „Hauptstadt der nationalsozialistischen Bewegung“ von Adolf Hitler in der Pflicht. Er erinnert auch an den NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht. „Ich sage nur: Wehret den Anfängen!“

Um es kurz zu machen: Kurz nach dem Gespräch wird „Nazis verpisst Euch“ an die Fassade des Lokals gesprüht, die Fenster mit Antifa-Stickern beklebt und im Internet wird zum Boykott des Lokals aufgerufen bzw. dazu, dem Laden mal „Solidaritätsbesuche“ abzustatten. Der Umsatz bricht ein, Mitarbeitern wird gekündigt und dann kündigt auch noch die Brauerei den 14 Jahre alten Pachtvertrag. Die Zeitung hat eine Vermutung: „Kein Unternehmen wird gerne mit politischen Randgruppen assoziiert.“ Nun ist das Lokal geschlossen.

Von München nach Berlin-Charlottenburg zu einem Fall, der Ähnlichkeiten aufweist. Hier wurde der Pächterin des traditionellen Ratskellers vom Bezirksamt mitgeteilt, ihr Vertrag würde zum Jahresende beendet werden. Der Tagessspiegel schreibt dazu: „Das Restaurant ist oft auch ein Treffpunkt von AfD-Politikern. Ist die Kündigung also politisch motiviert? Manches spricht dafür.“ Zitiert wird u.a. Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne): „Wir bedauern sehr, dass sich der Pächter nicht auf unsere dringlichen Bitten einlässt, sich politisch mehr zurückzuhalten.“

Schruoffeneger nennt aber noch weitere Gründe: Die Pächterin würde ebenfalls die Personalkantine des Rathauses betreiben, aber diese Räumlichkeiten bräuchte man nun für dringend benötigte Verwaltungsbüros. Also soll der Ratskeller mittags auch als Kantine funktionieren. Darüber hinaus wolle man das Lokal auch für Veranstaltungen zur „Demokratieförderung“ nutzen. Und der Baustadtrat begründet das so: „Ein Ratskeller in einem öffentlichen Gebäude muss eine Funktion erfüllen.“

Laut Aussage der Wirtin sei Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) die treibende Kraft gewesen bei der Vertragsauflösung. Schützenhilfe bekommt die Wirtin u.a. vom FDP-Vizefraktionschef Felix Recke. Der forderte laut Tagesspiegel „mehr Transparenz“ und sprach von einem „politisch motivierten Eingriff“. Nun hat die Noch-Betreiberin des Ratskellers selbst gar kein Interesse daran, die AfD zu bewirten, wenn es deswegen Auseinandersetzungen gibt, die ihren Umsatz gefährden. Aber hier ist es anders, als in München bei Herrn Costa: Die Berliner Wirtin ist „vertraglich dazu verpflichtet, alle „Vereinigungen und politischen Gruppierungen“ zu bewirten, die eine Fraktion in der BVV haben.“

Zwei Fälle, die durchaus unterschiedlich zu bewerten sind. Hier das italienische Lokal im Viertel, dort der zum Rathaus gehörende Ratskeller. Aber beide Fälle werfen ein Schlaglicht auf die Hysterie und den unbedingten Gestaltungswillen der politischen Parteien, wenn es um die Hoheit über den öffentlichen Raum geht. Kommt nun noch der mehr oder weniger übliche Klüngel der Bezirkspolitik hinzu, dann wird es unappetitlich, dann kommen Dinge auf den Teller, die wohl besser im Kühlhaus geblieben wären.

Dann zeigen Sozialdemokraten (München) wie Grüne (Berlin) einmal aufschlussreich, wie sie agieren, wenn sich ihnen keiner mehr couragiert in den Weg stellt. Wenn sie darauf hoffen können, dass ihnen auch die Medien Schützenhilfe geben, wenn es darum geht, die öffentliche Meinung für die politisch korrekte Sache einzuspannen. In beiden Fällen müssen nun die Wirte gehen. Auf die Familien und die Schicksale dahinter wird hier keine Rücksicht genommen, Existenzen werden vernichtet.

Demnächst also im Ratskeller „Demokratieförderung“, dann, wenn sich kurzfristig ein politisch korrekter Wirt findet. Notfalls muss man eben einen mit subventionierten verminderten Mieten locken. Wird schon klappen: Wer nichts wird, wird eben Wirt. Oder bleibt Lokalpolitiker.


Bild: @ onnola via Flickr (CC BY-SA 2.0)