Tichys Einblick
BamS-Interview

Heiko Maas: Biedermann und Anstifter

Hat der Aufstand der Anständigen, den Maas fordert, nicht längst begonnen? Und fordert der Außenminister nicht gerade deshalb, sich diesen Anständigen entgegenzustellen? Maas ist ein Aufwiegler.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Ja doch, man muss vorsichtig sein, wenn es darum geht, Heiko Maas zu kritisieren. Dann, wenn man nur mit dem Gesamtauftritt dieses Saarländers argumentiert, der doch allen Anlass gibt, subjektiv an die Sache heranzugehen. Dann, wenn sich jeder weitere verdruckste TV-Moment als Steilvorlage anbietet, nur noch übertroffen von dieser ziemlich einzigartigen Kombination aus vorlauter Besserwisserei bei durchgehend defensiver Haltung, so lange, bis das Gegenüber von anderen hingestreckt wurde, dann traut sich auch mal Heiko Maas vorübergehend mit festerer, erhobener Stimme zu agieren. Ja doch, wer Menschenkenntnis für sich reklamieren kann, identifiziert hier den Angstbeißer.

Aber so einfach wollen wir es dem Außenminister nicht machen. Also ignorieren wir einmal persönliche Erfahrungen und schrille Alarmsirenen, die sofort anschlagen und Heiko Maas von Mensch zu Mensch ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellen. Warum auch Schubladen ziehen, es reicht völlig aus, den Außenminister der Bundesrepublik Deutschland beim Wort zu nehmen; dann beispielsweise, wenn er sich in seinem Ministerbüro den Fragen der aktuellen Bild am Sonntag stellt.

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Das war Claus Kleber zuviel
Biedermann und Anstifter. Heiko Maas bleibt gegenüber der BamS dabei: Es gab in Chemnitz die „abscheulichen Hetzjagden auf unschuldige Passanten.“ Völlig uninteressant für den Minister, wenn die Faktenlage diese Hetzjagden schon wenige Tage später in den Bereich der Fantasie überführt zu haben scheint. Uninteressant, wenn die kritische Rückverfolgung der Entstehung dieser Behauptung kaum mehr Raum lässt, von „Hetzjagden“ zu sprechen. Aber für Heiko Maas zu stark als Argument, zu sehr bereits über die Leitmedien in der öffentlichen Meinung fälschlicherweise festgefressen, als dass der Außenminister auf dieses FakeNews verzichten würde.

Der Außenminister berichtet gegenüber der BamS vom Treffen der europäischen Außenminister in Wien. Seine Kollegen hätten ihn auf die Ereignisse Chemnitz „sehr oft angesprochen.“ Und Maas lässt es im ledersesselweichen Gespräch so klingen, als hätten genannte Kollegen darüber ihr Entsetzen ausgedrückt.

Aber worüber? Und wer genau soll’s gewesen sein? Waren der Außenminister Österreichs, der tschechische, der ungarische, der italienische oder der polnische Kollege so entsetzt über Chemnitz? Über was im Detail? Mit wem genau hat Maas gesprochen? Verrät er uns nicht. Dafür erfahren wir, wovon Heiko Maas überzeugt ist: „Die große Mehrheit in Deutschland (…) ist weltoffen und tolerant.“ Der Rest der Deutschen ist demnach für Hetzjagden. Schwarz oder weiß. Für uns oder gegen uns.

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Holte sich Heiko Maas Schützenhilfe gegen seine widerspenstigen Deutschen beim spanischen Kollegen? Ausgerechnet bei jenem Josep Borrel, der nach dem Treffen der Außenminister erklärte, die Migrationskrise sei gefährlicher als die Finanzkrise, sie drohe sogar die EU aufzulösen? Der tschechische Außenminister (Hamáček ist Sozialdemokrat wie Maas) wurde sogar noch deutlicher als der ambivalente Spanier: „Eine unkontrollierte Migration stellt eine Drohung für Europa und damit auch für Tschechien dar.“

Ziel der europäischen Außenpolitik müssen laut Hamáček Bemühungen um eine Reduzierung der Ursachen der Migration sein. Aber kann man eine Kanzlerin Merkel und ihre Entourage reduzieren? Wie geht das genau? Hamáček bezeichnete den Schutz der Grenzen und eine gut gezielte Entwicklungshilfe als den richtigen Weg. Naheliegend ist es also, dass Maas ein ums andere Mal auf Chemnitz angesprochen wurde – aber wohl viel mehr verbunden mit der dringenden Bitte, diese Empörung der Bürger über wieder einen weiteren Mord mit Messer mitten in Europa endlich ernst zu nehmen.

Je weniger Fakten, desto klarer die Meinung
Bei Illner: Wer jagt wen?
Heiko Maas behauptet weiter gegenüber der Bild am Sonntag, Deutschland werde „ganz besonders kritisch beäugt“, wenn es um Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus geht. Aber ist es nicht viel mehr so, dass dieses Deutschland seit Ende 2015 vor allem deshalb kritisch beäugt wird, weil die Massenzuwanderung und die Politik der offenen Grenzen die Europäische Gemeinschaft so massiv gefährdet wie noch kein Ereignis mit europäischer Tragweite zuvor? Wäre es nicht endlich an der Zeit zu sagen, was wirklich ist, anstatt nun noch den Kollegen beim Außenministertreffen unterzuschieben, was sie so aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht gefragt haben können?

Schlimm. Aber noch schlimmer da, wo Heiko Maas zum Anstifter wird, wo er Linke und Linksradikale weiter anstachelt, sich den Kritikern der Zuwanderungspolitik endlich entgegenzustellen. Wegducken ist nach Maas nun nicht mehr erlaubt. „Wir müssen Grenzen zeigen gegen Neonazis und Antisemiten.“, sagt Maas, wenn er eine Haltung gegen Zuwanderungskritiker einfordert, die sichere Grenzen fordern.

Zu viele schauen nicht hin
Chemnitz - Annäherung an die Wahrheit
Der Kampf soll auf der Straße zwischen Linksradikalen und der Mitte der Gesellschaft ausgetragen werden, die Mitte diskreditiert, diffamiert und so weit verängstigt werden, dass sie nicht mehr auf die Idee kommt, den Blick vom rasenden linken Mob abzuwenden und endlich auf die Parlamente und Regierungen zu richten, die Wut also dort abzuladen, wo sie ihren Ursprungsort hat. Der Außenminister rettet seine Haut, indem er das Volk aufeinander hetzt? Und die Zuwanderungskritiker auf Ausländer, damit sich deren Wut nicht gegen ihn selbst und seine Regierung richtet? Man könnte es tatsächlich so sehen.

Und Heiko Maas droht ganz offen jenen, die ihre Haltung öffentlich diskutieren wollen, die sich einmischen, wenn die Politik der Bundesregierung diese so erfolgreich aufgebaute europäische Gemeinschaft so massiv gefährdet, wie es der spanische Außenminister formuliert hatte. Heiko Maas zeichnet ein bedrohliches Szenario, das real werden würde, wenn die „Anständigen“ weiter schweigen. Ergo sind jene, die ihren Mund aufmachen, per Se unanständig. Das ist nun aber auch historisch betrachtet die Rhetorik der Scharfmacher. Vorgetragen von einem Biedermann, der dabei so viele jener deutschen Untugenden vertritt, die zu bekämpfen ganze Nachkriegsgenerationen auf ihre Fahnen geschrieben hatten, um dabei an einem Heiko Maas so grandios zu scheitern. Ein Widergänger.

Voll daneben
Hart aber Fair: Chemnitz ist nun überall
Heiko Maas befindet im Interview mit der BamS, es hätte sich in Deutschland leider eine „Bequemlichkeit“ breit gemacht, die es zu überwinden gelte. Die Menschen befänden sich in einem „diskursiven Wachkoma“. Aus welcher Komfortzone heraus wagt das der Außenminister zu sagen, wenn die Menschen trotz aller Hysterie der politischen Klasse immer noch den Mut aufbringen, „Nein“ zu sagen zur desaströsen Migrationspolitik dieser Bundesregierung?

Biedermeier und Brandstifter. Aber schon geht die Angst um. Dann wird es bissig. Denn wie bitte kann sich Heiko Maas noch sicher sein, dass die Brandstifter „gegen Rechts“ die er sich ins Haus geholt hat, nicht am Ende auch ihn selbst aus dem Amt jagen? Ist Heiko Maas am Ende doch ein mutiger Mensch, wenn er so einen Zweifrontenkrieg riskiert? Was wird er tun, wenn sich die fiktive Menschenjagd in Berlin zu einer ganz realen auswächst, wenn die Wähler endlich die Nase voll haben und Maas und Kollegen per Wählervotum aus dem Amt jagen? Hinter der Maas-Partei stehen mittlerweile kaum mehr Wähler als hinter der AfD, die Luft wird dünn. Ein positiver Trend für die SPD weniger wahrscheinlich als für die AfD.

Schweigen ist Bürgerpflicht
Ist die SPD verfassungsfeindlich?
So mag es mit einer erzwungenen Empathie für den Saarländer noch verständlich sein, wenn er hier so hysterisch die Alarmsirenen schrillen lässt. Aber mit einer Sorge um Deutschland oder Europa hat das deshalb noch lange nichts zu tun. Und dann erinnert man diese verdrucksten Auftritte des Heiko Maas in Talkshows und auf der internationalen Bühne, erkennt man sofort dieses Deutsche im Saarländer, dass man bei deutschen Politikern längst überwunden glaubte. Diese latente buchhalterische Korrektheit, die leise fitzelige Stimme, das nervöse Flackern der Augen. Und dann erschrickt man darüber, dass so jemand in Deutschland wieder etwas zu sagen haben darf.

Nun könnte man fragen, ob der Aufstand der Anständigen, den Maas fordert, nicht längst begonnen hat. Und ob der Außenminister nicht gerade deshalb fordert, sich diesen Anständigen entgegenzustellen? Maas ist ein Aufwiegler. An ihn muss im besonderen Maße der Appell gerichtet werden, sich endlich zu besinnen. Alleine, es fehlt der Glaube. Man kann nicht mit jedem reden. Die Anständigen müssen sich auf die konzentrieren, die noch Willens sind, etwas zum besseren zu gestalten. Der Außenminister bezeugt weiterhin, dass er nicht dazu gehören möchte.