Tichys Einblick
Ohne Rechtsstaat braucht's den Polizeistaat

G20-Gewalt: Am Ende verlieren wir alle

Maas will lieber im Morgengrauen an die Türen von Facebook-Usern trommeln lassen gegen Hate-Speech gegen ihn. Um Recht gegen jeden Extremismus geht's ihm nicht.

Members of a SWAT team move into the Schanze Area where protesters set up burning barricades and looters broke into stores during an anti-G20 protest on July 7, 2017 in Hamburg

© Alexander Koerner/Getty Images

Geht es nach dem Willen der Politik, müsste sich nach den Ausschreitungen rund um den G-20-Gipfel die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland verändern. Ein willkommener Anlass zur Durchsetzung bisher unpopulärer Maßnahmen? Jedenfalls überboten sich Politiker aus Union und SPD mit der Forderung nach zukünftig schärferen polizeilichen Maßnahmen. Solche allerdings sollten auch auf internationaler Ebene Thema der G-20 sein, als man über die Beschränkung demokratischer Rechte als Folge der Globalisierung sprechen wollte – auch mit G20-Staatschefs, die sich systematisch daran beteiligen. Festzuhalten bleibt hier: Der Polizeistaat folgt immer dem Verlust des Rechtsstaates.

Nun waren die Verhältnisse in der linksautonomen Roten Flora jahrzehntelang bekannt. Wirkte hier eine falsch verstandene Toleranz als Wegbereiter hin zu den massiven Ausschreitungen zum G-20-Gipfel?

Man darf davon ausgehen, dass Polizei und Dienste diese Konzentration von Autonomen an einem Ort auch deshalb über Jahre zuließen, weil so die Verortung potenzieller Straftäter bequemer zu bewerkstelligen ist und deutlich die Arbeit erleichterte: Vergleichbar mit Diskotheken und Parks, die Drogenumschlagplatz sind, die nur deshalb nicht rigoros geschlossen werden, weil so eine bestimmte Klientel besser überwachbar ist und nicht in der Anonymität privater Wohnungen untertaucht.

Jetzt wird diskutiert, dieses Hamburger „autonome Zentrum“ zu schließen, abzureißen oder einer neuen Nutzung zuzuführen. Für den ehemaligen Hamburger Innensenator Ronald Schill war die Rote Flora ein Dorn im Auge und wichtiges Wahlkampfthema. Prozesse rund um das rote Haus machten ihn zur meistgehassten Figur der Szene und steigerten seine Popularität bei jenen Hamburgern, die die Nase voll hatten von den jährlich schon traditionell wiederkehrenden Ausschreitungen. Einen Autonomen, der bei einer Razzia in der Roten Flora zwei Polizisten massiv bedrängte, verurteilte Ronald Schill damals zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung, obendrein ließ er Sympathisanten, die im Gerichtsaal pöbelten, kurzerhand für drei Tage in Ordnungshaft nehmen.

Was die Gentrifizierung des Viertels betrifft, hatte Schill den Eventmanager und Investor Klaus-Martin Kretschmer aus dem Hut gezaubert, dem für 370.000 Deutsche Mark ein Areal rund um die Rote Flora überlassen wurde, der später mit Räumungsklagen drohte, als er bereits mit US-Immobilienfirmen zusammenarbeitete, weil man gemeinsam die hohe Wertsteigerung der Immobilien erkannt hatte. Kretschmer hatte sich verspekuliert, ging in Insolvenz und die Flora wurde von der Stadt Hamburg für 820.000 Euro gekauft und später sogar in Touristenbroschüren als sehenswerter Ort einer Hamburg-Sightseeing-Tour beworben. Also erst ins Muscial „Cats“, dann mit großen Augen Pimps & Bitches auf der Reeperbahn schauen, anschließend Chaoten in der Roten Flora besuchen nebst einem Löffel Suppe aus der Volksküche „HafenVokü“ für eine Mark.

Ist die Rote Flora nun ein Zentrum organisierten Linksextremismus, oder auch organisierter Kriminalität? Eine Art No-Go-Area, die schon viel zu lange geduldet wurde? Nun sind No-Go-Areas längst kein spezifisches Hamburg-Problem. Aktuell macht eine weitere in Berlin Schlagzeilen, die das Potenzial hätte, jene in Hamburg zu verharmlosen, aber dennoch in einem Zusammenhang steht.

Wer demonstriert macht sich schuldig
G20 und Demonstration in Hamburg politisch einordnen
Es geht hier um eine Nachricht rund um den Diebstahl einer 100 Kilo schweren Goldmünze: Das über drei Millionen Euro wertvolle Stück wurde aus dem Bode-Museum entwendet, nun gab es Verhaftungen im Berliner Problembezirk Neukölln. Die mutmaßlichen Täter sollen Mitglieder eines arabischen Clans sein. Vierzehn Berliner Wohnungen einer kurdischen Großfamilie mit mehreren tausend Angehörigen wurden von 300 Polizisten und SEK durchsucht. Eine Tätergruppe, die für jährlich bis zu 900 Straftaten verantwortlich sein soll, also drei an jedem Tag. Begangen von Mitgliedern arabischer Familien die sich eine No-Go-Areas als rechtsfreien Raum aufgebaut haben: ein rechtsfreier Raum, wie auch in der Roten Flora.

Bei den Berliner Clans kann man bereits einen kulturellen Überbau identifizieren, analog zum revolutionären Gestus rund um die Rote Flora. Nur dass er bei den Clans im Musikgeschäft verortet ist: Der unter deutschen Jugendlichen populäre Rapper „AK Außer Kontrolle“, wohl selbst Angehöriger des jetzt im Visier stehenden arabischen Familienclans, zitierte den Raub der millionenschweren Goldmünze bereits viel früher in einem Video, als offiziell von Seiten der Ermittler noch überhaupt kein Zusammenhänge zwischen Raub und dem Berliner Clan erkennbar war.

Kaltblütig? Unverfroren? Jedenfalls häufen sich Berichte, die von einer Ohnmacht der Polizei und Justiz gegenüber diesen Clans sprechen. Jetzt wurde auch bei den Ereignissen rund um die Rote Flora von „Ohnmacht“ der Polizei und von No-Go-Areas für Beamte gesprochen.

Zwei voneinander völlig unabhängige Fälle. Zwei gesellschaftliche Verwerfungen mitten in Deutschland, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die einen nennen es Subkultur, die anderen haben ihre Kultur aus dem arabischen Raum mitgebracht.

Bezogen auf die Kriminalität der Clans in Berlin sagte der Innenexperte der Berliner SPD-Fraktion, Tom Schreiber: „Sie sind politischer Sprengstoff für die Gesellschaft, sie unterhöhlen den Rechtsstaat“. Und hängt hintenan: „Wir brauchen nicht noch eine Studie. Wir haben kein Erkenntnisproblem.“

Aber was kann nun die gemeinsame Erkenntnis aus beiden Fällen sein? Ja, es gibt No-Go-Areas. Ja, die Rote Flora kann mit Recht als Schoßhund linker Politik verstanden werden. Und nicht wenige Rechte und Konservative würden das gleiche sogar über diese gefährliche Gruppe von Migranten sagen, die in Berlin ihr organisiertes Unwesen treiben, wenn linke Politik immer nur weiter mit Wattenbäuschchen-Taktik gegenzusteuern versucht, kostenlose Kitas einrichtet, Sprachförderkurse, Integrationskurse und Beratungsstellen anbietet und Initiativen fördert gegen die in manchen Einwandererkreisen verbreitete Prügelstrafe, gegen Zwangsehen und speziellen Schwimmunterricht für Neuköllner Kinder und Jugendliche.

Jugendliche, die auf ihren Smartphones die millionenfach gelikten „deutschsprachigen“ Songs von Rappern mit arabischem und kriminellem Hintergrund spielen. Musiker, deren Karrieren unter Sozialpädagogen als Beispiel einer gelungenen Integration gepriesen werden. Musiker mit  Textzeilen wie diesen: „Wer geht in die Bank mit Methan-Gasflaschen? Sprengt Automaten, Batzen auf Staat sein Nacken. Wer? Echte Berliner, Echte Berliner, Echte Berliner.

Zeitenwende
Hamburg oder die Spaltung Deutschlands
Ach ja, und dann war da ja immer noch der islamistische Terrorismus als Gefährdungspotenzial in diesem dissonanten Orchester der Gefahren. Die G-20-Staaten haben sich auf einen Anti-Terror-Katalog mit 21 Punkten geeinigt. Vor allem sollen kriminelle Geldströme ausgetrocknet werden. Maßnahmen, die man für geeignet hält, Kriminalität und politischem und religiösen Terror das Wasser abgraben. Aber eben auch Maßnahmen, die nicht nur Kriminelle treffen, sondern jeden einzelnen Bürger, dessen privater Bewegungsspielraum immer enger und dessen Aktivitäten immer gläserner werden. Hin zum gläsernen Bürger und hin zum Wohlgefallen derer, die Macht ausüben, Macht anwenden und die diese Macht nicht verlieren wollen.

Und die offensichtlich mit ihrer verfehlten Politik Gefahrenlagen am laufenden Band produzieren, für deren Gefahrenabwehr sie anschließend die Freiheit von uns allen Stück für Stück über die Klinge springen lassen. Schärfere Gesetze gegen Linksextrem gelten auch gegen Rechtsextrem – gut so. Nur bestimmen am Ende Politiker wie unserer Justizminister Heiko Maas, wer und was alles extremistisch ist. Dann kommt die Polizei am frühen Morgen schon mal wegen eines Facebook-Posts, dann ist man beispielsweise ein „männlicher Fundamentalist“, wenn man Gendermainstreaming kritisiert oder kein Verständnis aufbringt für Transmenschen oder eine Quotenreglung in der Arbeitswelt.

Wie ist das nun also mit einer neuen deutschen Sicherheitsarchitektur? Auf welchen Säulen soll sie ruhen? Auf der einen Seite wird der Rechtsstaat im Hauruckverfahren zum NetzDG-Schnüffelstaat umgebaut, auf der anderen Seite will man erfolgreich islamistischen Terrorismus bekämpfen, vergisst aber die Grenzen zu sichern. Auf der einen Seite identifiziert man sexuellen Missbrauch besonders in Familien über eine aktuelle Studie der Deutschen Kinderhilfe, die mit am runden Tisch des Bundesfamilienministeriums sitzt. Auf der anderen Seite macht sich Heiko Maas für Kinderrechte stark, um schon die Jüngsten ihren Familien zu entfremde, damit er ihnen ungestört sein verqueres Leitbild injizieren kann.

Auf der einen Seite finanziert man linke Organisationen und Projekte „Gegen Rechts“ über das Familienministerium mit 200 Millionen Euro, auf der anderen Seite wird das Umfeld der gerade erst Unterstützten nach den Ausschreitungen in Hamburg von Maas als „Asoziale Schwerkriminelle“ bezeichnet. Nein, eine Regierung, die sich einen derart inkompetenten und überforderten Justizminister als verantwortlich für die Justiz eines Staates leistet, krank ganz offensichtlich an der Architektur des Rechtsstaates. Und da hilft dann tatsächlich nur noch der Ausbau des Polizeistaates als letzter Ausweg. Der Ausbau einer Polizei, die in Hamburg oder Berlin „ohnmächtig“ war und nach dem Willen von Heiko Maas sowieso viel lieber im Morgengrauen an die Türen von Facebook-usern trommeln soll, wenn Heiko Maas Hate-Speech bekämpfen und im Grunde genommen nur den Hate-Speech gegen seine eigene Person und seine Inkompetenz unlesbar machen will.

Aber, und das ist wahrscheinlich das wichtigste Fazit zu den Ausschreitungen in Hamburg, die rechten und konservativen Kräften, jene Kräfte, die laut Angaben der Linken nebst Bundesregierung seit Jahren erstarken und zur ersten Gefahr in Europa erklärt wurden, sind in Deutschland besonders flügellahm. Ohne die willkommenen Ausschreitungen rund um die Rote Flora wäre diese Demonstration der einhunderttausend Teilnehmer linker und grüner Gruppierungen sogar eine noch größere Ohrfeige für die rechten und konservativen Warner geworden. In Dresden fordern mittlerwiele isolierte radikale Kräfte den „Widerstand“, Merkel wird dort sogar „Volksverräterin“ genannt und wir hier auf TE sind fast täglich gezwungen, über neue Ungeheuerlichkeiten einer Großen Koalition außer Rand und Band zu berichten wie zuletzt über massivste Eingriffe in die Verfassung auf den letzten Drücker. Wer nun aber denkt, die Zeit sei reif für ein konservatives Revolutiönchen oder wenigstens für eine eindrucksvolle Wir-sind-noch-da-Demonstration gegenüber dem so genannten Establishment, der wartet umsonst. Und natürlich schauten viele neidvoll nach Hamburg. Einfach deshalb, weil Merkel und Co. hier real etwas zu befürchten haben, das sie seit Jahr und Tag der Rechten unterstellen, aber eine echte konservative Gegenbewegung, ein Aufstand der anderen Anständigen gibt es in Deutschland einfach nicht, sonst wäre so eine Bewegung längst von der Bundeskanzlerin zwangsumarmt worden.