Tichys Einblick
TE-Interview Roland Wiesendanger

„Es spricht alles gegen einen natürlichen Ursprung des Virus“

Geheimdienstinformationen aus den USA legen nahe, dass der Ursprung der Corona-Pandemie im Wuhan Institut für Virologie zu finden ist. Roland Wiesendanger fordert: Es müsse „einen öffentlichen Aufschrei gegen gewissenlose virologische Experimente geben“.

IMAGO/Kyodo News

Eines der ersten Corona-Infektionscluster wurde entdeckt, berichtet das Medium Public mit Berufung auf anonyme Quellen in der US-Verwaltung – vermutlich handelt es sich dabei um Geheimdienstinformationen. Die Betroffenen sind eine Gruppe von Wissenschaftlern aus dem Wuhan Institut für Virologie, die von einigen Medien sogar als „Patient Null“ gehandelt werden. Tichys Einblick berichtete.

Roland Wiesendanger ist Professor für Experimentelle Festkörperphysik an der Univerität Hamburg. Er ist seit frühester Stunde ein Vertreter der „Laborhypothese“, nach der das Virus menschengemacht ist und aus dem Wuhan Institut für Virologie entwichen ist. Tichys Einblick konnte ihn zu den neuesten Entwicklungen befragen.

Tichys Einblick: Was bedeuten die Veröffentlichungen über ein frühes Infektionscluster für die Geschichte der Pandemie und den Ursprung des Virus?

Roland Wiesendanger: Es gibt schon seit längerer Zeit eindeutige Hinweise auf einen Laborursprung des SARS-CoV-2-Virus. Bereits sehr früh wurde eine sogenannte Furinspaltstelle im Erbgut dieses Virus entdeckt. Diese ist bei bisherigen Varianten von SARS-artigen Corona-Viren nicht bekannt gewesen. Der Einbau solcher Furinspaltstellen in das Erbgut von Viren ist aber gängige Praxis in Laboren, die Gain-of-function-Forschung betreiben. Amerikanische Wissenschaftler haben 2018 gemeinsam mit dem Wuhan Institut für Virologie einen Forschungsantrag gestellt mit der erklärten Absicht, solche Furinspaltstellen in SARS-artige Corona-Viren einzubauen. Insofern sind diese Pressemeldungen eine Bestätigung für einen Laborursprung des Virus.

Labor, Markt, Militärspiele
Beginn von Corona - Neue Berichte über "Patient Null"
Dazu kommen viele weitere Hinweise auf einen Laborunfall. So wurde am 12. September 2019 die weltweit größte Corona-Viren-Datenbank, betrieben durch das Wuhan Institut für Virologie, offline genommen. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Verbesserung der Labor-Sicherheitstechnik gestellt. In der ersten Oktoberhälfte 2019 gab es sogar eine Sperrung des ganzen Bezirks um das Institut herum. All das ist dokumentiert und durch Zeugenaussagen belegt. Für diejenigen, die das Thema schon länger verfolgen, sind diese Presseberichte, die auf Geheimdienstinformationen beruhen, keine Überraschung.

Furinspaltstellen in Viren einzubauen ist also ein Routineeingriff. Was ist das Ziel solcher Forschung?

Grundsätzlich können diese Gensequenzen auch natürlich entstehen. Die dazu notwendigen Mutationsprozesse benötigen in der Natur jedoch eine sehr, sehr lange Zeit. Das Ziel ist, solche Prozesse im Labor vorwegzunehmen und das Pandemiepotenzial von Viren aufzuzeigen. Daraus möchte man gewisse Rückschlüsse bezüglich möglicher zukünftiger Pandemien gewinnen und gegebenenfalls schon im Vorfeld Impfstoffe entwickeln. Diese sogenannte Gain-of-function-Forschung wurde von einigen Wissenschaftlern betrieben, weil sie ihre Forschungsergebnisse oft in hochrangigen Fachzeitschriften publizieren und erhebliche Fördergelder unter Verweis auf die angebliche Relevanz dieser Forschung einwerben konnten.

All die Versprechungen dieser Forschung sind aber nicht verwirklicht worden. Es gab zu keinem Zeitpunkt im Vorfeld der Pandemie entsprechende Impfstoffe, die gegen Corona-Viren wirksam gewesen wären. Im Gegenteil, es gab jede Menge Publikationen, die genau das Gegenteil aufgezeigt haben: dass es keine wirksamen Impfstoffe gegen Corona-Viren gegeben hat. Man muss daraus schlussfolgern, dass diese Forschung nur ein riesiges Gefahrenpotenzial ohne vergleichbaren Mehrwert für die Menschheit darstellt. Damit gibt es weder wissenschaftlich noch gesellschaftlich betrachtet eine Rechtfertigung für derart gefährliche Forschung, welche im Übrigen schon vor der Pandemie unter erheblicher Kritik aus Wissenschaft und Politik stand.

Kann man das so beschreiben, dass man einen Silvesterböller genommen hat und ein bisschen TNT dazu gemischt hat, um zu schauen, wie stark es knallt?

Ein noch besserer Vergleich wäre, dass man die Brandgefahr einer Scheune voller Stroh dadurch aufzeigen wollte, indem man mit einem Feuerwerfer durch die Scheune ging. Und wenn das trockene Stroh daraufhin lichterloh brennt: Ja, dann haben sie gezeigt, dass es eine Brandgefahr gibt. Es ist verrückt, dass man sprichwörtlich mit dem Feuer spielt und damit erst eine weltweite Katastrophe auslöst. Das hätte die Welt nicht gebraucht. Es ist verantwortungslos, solche Experimente durchzuführen. Noch verantwortungsloser ist es, dass chinesische und US-amerikanische Behörden versucht haben, das Resultat dieser gefährlichen Experimente auch noch zu vertuschen.

Was ist die Motivation hinter solcher Vertuschung?

Von chinesischer Seite aus betrachtet ist klar, dass man die unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen in eigenen Laboren nicht offenlegen und schon gar nicht zur Verantwortung gezogen werden wollte für das, was diese hoch risikoreichen Experimente unter viel zu niedrigen Sicherheitsvorkehrungen weltweit an Schaden angerichtet haben. Hinzu kommt, dass China seit mehreren Jahren ein Forschungsprogramm verfolgt, das „Dual-Use“-Charakter hat. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten sowohl für zivile als auch militärische Zwecke zum Einsatz kommen.

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Die US-amerikanische Seite wollte wiederum lange Zeit nicht zugeben, dass über Jahre hinweg US-Steuergelder und Know-how nach Wuhan transferiert wurden, um chinesische Wissenschaftler überhaupt erst in die Lage zu versetzen, solche riskanten Experimente durchzuführen.

Gerade Anthony Fauci hat dabei eine zentrale Rolle gespielt. Er hatte als ehemaliger Leiter einer Abteilung der US National Institutes of Health die gefährliche Gain-of-function-Forschung über viele Jahre gefördert und gegenüber Kritikern immer wieder verteidigt. Deswegen war er auch eine der treibenden Kräfte des offenen Briefes in der Fachzeitschrift „The Lancet“ im Februar 2020, in dem 27 internationale Virologen gemeinsam erklärten, dass die Laborhypothese eine Verschwörungstheorie wäre und nicht weiterverfolgt werden sollte.

Wir haben es vorrangig dem US-amerikanischen Informationsfreiheitsgesetz zu verdanken, dass wir nun sehr, sehr viel mehr Informationen über den Pandemieursprung vorliegen haben. Dazu kommt, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im US-Repräsentantenhaus Anfang des Jahres dahingehend geändert haben, dass im März der US-Kongress den amerikanischen Präsidenten Joe Biden aufgefordert hat, geheimdienstliche Informationen über den Ursprung der Corona-Pandemie öffentlich zu machen.

In den letzten Tagen ist bereits einiges an die Öffentlichkeit gelangt. In den kommenden Tagen stehen noch weitere Veröffentlichungen von offizieller Seite aus. Es gibt jetzt keine Zweifel mehr: Die ersten Infizierten waren Labormitarbeiter in Wuhan.

Das ist die eine Seite. Aber welche Beweise gibt es denn gegen die Labortheorie? Es gibt ja durchaus andere Theorien für den Ursprungsort.

Ja, es gibt die Zoonose-Theorie, wonach Corona-Viren von Fledermäusen über ein Zwischenwirtstier auf den Menschen übergesprungen sein könnten. Als Ausgangpunkt hierfür gilt in der Regel der berühmte Huanan-Fischmarkt. Dafür gibt es aber keinerlei Beweise. Schon Anfang 2021 wurden mehr als 80.000 Tierproben von chinesischer Seite untersucht ohne Hinweis auf ein Zwischenwirtstier. Auch auf dem Huanan-Fischmarkt wurden Proben genommen, jedoch ohne Befund, wie der ehemalige Direktor der chinesischen Centers for Disease Control and Prevention, George Gao, bereits im Mai 2020 erklärte. Von Anfang an stand die Zoonose-Theorie auf ganz, ganz wackligen Beinen, denn es wurde noch nie zuvor beobachtet, dass ein Virus von der Stunde Null an derart gut an den Menschen angepasst war. Das Virus verfügt neben der bereits erwähnten Furinspaltstelle über eine Rezeptorbindungsdomäne, die nahezu ideal an menschliche Zellen angepasst ist.

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Grundsätzlich kann sich auch diese Eigenschaft bei natürlich vorkommenden Corona-Viren entwickeln. Tatsächlich gibt es jedoch mindestens sechs Auffälligkeiten in der Gensequenz von SARS-CoV-2, und die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass alle gleichzeitig in der Natur entstanden sind, und dies in abnormal kurzer Zeit, ist verschwindend gering. Es spricht alles gegen einen natürlichen Ursprung. Dazu gehört, dass man bisher keinen Zwischenwirt finden konnte. Marderhunde und Schuppentiere waren im Gespräch, konnten jedoch ausgeschlossen werden. Letztlich müsste man irgendein Tier identifizieren, welches einen besseren Wirt für diese Viren darstellt als der Mensch. Aber der beste Wirt war von Anfang an der Mensch, den das Virus sogar noch effizienter infizieren kann als Fledermäuse, von denen das Virus ursprünglich stammt.

Die chinesische Regierung macht die Militärspiele von Wuhan dafür verantwortlich, das Virus nach Wuhan gebracht zu haben. Was ist mit dieser Theorie?

Die Militärfestspiele in Wuhan fanden in der zweiten Oktoberhälfte 2019 statt. Es haben etwa 9.000 Sportler aus der ganzen Welt teilgenommen – und viele hatten sich damals infiziert, auch deutsche Teilnehmer. Damals hatten Zeitungen wie die FAZ berichtet, dass etliche Teilnehmer mit Covid-19-ähnlichen Symptomen zurückgekommen sind, so dass man davon ausgehen muss, dass die Militärfestspiele ein Infektionstreiber waren. Aus Frankreich und Italien sind gesicherte Covid-19-Erkrankungen aus dem Herbst 2019 bekannt. Die merkwürdigen Vorfälle, wie das Abschalten der Corona-Viren-Datenbank durch das Institut, dann die Antragstellung zur Verbesserung der Sicherheitstechnik sowie der Austausch der Institutsführung, das ist alles schon im September 2019 passiert. Anfang Oktober kam es dann zu einer offiziellen Überprüfung des Instituts. Aus all diesen Informationen wird klar: SARS-CoV-2 war zum Zeitpunkt der Festspiele bereits ausgebrochen.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen neu veröffentlichten Informationen?

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Die Gain-of-function-Forschung mit pandemiefähigen Krankheitserregern muss weltweit verboten werden, da sie mit einem nicht vertretbaren Gefahrenpotenzial verbunden ist. Wenn Krankheitserreger von SARS, MERS oder andere gefährliche Viren gezielt an menschliche Zellen angepasst werden, dann hat dies für mich und für viele andere Wissenschaftler keinerlei Legitimation. Es ist eine weltweite Gefahr, schlimmer noch als diejenige, die von Atomwaffen ausgeht. Denn durch pandemiefähige Krankheitserreger ist die gesamte Weltbevölkerung innerhalb kurzer Zeit dieser Gefahr ausgesetzt, wie wir in dieser Pandemie leidvoll erfahren mussten.

Wir können von Glück reden, dass die Sterblichkeitsrate bei SARS-CoV-2 so niedrig war. Das konnte man aber letztlich nicht voraussagen. Wenn diese Art der Forschung mit viel gefährlicheren Viren weiterläuft, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir noch eine viel größere Katastrophe erleben. Nach den Veröffentlichungen der US-Geheimdienstinformationen muss es einen öffentlichen Aufschrei gegen gewissenlose virologische Experimente geben, ähnlich wie es nach dem ersten Einsatz von Atomwaffen zu einem Aufschrei und einer Gegenbewegung gegen die atomare Menschheitsbedrohung gekommen ist.

Herr Wiesendanger, wir danken für das Gespräch.


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