Tichys Einblick
Von Antje Hermenau

Unbegrenzte Gier oder wie Sachsens Koalition in die Staatskasse greift

Die schwarz-rot-grüne Koalition in Sachsen macht sich die Taschen voll. Während Bürger wirtschaftlich vor die Hunde gehen bedienen sich Abgeordnete über jedes Maß. Noch viel stärker sollen die Fraktionszuschüsse steigen. Von Antje Hermenau

Plenum des sächsischen Landtages in Dresden

IMAGO / ddbd

Im Jahre 2010 setze die damalige Koalition aus CDU und FDP in Sachsen durch, im Abgeordnetengesetz die Entwicklung der Diäten (Einkommen) der Abgeordneten an einen Index zu koppeln. Das stieß auch bei anderen Fraktionen durchaus auf Wohlwollen. Dieser Index beinhaltete vier Komponenten: 

die Entwicklung der Bruttolöhne/-gehälter zu 45 %

die Entwicklung des BIP zu 45%

den aktuellen ALG II Satz zu 5 %

den aktuellen Rentenwert zu 5 % 

Dieser Index sollte die Entwicklung der Einkommen der Abgeordneten an die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage und der Einkommenssituation der Menschen in Sachsen koppeln. Geht es den Menschen und dem Land gut, soll es auch den Abgeordneten gut gehen dürfen. Geht es den Menschen und dem Land einmal nicht so gut, sollten die Abgeordneten quasi automatisch solidarisch mit den von ihnen vertretenen Bürgern sein. Sachsen war damals Vorreiter. Im Bundestag wird aktuell eine vergleichbare Regelung angewandt. Und richtigerweise sinken die Diäten der Bundestagsabgeordneten in diesem Jahr. 2020 lief, wer wollte es bestreiten, schlecht. Das schlägt sich, im Übrigen zum ersten Mal, 2021 für die Bundestagsabgeordneten mit einer Absenkung der Bezüge nieder. 

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Es ist müßig, eine Zahl zu nennen und zu sagen, es dürfe kein Cent mehr sein. Es ist schlau zu sagen, wir gehen mit den Einkommen der Parlamentarier die Aufs und Abs unseres Volkseinkommens (BIP) mit. Das gleiche Maß für alle, gemessen an den Zeiten und ihren Möglichkeiten. Politiker, die Wert darauf legen, dass ihr Handeln Vorbildwirkung entfalten kann und die die natürliche Autorität bei der Bevölkerung stabil halten oder gar anheben wollen, dürften sofort erkennen, welche politische Klugheit dem Indexmodell damit innewohnte, auch, wenn der eine oder andere die Gewichtungen vielleicht etwas anders vorgenommen hätte, z.B. beim ALG II Satz oder dem Rentenwert, um genauer abzubilden, wie es den Leuten geht. 

Das Prinzip ist einfach richtig: ein Maß für alle. 

Interessante Vorgaben zum Umgang mit öffentlichen Mitteln hatten in Sachsen einmal eine richtige Tradition, die in der Fachwelt diskutiert und oft goutiert wurde: seien es Vorgaben zum Kommunalen Finanzausgleich oder sei es eine sehr harte Schuldenbremse in der Verfassung. 

2019 wurde der aktuelle Landtag gewählt und eine Koalition aus CDU, Bündnis 90/ Grüne und SPD kam an die Regierung. Aussagen zum Abgeordnetengesetz finden sich im Koalitionsvertrag nicht, aber generell ein paar Grundsätze zur Haushalts- und Finanzpolitik, in denen die geringe Pro-Kopf-Verschuldung, das Neuverschuldungsverbot (Schuldenbremse), die Investitionsfonds, die Vorsorge für die Versorgungslasten und die jährliche Schuldentilgung völlig zu recht gelobt werden. Daran wollte man festhalten. Tut man aber nicht. 

Diese neue Koalition will nicht nur an der Schuldenbremse rumfummeln, sondern regelte kurz vor dem offiziellen Beginn der Corona-Krise im März 2020 auch die Abgeordnetendiäten neu. Das Indexmodell wurde aufgehoben. Neben den Diäten, die nun an dem Grundgehalt eines Richters R2 orientiert werden sollten, sollten auch die Kostenpauschale, das Budget für Mitarbeiter und die Fraktionskostenzuschüsse angehoben werden. All das sollte neu im nächsten Haushalt hinzu kommen und war in der Mittelfristigen Finanzplanung natürlich so nicht vorgesehen. 

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Wenige Wochen später mussten Milliardenbeträge an Neuverschuldung auch in Sachsen aufgenommen werden. Die Corona-Lockdowns kosten uns alle, zumindest die, die Steuern zahlen, sehr viel Geld. Wenn Schulden aufgenommen werden müssen, verbieten sich eigentlich Erhöhungen, die nicht zwingend nötig und auch nicht in der Mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen sind. Die einst sehr hohe Rücklage im Haushalt war in den Vorjahren, insbesondere im Wahlkampf, von CDU und SPD schon massiv abgetragen worden und musste auch noch in den Koalitionsverhandlungen Ausgabenwünsche des neuen dritten Koalitionspartners finanzieren. Der Rest dieser einstmals stolzen Rücklage im Landeshaushalt von deutlich mehr als 5 % des laufenden Haushaltsjahres ging mit der Neuverschuldung in ein Sondervermögen ein und die Problematik wurde auf den kommenden Haushalt 2021/2022 im Paket vertagt. Das ist erst einmal nicht zu beanstanden. Damals konnte man ja noch nicht wissen, wie es kommen würde. 

Jetzt sind wir 13 Monate weiter und das neue Modell, das sich nicht mehr am Index, sondern zukünftig an der Entwicklung der Nominallöhne orientiert, steht in wenigen Wochen in Form des Abgeordnetengesetzes auf der Tagesordnung des Sächsischen Landtages. Das ist nun allerdings zu beanstanden – hart zu beanstanden. Da Deutschland einen inflexiblen Arbeitsmarkt hat, der nach unten starr ist, sinken Nominallöhne nie ab. Im Gegenteil, durch die geplante Anhebung des Mindestlohnes ist mit einem Ansteigen zu rechnen. Arbeitslosigkeit spielt mit rein, allerdings werden in Sachsen händeringend Arbeitskräfte jeder Art gesucht. Die wird sich kaum auswirken. Inflation und Deflation spielen mit rein. Zu denen verhalten sich Nominallöhne proportional. Da aber die EZB sehr hart daran arbeitet, neben der Luxusgüterinflation auch die der Verbraucherpreise anzuheben und die Gesetzgebung des Bundes geeignet ist, Preise anzuheben (z.B. Energiepreise durch die CO2-Steuer), haben wir es hier damit zu tun, dass trotz mieser Lage im Lande und sinkender Kaufkraft diese so berechneten Diäten steigen würden. Genau in dem Jahr, in dem die Diäten zu Recht erstmals sinken würden, wird das Gegenteil voran getrieben. Ja, was soll der Bürger davon halten?

Neben den Diäten, die nach dem neuen Modell steigen und nicht, wie nach dem alten Modell, sinken würden, machen vor allem die Fraktionszuschüsse einen bemerkenswerten Sprung nach oben: um über 25 %. Das geht ein bisschen bei der Diätenerhöhung von knapp 5% unter, ist aber wichtig. Ein Umsatzplus von 25% würden vielen Unternehmern die Sorgen nehmen. Sie haben stattdessen Kredite und rückzahlbare Zuschüsse in Anspruch nehmen müssen. Aus diesen Zuschüssen werden, neben den Sach- und Personalkosten einer Fraktion, auch Mehrerstattungen an Abgeordnete mit Zusatzämtern gezahlt. Außerdem sei der Arbeitsaufwand gestiegen und man bräuchte mehr Personal heißt es z.B. aus der Grünen Fraktion, die mit dem Eintritt in die Regierung ihren Oppositionszuschlag eingebüßt hat. Nun, dann sollte man die Personalausgaben deckeln und keine Boni an Abgeordnete aus der Fraktionskasse auszahlen. Das ist kein Hexenwerk und wird von der Wirtschaft zu Recht auch erwartet. Außerdem hat man als Regierungsfraktion ganze Heerscharen von Beamten zur Verfügung, die einem fachlich zuarbeiten – auf gewohnt hohem Niveau.

Soloselbständige und Unternehmer praktizieren die Knauserei mit dem Geld seit nunmehr 13 Monaten. Sie heben die Effizienz, geben die Mittel sparsam aus, entlassen auch Mitarbeiter und stecken zur Not Eigenmittel in die Bilanz, um die Firma stabil zu halten. Dieses Verhalten ist normal. Es gibt gute und schlechte Zeiten. Jeder weiß das. Ist das einer Fraktion im Sächsischen Landtag nicht zumutbar? Wir verstehen schon, dass jeder mehr verdienen will. Wer nicht? Aber Abgeordnete verwalten Steuergelder nur. Sie haben sie nicht selbst verdient und sie gehören ihnen nicht. 

Es ist schon interessant, wie Kosten, die für die Bevölkerung erheblich steigen, für die Parlamentarier elegant abgefangen werden: die Erhöhung der Pauschale ist so ein Punkt. Die wird, je nach Entfernung des Wohnortes der Abgeordneten zur Landeshauptstadt Dresden vergütet. Die CO2-Steuer dürfte genauso eingepreist sein wie die langsam ansteigende Inflation, für die, die eine Zweitwohnung in Dresden haben, sogar die starke Inflation der Luxusgüter wie Immobilien. Man hört auch, hier und da seien in den letzten Jahren die ganz und gar freiwilligen Spenden der Abgeordneten an ihre Parteien erheblich gestiegen. Wobei das ja kein Grund für eine Diätenerhöhung sein kann…

Menschen, die weniger Netto wegen der Kurzarbeit haben und nun auch noch einen höheren Steuersatz dafür berappen müssen, werden dafür kein Verständnis haben. Rentner, die dieses Jahr kaum auf eine Rentenerhöhung rechnen können, dürften dafür kein Verständnis haben. Selbständige, die sehen müssen, wie sie ihre Existenz absichern, dürften dafür kein Verständnis haben…

Es bleibt auch unklar, warum die Abgeordnetenbüros mit sehr viel mehr Geld, die Rede ist von mehreren Tausend Euro, erneut ausgerüstet werden müssen. Den vielleicht satirisch anmutenden Gedanken zum Thema Home-Office führe ich hier und jetzt nicht weiter aus. 

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Es war die Politik, die mit martialischer Rhetorik die zurückliegenden Monate als die schlimmsten seit dem II. Weltkrieg auswies. Sie gebrauchte diese Bilder, beschwor das kollektive den-Gürtel-enger-Schnallen und verstörte viele Menschen. Die Abgeordneten im Sächsischen Landtag waren offensichtlich nicht so empfänglich für diese Botschaften. Sie haben sich eine Menge pfiffiger Sachen ausgedacht, um keine Einbußen hinnehmen zu müssen und kommende Mehrlasten abfedern zu können. Nach eigener Aussage wollen sie noch mehr und noch härter als in den letzten 13 Monaten für die Bürger arbeiten. All diese Mehrausgaben in ihren verschiedenen versteckten Formen müssen gestrichen werden. Das gehört sich in solchen Zeiten einfach nicht. Die Folgeschäden der Lockdowns und der globalen Wirtschaftskrise sind so erheblich, dass sie die gesamte Legislaturperiode bis 2024 bestimmen werden.

Ich nenne das Chuzpe. Dieses Verhalten verstärkt die Kluft zwischen den Regierenden und den Regierten erheblich. Der nächste aus dieser sächsischen Bevölkerungsgruppe Abgeordnete, der noch einmal lautstark ein Miteinander einfordert, macht sich nicht nur lächerlich, sondern zeigt einen recht miesen Charakterzug. 

Wir haben heute bedauerlicherweise keine politischen Eliten, die in schweren Zeiten selbstlos dienen und das Steuer beherzt in die Hand nehmen, getragen von der natürlichen Autorität ihres tadellosen Verhaltens. Unternehmer wissen, wie wichtig das ist, damit die Leute ihnen durch dick und dünn folgen. In der Politik geht es gegenwärtig, so der Eindruck, nur noch darum, das eigene Fell zu retten, von der Solidarität, die sie selbst stets vom Bürger einfordern, sieht man keine Spur, Nirgends. 

Deshalb wirkt das Land so führungslos. 


Antje Hermenau war bis 2015 Mitglied der Grünen. Sie war Mitglied des Bundestages (1994-2004) und des Sächsischen Landtages (1990-94 und 2004-14).

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