Tichys Einblick
Sylvia Pantel, MdB

Ehrenmorde sollte man auch so nennen – und nicht „Femizid“

Die Linken-Politikerin Elke Breitenbach will nicht mehr von "Ehrenmorden" sprechen, sondern vom "Femizid". Als ob diese Morde an Frauen nichts mit Religion und Kultur der Täter zu tun hätten. Aber genau das ist der Fall. Von Sylvia Pantel, MdB

Sylvia Pantel, MdB

IMAGO / Future Image

Nach der Tötung einer 34-jährigen Frau in Berlin gibt es wieder Diskussionen über den Begriff „Ehrenmord“. Die Mutter zweier Kinder war vor einigen Jahren mit ihren Brüdern aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Sie war von einem afghanischen Mann geschieden. Das veranlasste einen ihrer Brüder, so die Ermittler, immer wieder zu kontrollieren, ob sie auch ein Leben nach islamischen Regeln führe. Jetzt sitzen ihre Brüder, die mit 22 und 25 Jahren deutlich jünger sind, in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Schwester in Berlin getötet und die Leiche nach Bayern gebracht und dort vergraben zu haben. Die beiden Brüder sollen die Tat „aus gekränktem Ehrgefühl“ begangen haben, weil das Leben ihrer Schwester nicht ihren islamisch geprägten Moralvorstellungen entsprochen habe. 

Anfänglich rief die Meldung von der Verhaftung der beiden Brüder und dem Tatvorwurf kaum Aufmerksamkeit hervor. Gegen die öffentliche Empörung, die sich in Deutschland regte, weil eine Olympionikin bei den Spielen in Tokio ein Pferd mit einer Gerte geschlagen hatte, weil es sich einem Parcours verweigerte und damit die Medaillenhoffnungen der Sportlerin zu Nichte machte, hatte die Meldung eines weiteren „Ehrenmordes“ erst einmal keine Chance.

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Das änderte sich jedoch schlagartig, als sich Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) gegen den Begriff des „Ehrenmords“ wendete und lieber von „Femizid“ sprechen wollte. „Hinter all diesen Morden steht keine Religion, steht keine Kultur, hinter all diesen Morden stehen patriarchale Strukturen“, sagte Breitenbach. Diese Strukturen gebe es in unterschiedlicher Form und Ausprägung. „Aber so zu tun, als sei Gewalt an Frauen und der Mord an Frauen importiert, das ist auch nicht richtig.“ Es gebe auch deutsche Männer, die ihre Frauen und Partnerinnen ermordeten. Die Aussagen der Linken-Politikerin riefen sofortigen Widerspruch hervor, womit eine neue integrationspolitische Debatte entbrannte. 

Dabei steht Elke Breitenbach mit ihrer Sicht der Dinge alles andere als alleine da. Immer wieder wird – vor allem aus dem linken und kulturrelativistischen Lager – behauptet, Ehrenmorde seien einfache Frauenmorde, wie es diese in allen Gesellschaften gebe. Dabei werden wesentliche Unterschiede zwischen Frauenmorden in den westlichen Gesellschaften und in solchen, die noch überwiegend durch Clan-Strukturen organisiert sind, entweder verschwiegen oder bewusst schön gefärbt. Denn in westlichen Gesellschaften sind Frauenmorde meist Beziehungstaten, die von derzeitigen, aber vor allem von Ex-Partnern begangen werden. Sie entspringen persönlichen, meist sehr einsamen Entscheidungen. Sie geschehen oft, aber nicht immer, im Affekt, und sind manchmal Verzweiflungstaten. Oftmals richtet sich der Täter danach selbst, was mehr an einen erweiterten Suizid denken lässt. Es gibt Taten aus persönlicher Rache, Taten, die verhindern sollen, dass die Partnerin einem anderen Mann „gehören“ kann. Oft kündigen sie sich durch eine Geschichte der Gewalt in der Partnerschaft an. Und diese Gewalt wird oftmals verheimlicht. All das gibt es in der Tat, leider. 

Was es im Westen des 21. Jahrhunderts jedoch nicht gibt, ist ein männlicher Ehrbegriff, der durch die Ausübung von Gewalt wiederherzustellen wäre. Selbst im Falle eines nach üblichen Begriffen unangemessenen „Lebenswandels“ der Frau, wie etwa von ihr begangener Seitensprünge, wird von anderen Personen meist schlicht zur Trennung oder Scheidung geraten, aber niemand rät zur Tötung der Frau. Der betrogene Mann bekommt allenfalls Mitleid, ansonsten aber halten sich Dritte mit ihren Wertungen zurück. Eine angeblich göttliche Weltordnung, gegen die die Frau verstoßen haben soll, gibt es in den westlichen Gesellschaften nicht. 

Und es gibt noch einen wesentlichen Unterschied zwischen Frauenmorden in westlichen Gesellschaften und sogenannten Ehrenmorden: In der westlichen Kultur gilt der Mann, der Gewalt gegen Frauen ausübt, als schwacher und damit nicht als „richtiger“ Mann. Anders sieht es in Gesellschaften aus, in denen noch Clan-Strukturen vorherrschen: Dort gilt der Mann, der seinen Führungs- und Maßregelungsanspruch auch körperlich durchsetzt, als starker und damit anerkannter Mann.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der in der im Westen üblichen Kleinfamilie, bei der Partnerschaftsprobleme zunächst nur die Partner angehen, – von extrem seltenen Ausnahmefällen abgesehen – völlig undenkbar wäre: Dass es einen Familienrat gab, nach dessen Einbeziehung die Frau ermordet wurde. Der ein Urteil gefällt hat, das dann durch männliche Verwandte, oftmals die Brüder des Opfers, vollzogen wird. Dass eine Familienehre konstruiert wird, gegen die gehandelt wurde, und die durch den Tod des Opfers wiederherstellungsfähig wäre. Und dabei darf auch nicht vergessen werden, dass all jene Dinge, für die Frauen im Namen der Ehre getötet werden, hierzulande als normal gelten: Ein selbstbestimmtes Leben, eine selbstbestimmte Sexualität und eine selbstbestimmte Partnerwahl. Letzteres beinhaltet auch die Möglichkeit, sich zu trennen. Oder Bildung und Teilhabe an öffentlichen Räumen. In diesem Kontext werden Frauen schlichtweg deswegen getötet, weil sie ihren Platz nicht dort sehen, wo der Mann oder ihre Familie sie sehen wollen.

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In diesem Zusammenhang darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass Frauen nicht nur die Opfer solcher Morde sind. Oftmals wird der Wertekanon, der zu solchen Bestialitäten führt, von Frauen vermittelt und von Frauen unterstützt. Das erklärt auch den bestürzenden Umstand, dass das Opfer als das „schwarze Schaf“ solcher Familien gesehen wird, die mörderischen Söhne oder Männer hingegen nicht ausgestoßen werden. Dies zeigt sich auf verstörende Weise in entsprechenden Prozessen, wenn Mütter nach einem Schuldspruch den Rechtsstaat und seine Repräsentanten aggressiv angehen, weil ihre Söhne in ihren Augen unschuldig sind. Die mörderischen Söhne, die die Schwester umgebracht haben, sind weiter die verhätschelten Prinzen ihrer Mütter. Damit steht in diesem Wertekonzept nicht nur die Mutterliebe unter dem Vorbehalt der „Ehre“. Dieser vermeintlichen Ehre sind auch die Männer unterworfen; sie sind die Wächter der Frauen, Töchter und Schwestern. Wissen sie diese nicht im Wertekanon zu halten, trifft sie der soziale Bannstrahl in ähnlicher Weise: Nicht nur sie fühlen sich entehrt, sondern sie gelten in diesen Parallelgesellschaften nicht mehr als vollwertige Männer.

All das ist oft, wenn auch nicht immer, religiös flankiert. Religion, wenn deren heilige Texte nicht hinterfragt werden dürfen, wirken wie ein Konservierungsmittel für soziale Räume, deren Grenzen sie einst absteckten. Das gilt etwa für das indische Kastensystem ebenso wie für einen fundamental gelebten Islam.

Mit diesen Haltungen und den daraus folgenden Handlungen sind wir nun auch in Mitteleuropa konfrontiert. Linkes Wunschdenken und Projektionen machen jedoch aus einer Person, die landestypische Verhaltensnormen, etwa aus Afghanistan, mitbringt und ihre Einhaltung auch hier von Frauen erwartet, keinen Feministen. Um die Haltungen, die diese Art von Frauenmorden möglich machen, zu ändern, braucht es Zeit. Und es braucht den Willen der betreffenden Person. Hat sie den nicht, ist alle Werbung für die Werte unseres Grundgesetzes vergebens. Werden solche Konzepte in den Familien gelehrt und gelebt, wird die Unterordnung der Frau in der Koranschule schon den Kleinsten vermittelt, ist auch die Schule überfordert. Dann prallen unsere schönen Werte und unsere mühsam errungene Gleichberechtigung ab am Teflon eines männlichen Überlegenheitswahns. 

Womit Elke Breitenbach zumindest in Hinblick auf die patriarchalischen Strukturen nicht Unrecht hat. Nur sind diese nun einmal religiös und kulturell bestimmt. Wer dieses Element, das bei Frauenmorden in westlichen Gesellschaften nicht vorliegt, ernsthaft leugnet, der öffnet einer Kultur Tür und Tor, die für unsere Vorstellungen von Gleichberechtigung nur Verachtung übrig hat. 


Sylvia Pantel (CDU) ist direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Düsseldorf-Süd.