Tichys Einblick
Nicht reich genug zum Überleben

Die Kirche langweilt

Jesus redete dem Neuen, dem Überraschenden, dem Unerwarteten das Wort. Er wollte Ärgernis erregen – und hat das getan. Heutige Kirchenfürsten sagen, was alle Welt sagt, und wundern sich, dass ihnen die Leute davonlaufen, weil sie Nachplappern langweilig finden. Von Konrad Adam

Symbolbild

IMAGO / Sven Simon

Die Alte Lutherische Kirche am Kolk, eines der ältesten Gotteshäuser der Stadt Wuppertal, soll verkauft werden. Wie die meisten Gebäude meiner Heimatstadt war sie im Krieg zerstört, bald aber wieder aufgebaut und erst neulich gründlich restauriert worden. Bekannt und geliebt für die Pflege der evangelischen Kirchenmusik, verfügt sie bis heute über eine der besten Orgeln weit und breit.

Nun soll sie zusammen mit dem Katernberger Vereinshaus, einer Immobilie in Bestlage, vermarktet werden. Die Trinitatiskirche, in der ich konfirmiert worden war, ist schon vor langer Zeit entweiht worden und dient inzwischen, wie ich höre, als Lagerraum für alte Orgelpfeifen. Auch im Rheinland ist die Kirche auf dem Rückzug. Reich ist sie immer noch, aber nicht reich genug, um zu überleben. Deshalb verkauft sie, was am meisten einbringt, und das ist nun einmal ihr Grundbesitz.

Wuppertal, vor knapp hundert Jahren aus dem Zusammenschluss der beiden Städte Barmen und Elberfeld entstanden, galt lange Zeit als Sektennest. Gottesfürchtige Leute hatten aus dem engen Tal der Wupper eine ebenso fromme wie wirtschaftlich blühende Region gemacht. Kein Zufall, dass die Barmer Erklärung, das erste und wichtigste Dokument, mit dem die Evangelische Kirche ihren Widerstand gegen das Dritte Reich bekundete, in Wuppertal entstanden ist.

Von so viel Glaubensmut ist heute nicht mehr viel zu spüren, zusammen mit den Kirchen ging es auch mit der Wirtschaft bergab, die Stadt ist hochverschuldet und rechnerisch bankrott. Die Muslims haben den Christen den Rang abgelaufen, und wo eine Kirche geschlossen worden ist, sind zwei Moscheen entstanden.

Längs der Gathe, einer der Hauptverkehrsstraßen, reihen sich türkische Spielhallen an türkische Reisebüros, unterbrochen von einem türkischen Kindergarten unter türkischer Aufsicht. Hier entstand die Scharia-Polizei, die auf ihren abendlichen Streifzügen Frauen dazu anhielt, den Kopf zu verhüllen, lange Kleider zu tragen und ihren Männern dienstbar zu sein. Und hier, auf einem großen, verwahrlosten Gelände, will die Ditib, der deutsche Zweig der türkischen Religionsbehörde Diyanet, für 30 Millionen Euro ihre neue Zentralmoschee errichten, einen riesigen Komplex mit Kindergarten, Jugendheim und Altenwohnungen.

Die Stadtverordneten haben längst zugestimmt, aber die Anwohner wollen nicht. Sie misstrauen den frommen Bauherren und sehen sich in ihrer Skepsis durch das Ausrasten eines türkischstämmigen Oberschülers im städtischen Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium bestätigt. Der Siebzehnjährige war hier geboren, hatte Kindergarten und Schulen in Deutschland besucht, war dem Land und seiner Kultur aber so fremd geblieben, dass er, unter Druck geraten, mit Messer und Schere auf seine Mitschüler losging. Inzwischen sitzt er wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft.

Den Kirchen fällt dazu nichts ein. Sie schweigen zu den Auswüchsen einer kopflosen Migrationspolitik, um über Hass und Hetze desto lauter zu lamentieren, am lautesten der Bischof von Magdeburg. Er ist Herr über eine Kirchenprovinz, die gerade einmal 60.000 Gläubige zählt, ganze drei Prozent der Einwohnerschaft des Landes Sachen-Anhalt – ein Feldherr ohne Truppen. Im Osten Deutschlands ist die Volkskirche längst gestorben, und es sieht ganz so aus, als hätten sich die Kirchenfürsten auch im Westen mit ihrer Rolle als Nachlassverwalter eines kostbaren, eines unersetzlichen Erbes abgefunden.

Wenn es eng wird, stellen sie sich die Frage, was Jesus wohl getan hätte. Sie ist schwer zu beantworten, weil Jesus von Nazareth dem Neuen, dem Überraschenden, dem Unerwarteten das Wort geredet hat. Er wollte Ärgernis erregen und hat das, um einen hohen Preis, ja auch getan. Die heutigen Kirchenfürsten wollen das nicht mehr. Sie sagen, was alle Welt sagt, und wundern sich, dass ihnen die Leute davonlaufen, weil sie das Nachplappern langweilig finden. Als neulich wieder einmal zum Kampf gegen Rechts geblasen wurde, griff Nicole Heinrich, die Präses der Evangelischen Kirche, zum Mikrophon und erklärte, was Jesus getan hätte. Er hätte gekotzt, meinte sie.

Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.

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