Tichys Einblick
Dem "Berliner Ensemble" fehlt der Regisseur

Eine Regierung, die nicht vernünftig regieren kann

Die derzeit Regierenden konnten ihr Amt erobern. Aber führen können sie es nicht. Seit diese Koalitionsregierung an der Macht ist, hat sie das immer wieder belegt. Die Frage ist, wie lange sich dieses Land das leisten kann – oder will. Von Konrad Adam

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Endlich eine gute Nachricht, so oder so. Denn auch, wenn die Mehrheit der Koalitionsparteien den Untersuchungsausschuss, der Olaf Scholz’ Gebaren als Bürgermeister der Stadt Hamburg aufklären soll, ins Leere laufen lässt, werden wir um eine Erfahrung reicher sein. Wir werden wissen, was wir bisher nur geahnt haben: dass die Unfähigkeit, sich zu erinnern, von der Bekleidung hoher und höchster Ämter nicht ausschließt, dass sie im Gegenteil Bedingung dafür ist, im Amt zu bleiben.

Der Blackout, auf den sich Helmut Kohl seinerzeit berufen hatte, um die Herkunft seiner Mittel zu verschleiern, kann nicht viel länger als ein paar Minuten gedauert haben; bei Scholz hält er ganze Jahre an. Er erinnert sich ans Datum, sogar ans Thema, aber nicht an das, was da besprochen worden ist, zu welchem Zweck und mit was für Folgen. Ein Kanzler, der darauf besteht, von nichts zu wissen, den hatten wir noch nie.

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Dass die Fähigkeit, ein Amt zu erobern, eine andere ist als die, das Amt dann auch zu führen, ahnten wir seit langem. Seit die Koalitionsregierung an der Macht ist, hat sich der Satz von Tag zu Tag bestätigt. Die Frage ist, wie lange sich ein Land wie Deutschland ein solches Kabinett leisten kann; oder will. Der nächste hinterm Kanzler ist der Vizekanzler, ein Titel, den das Grundgesetz nicht vorsieht, den Robert Habeck aber, weil er als Wirtschaftsminister offensichtlich überfordert ist, wie eine Kostbarkeit vor sich herträgt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Bestellung eines Hoffotografen, der ihn begleitet und dafür sorgt, dass wir den Dienstherren immer wieder in derselben Pose vor uns haben, mit ernstem Blick, gefurchter Stirn, gesenktem Kopf, verschränkten Armen. So stellt man sich den Denker vor; oder einen, der so tut, als ob er denkt. Wenn man nur wüsste, was!

Bei Frau Faeser fällt die Antwort leichter. Sie ist Innenminister:in, also zuständig für die Sicherheit im Lande. Als solche nimmt sie sich ein Beispiel an Otto Schily, einem ihrer Amtsvorgänger, der sich gern mit Polizeihelm und schlagbereit erhobenem Knüppel fotografieren ließ. Härte will sie zeigen, Härte gegen Rechts. Wie alle Parteileute unterteilt sie das Volk in Linke und Rechte, in Opfer und Täter, und lädt die einen dazu ein, unter ihrer Führung Jagd auf die anderen zu machen.

Opfer zu finden, ist nicht schwer, seitdem der Opfer-Status Aufmerksamkeit, Anerkennung und Entschädigungsansprüche mit sich bringt, sind sie im Überfluss vorhanden. Frauen sind Opfer, Fremde sind Opfer, Rentner sind Opfer, und seit die LGBTQ-Gemeinde das Bundesfamilien-Ministerium erobert hat, kommen fast täglich neue Opfergruppen hinzu. Mit den Klimaflüchtlingen steht schon das nächste Opfer-Kollektiv bereit. Wenn es erst da ist und die Hand aufhält, wird die Ampel-Koalition über eine Mehrheit von Opfern gebieten, die ihr die Macht auf Dauer garantiert.

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Dritte im Bunde ist die FDP, vertreten durch ihren Parteichef Lindner, der nebenbei auch noch Finanzminister ist. Als solcher pocht er gern aufs Grundgesetz, das aber doch in Tat und Wahrheit nur noch ausnahmsweise gilt. Nachdem die weise Bestimmung, die es den Machthabern verboten hatte, sich höher zu verschulden als zu investieren, durch jahrelanges Gewohnheitsunrecht außer Gebrauch gekommen war, schoss der Schuldenstand in die Höhe. Die Antwort war die Schuldenbremse, die aber, kaum erfunden, schon wieder gelockert wurde. Die Zeiten hatten sich geändert, die Krisen – Währungskrise, Wohnungskrise, Gesundheitskrise und so weiter – waren da und verlangten, unter Hinweis auf die Not, die kein Gebot kennt, den Haushalt durch Nebenhaushalte, Sondervermögen und ähnliche Innovationen zu durchlöchern. Auf diese Weise kann sich Lindner zum Sparkommissar ausrufen, auch wenn die Schulden, richtig berechnet, durch die Decke gehen.

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Dies sind die Hauptdarsteller des Berliner Ensembles. Die übrigen sind eher Komparsen – Frau Baerbock gibt die Amazone, Hubertus Heil den reichen Onkel, Karl Lauterbach den falschen Arzt – oder spielen nur vorübergehend mit, als Aushilfskräfte wie Christine Lambrecht, jederzeit ersetzbar.

Der Truppe fehlt der Regisseur, der das Stück kennt und weiß, was er draus machen will. Weil es den nicht gibt, liegt die Regie bei einem Kollektiv, dem Koalitionsausschuss. Der sucht nach Kompromissen, die es gelegentlich auch gibt, doch immer nur auf Zeit. Das letzte Mal tagte er an die fünfzig Stunden, unterbrochen von einem Kurzausflug nach Holland, von wo er eilends nach Berlin zurückkehrte, um dort weiter zu tagen. Zustande brachte er dann aber nicht viel mehr als eine Presseerklärung, die von den Hauptdarstellern unterschiedlich interpretiert worden ist.

Die wahren Feinde des Volkes sitzen in der Regierung, hatte der Kölner Ordinarius Günter Schmölders, zuständig für Volks- und Finanzwirtschaft, zu einer Zeit behauptet, als die Regierung noch in Bonn saß und mit Millionen, nicht schon mit Milliarden um sich warf wie heute üblich. Damals gab es noch eine Opposition, die als Regierung von morgen jederzeit zur Ablösung bereitstand; inzwischen gibt es sie nur noch dem Namen nach. Die CDU will es nicht anders, also auch nicht besser machen als die Ampel, obwohl das doch so leicht wäre. Frau Merkel hat ihr die Zähne gezogen, und die sind nicht mehr nachgewachsen. Deswegen steht die deutsche Politik immer noch so da, wie sie Frau Merkel hinterlassen hatte, ohne Alternative.

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