Tichys Einblick
Kein Interesse an Selbstkritik

ZDF schottet sich unter Intendant Norbert Himmler gegen Kritik ab

Mit Ausdrücken wie „Sc...e“, „Sche...aufen“ und „Ziege...cker“ gibt Jan Böhmermann das Niveau des ZDF vor. Sein Chef Norbert Himmler ist indes abgetaucht und kann dem Sender ohnehin nur wenige Impulse geben.

Norbert Himmler, ZDF-Intendant, 26.08.2022

IMAGO / Sven Simon

Norbert Himmler ist Intendant des ZDF. Das wird nicht jeder wissen, weil Himmler bisher erst zweimal für Schlagzeilen gesorgt hat: als er gewählt wurde und als er sein Amt im März antrat. Seitdem lässt Himmler Rosamunde Pilcher, die Schwarzwaldklinik und das Traumschiff für die Qualität des Zweiten sprechen. Oder Jan Böhmermann, der mit Begriffen wie „Sc…e“ oder „Sche…aufen“ um sich wirft, ohne dass es je eine Folge hätte.

Einordnung statt Nachricht
Der neue ZDF-Intendant Himmler will lieber einordnen als berichten
Ist das „ZDF Magazin Royale“ noch ein Satire- oder doch schon ein Nachrichtenformat? Wenn dort journalistische Beiträge laufen, warum unterliegen diese nicht journalistischen Standards? Etwa dem, dass Beschuldigte die Chance haben müssen, zu Wort zu kommen. Kommen die Betroffenen im ZDF noch nachträglich zu Wort? Und wie passt Himmlers Einsatz für eine versöhnte Gesellschaft mit Böhmermanns Ausfällen zusammen? Das alles will TE vom ZDF wissen.

Doch das ZDF schickt Jessica Zobel vor. Sie verschickt sonst Waschzettel zu Böhmermanns Sendungen wie der Magazin-Folge „die Innenministerkonferenz“. Die spielt auf einem bayerischen Schloss, wo es keinen Internetempfang gibt. Für die Verhältnisse des ZDF stecken da schon gleich ein Gag und Zeitbezug dahinter. Nun erklärt Jessica Zobel in leicht schnippischem Ton: „Zu Ihren Fragen äußern wir uns nicht.“ Das ZDF. Ein Gigant der Kommunikation.

Doch TE ist nicht das einzige Medium, gegenüber dem sich das ZDF unter Intendant Himmler abschottet. So berichtet das Branchenportal Heise.de am 29. November über einen Fall, in dem die „Heute Show“ offensichtliche Falschmeldungen verbreitete. Doch auch hier mauerte Himmlers Sender. Es ging um einen Beitrag des Formats „Till to Go“. Darin hatte Till Reiners behauptet, sexueller Missbrauch Schutzbefohlener verjähre nach fünf Jahren. Das stimmt nicht, das Vergehen verjährt frühestens nach 18 Jahren. Je jünger das Opfer war, desto länger dauert es bis zur Verjährung.

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Im Internet veröffentlichte die Redaktion der Heute Show laut Heise ein Dossier, in dem Erläuterungen zu den Aussagen Reiners enthalten sind. Die Aussage zur Verjährung korrigierte die Redaktion demnach nicht. Außerdem datierte sie das Dossier auf das Datum der Erstausstrahlung, sodass der Eindruck entstand, dass die Begleitinformationen so von Anfang an geplant waren. Heise berichtet, dass zwei Presseanfragen unbeantwortet geblieben seien. Erst die dritte – per Einschreiben zugesandte – Anfrage habe das ZDF beantwortet, darin aber Reiners Falschbehauptung gerechtfertigt.

Erst als eine Programmbeschwerde eingereicht wurde, griff demnach Himmler ein. Er räumte zwar laut Heise die Fehler ein, ohne aber eine transparente Korrektur zu veranlassen. Er wolle die Redaktion dafür sensibilisieren, künftig präziser zu arbeiten. Im Dossier werde der Sachverhalt nun richtig dargestellt. Wie viele das gesehen haben, ist angesichts des Durchschnitt-Alters des ZDF-Zuschauers fraglich. Für viele blieb die Falschmeldung so unwidersprochen im Raum stehen.

Auch in der aktiven Pressearbeit haben sich die Dinge beim ZDF unter Norbert Himmler verschlechtert. So gab es unter seinem Vorgänger Thomas Bellut bis zur Pandemie regelmäßige Pressekonferenzen. Die übertrug das ZDF im Netz, sodass sowohl Belluts Aussagen als auch die von den anwesenden Journalisten gestellten Fragen von jedem Interessierten nachvollzogen werden konnten. Unter Himmler hat sich diese Praxis geändert. Statt zur Pressekonferenz lädt das ZDF nun zu Pressegesprächen ein.

Das bringt zwei wesentliche Unterschiede mit sich: Nur ausgewählte Journalisten werden informiert und diese müssen sich Zitate freigeben lassen, wenn sie über das Gespräch berichten wollen.

Die Seite Planet-Interview berichtet am 15. November darüber, wie ein solches Gespräch und die anschließende Berichterstattung laufen.

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Das Gespräch habe am 3. November stattgefunden. Ein Mitarbeiter habe gleich zu Beginn auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Zitate vom ZDF freigegeben werden müssen. Das meiste war demnach das übliche PR-Geplauder: Das ZDF sei gut und effizient aufgestellt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk grundsätzlich reformfähig und der Wettbewerb zwischen ARD und ZDF trage zur Steigerung der Qualität bei.

„Die wichtigste Währung, die wir haben, ist Glaubwürdigkeit und Vertrauen“, habe Himmler ebenfalls gegenüber Planet-Interview gesagt, berichtet das Portal. Und: „Wir müssen auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken.“ Wie dieser Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt wird, wenn ZDF-Mann Böhmermann ganze Bevölkerungsgruppen als „Sche…aufen“ beschimpft, wollte TE von Himmler wissen. Aber das ZDF antwortete nicht. Himmler warb um „Glaubwürdigkeit und Vertrauen“, indem er Jessica Zobel vorschickte: „Zu Ihren Fragen äußern wir uns nicht.“

Laut Planet-Interview will Himmler die Zuschauer gewinnen, die das ZDF weniger konsumieren. Sie sollen den „Mehrwert… für die Gesellschaft als Ganzes“ spüren. Wie wenig das funktioniert, zeigt der Spartensender ZDF Neo. Der erreichte laut dem Branchendienst DWDL noch 2018 einen Marktanteil von 3,2 Prozent, im Oktober waren es nur noch 2,4 Prozent. Bei den Menschen unter 50 Jahren sind es sogar nur 1,8 Prozent. Den Grund dafür sieht DWDL in der Umgestaltung des Programms: Früher füllte das ZDF seinen Neo-Sender fast ausschließlich mit Wiederholungen von Krimis oder der Schwarzwaldklinik. Nun liefen mehr Eigenproduktionen. Nur scheint das neue, woke ZDF halt keiner sehen zu wollen. Der durchschnittliche ZDF-Zuschauer ist über 60 Jahre alt und mag es, wenn bei Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen die junge Frau am Schluss doch noch den richtigen Mann nimmt – vor malerischer Kulisse.

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Zwar kündigt Himmler in dem Gespräch auch Transparenz an. Doch Transparenz versteht das ZDF so, dass andere wissen und verbreiten sollen, was dem Zweiten gefällt. Am liebsten etwas mit gut aufgestellt, Qualität und so. Von „Sche…aufen“ will der Sender nichts mehr wissen, wenn Böhmermann sie via Bildschirm ausgeworfen hat. So durften laut Planet-Interview die ausgesuchten Journalisten gerne Fragen dazu stellen, wie gut das ZDF aufgestellt ist. Doch zu unangenehmeren Fragen zogen Himmler und sein Mitarbeiter die Antworten zurück, wie Planet-Interview berichtet.

Ob Himmler befürworte, dass ARD und ZDF fusionierten? Ob das ZDF privatisiert werden könnte? Warum Moderatoren die Weltmeisterschaft in Katar schlecht reden, wenn der Sender doch viel Geld für Rechte und Übertragung ausgibt? Um wie viel Euro reduziert das ZDF seine hohen betrieblichen Altersversorgungen? Warum Himmler über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften des ZDF zusätzliche 25.000 Euro im Jahr verdiene? Zu all diesen Fragen hat das ZDF laut Planet-Interview die Antworten streichen lassen, also nicht freigegeben.

Dafür verkündet Norbert Himmler übers eigene Internet-Portal: „Eine Debatte über den Auftrag und den Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist wichtig.“ Da es über einen ZDF-Kanal läuft, kann niemand nachfragen, wie der Sender mit dem Geld der Gebührenzahler umgeht oder wie es um die Qualität bestellt ist, wenn das Sendergesicht Böhmermann permanent Fäkalworte in die Welt plärrt. Das ZDF sagt, es sei zur Debatte bereit. An Debatte mit dem ZDF muss das wohl genügen.

Ob die Berichterstattung von Heise und Planet-Interview stimme, wollte TE vom ZDF wissen. Die Antwort dazu steht noch aus.

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