Tichys Einblick
Welt bestätigt Gauland

Wird Anne Will sich korrigieren?

„Am Sonntagabend geht es in der ARD um den BAMF-Skandal. AfD-Chef Alexander Gauland wartet mit Angaben zu Abschiebepflichtigen auf, erntet Widerspruch von Anne Will. Und die schulmeistert schließlich WELT. Wir klären auf.“

Screenprint: ARD/Anne Willl

Alexander Gauland erwähnte bei Anne Will „600.000 Asylbewerber mit Ablehnungsbescheid“ und wurde von der Moderatorin dafür abgebürstet wie ein dummer Schuljunge, der eins und zwei nicht zusammenzählen kann und sich dabei noch von der Lehrerin ertappen ließ und also öffentlich vorgeführt wurde. Kurzer vielsagender Blick Anne Will zu Katrin Göring-Eckardt: Die Grüne nahm die Zurechtweisung dankbar mit. Also die von Will an Gauland.

Nun passiert der seltene Fall, das auch die Zeitung Welt im Prinzip und im Nachgang zur Sendung Gauland Recht gibt: Denn auf Zahlen des Magazins hatte sich der AfD-Chef bezogen. Per Twitter teilt die Ressortleiterin Politik höchst persönlich mit – und nicht ohne ironischen Unterton:

„Es ist kompliziert, liebe @AnneWillTalk: Nicht jeder Asylbewerber mit Ablehnungsbescheid (fast 600.000) ist tatsächlich ausreisepflichtig. Und unter den Ausreisepflichtigen sind nicht nur abgelehnte Asylbewerber – hier die Zahlen: https://www.welt.de/politik/deutschland/article162762852/Warum-556-000-abgelehnte-Asylbewerber-in-Deutschland-bleiben.html

Anne Wills Redaktion reagiert prompt:

„Danke für die Klärung!“

Nun weiß man dort allerdings, dass die Sendung längst gelaufen ist und also der Zwecke erfüllt: Millionen haben gesehen, was nicht stimmt, geglaubt, dass Gauland ein Lügner ist. Den revidierenden Twitter-Tweet lesen höchstens ein paar hundert Twitter-Nutzer.

Das fanden dann aber wieder andere ungerecht und setzen nach. Ansgar Graw arbeitet für die Springerpress als Chefreporter bei der Welt. Und er traut sich dort was: Er arbeitet journalistisch, fragt nach, hakt nach und zeigt der Kollegin Anne Will, wo bei ihm die Harke hängt:

„Am Sonntagabend geht es in der ARD um den BAMF-Skandal. AfD-Chef Alexander Gauland wartet mit Angaben zu Abschiebepflichtigen auf, erntet Widerspruch von Anne Will. Und die schulmeistert schließlich WELT. Wir klären auf.“

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Nun meint Ansgar Graw, es sei wie so oft in Talkshows, die Zuschauer wären mit widersprüchlichen Zahlen konfrontiert. Das ist nicht ganz korrekt wiedergegeben: Den Zuschauern wurde suggeriert, Alexander Gauland hätte die falschen und viel zu hohen Zahlen propagiert. Sei also ein Lügner. In Wahrheit seien es nämlich nur ein Zehntel der angegebenen 600.000 abgelehnten Asylbewerber, die einen Abschiebebescheid bekommen hätten.

Nun ist es tatsächlich so: 2016 und 2017 wurden rund 600.000 Asylanträge abgelehnt und nur 50.000 Personen abgeschoben. Der Hauptgrund, warum nicht deutlich mehr Abschiebungen stattfinden, liegt zunächst daran, dass 90 Prozent der Abgeschobenen dagegen klagen, weiß Graw. Sicher wird er auch um die despektierlich genannte „Abschiebeverhinderungsindustrie“ wissen, auf die sich beispielweise Alexander Dobrindt und Rainer Wendt beziehen. Aber gut, so weit geht Graw dann freilich nicht.

Und rein rechtlich ist das auch alles in grünen Tüchern, das deutsche Rechtswesen ist so aufgebaut. Wenn, dann müsste hier der Hebel angesetzt werden oder wie auch immer. Auf dem Wege können wir gleich einmal mit einer  weiteren Falschnachricht aufräumen: Es sind nicht knapp die Hälfte der Klagen, die erfolgreich sind, es sind nicht einmal ein Viertel, denn bei einem großen Teil kommt es nicht einmal zu einem Urteil.

Ein wichtiges Indiz: Die allermeisten Kläger bekommen keine Prozesskostenhilfe. Der Grund dafür ist einfach: keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Perfider ist da die Argumentation der Befürworter einer uneingeschränkten Einwanderung, die nun den BAMF-Skandal dazu nutzen, festzustellen, dass eigentlich jede Ablehnung anfechtbar wäre, wenn die Urteile so rechtsunsicher wären.

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Ein Fazit Ansgar Graws: „Angesichts dessen hat Gauland zunächst weitgehend korrekt darauf hingewiesen, dass 600.000 nicht abgeschoben würden.“ Lediglich ein paar Ungenauigkeiten bescheinigt er dem AfD-Vorsitzenden, der an einer Stelle aus 38 Prozent „die Hälfte“ machte. Nun ist das alles Teil einer wichtigen Wahrheitsfindung, aber eine die verpufft, wenn nicht Anne Will in ihrer kommenden Sendung vorab auf ihren Fehler hinweisen würde. Wird aber nicht passieren.

Normalerweise bügelt solche Anne-Will-Fehler die Presse anschließend glatt. Hier hat es mal nicht funktioniert.

Und um noch kurz beim erwähnten BAMF-Skandal zu bleiben, noch eine kleine Randnotiz über unseren persönlichen Lieblings-Sozialdemokraten Ralf Stegner: Der SPD-Vizevorsitzende hat doch tatsächlich die Chuzpe, die Kanzlerin Mitte 2018 dahingehend anzugehen, sie würde ihren Kontrollverlust nur aussitzen:  „Sie schweigt, tut nichts und will den Kontrollverlust im BAMF aussitzen. (…) „Die Kanzlerin muss jetzt endlich dafür sorgen, dass aufgeklärt wird – und sie muss endlich selbst aufklären.“

Schönen guten Morgen Ralf Stegner. So lange gepennt und nun doppelt wach? Und weil er nun schon aufgewacht ist, hat Ralf Stegner wieder mal einen Twitter-Musiktipp für „Euch da draußen im digitalen Orbit.“ Er empfiehlt uns schon zum Frühstück „Stanley Myers – „Cavatina“, ein melancholischer Song vom Soundtrack des Films „Die durch die Hölle gehen“. Psychologisch ist das schon bemerkenswert. Oder einfach nur vollkommen verpennt: Schilddrüsenalarm im Willy-Brandt-Haus.