Tichys Einblick
Bei Sandra Maischberger

Volker Wissing verspricht pünktliche Bahn in sieben Jahren

Autofahrer sollen zum öffentlichen Verkehr wechseln. Das ist einer der wichtigsten grünen Glaubenssätze. Bei Maischberger räumte Minister Volker Wissing (FDP) ein, dass die Bahn dafür nicht bereit ist.

Screenprint: ARD / Maischberger

Sandra Maischberger ist mit ihrem Talk gut aus der Winterpause gekommen. Verhältnismäßig. Der Journalisten-Tisch am Anfang der Sendung ist immer noch eine Runde, die nur eine Erkenntnis bringt: wie öde und monoton die deutsche Medienlandschaft ist. Doch sobald die Rubrik „Drei Stühle eine Meinung“ überstanden ist, werden die Gespräche interessant. Zumindest in dieser Woche: Die Redaktion lädt interessante Gäste ein, bereitet ihre Moderatorin gut vor und die ist beißlustig.

Ideologie gegen Verstand
Der gelbe Wissing begründet sein Plädoyer für Kernkraftwerke grün
So geht Sandra Maischberger den Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) an wegen des trostlosen Zustands der Deutschen Bahn. Doch der hat einen Joker: Seine Vorgänger – zumeist von der CSU gestellt – haben ihm eine miese Situation hinterlassen. Dass dem so ist, dafür hat die Union jüngst einen absurden Beweis geliefert: Die Bundestagsfraktion hat eine umfangreiche Anfrage zu Verspätungen gestellt und wollte dabei wissen, wie groß der Anteil der Personalausfälle an den Ursachen für Verspätungen ist. Verschwindend gering, lautete die Antwort. Das marode und unzureichend ausgebaute Schienennetz habe einen viel größeren Anteil an den Verspätungen. Doch das wollte die Union in ihrer Anfrage erst gar nicht ansprechen – eben weil die Christdemokraten bereits wissen, dass sie selbst dieses Schienennetz hinterlassen haben.

Auf diese Position zog sich auch Wissing bei Maischberger zurück: „Die sehr stark ausgelastete Infrastruktur ist in den letzten Jahren nicht angepasst worden.“ Das führe dazu, dass die Bahn „äußerst unpünktlich“ sei. Zwar habe das Unternehmen über die Feiertage einen Kraftakt hingelegt und eine Pünktlichkeit von über 80 Prozent erreicht – aber im Alltag liegt sie fast 20 Prozentpunkte drunter.

Wissing kündigt bei Maischberger einen Sanierungsplan an. Dieses Jahr werden Ersatzstrecken „ertüchtigt“, also reaktiviert. Über diese soll der Verkehr laufen, während die Hauptstrecken saniert und modernisiert werden. Das beginnt laut Wissing im zweiten Halbjahr 2024. In sieben Jahren, also 2030 sollen die deutschen Züge dann so pünktlich fahren, wie es etwa in der Schweiz alltäglich ist.

Burgfrieden bei den Liberalen
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Ob dieser Plan aber funktioniert, ist offen. Denn Wissing weist auf Risiken hin: „Es kann zu unkalkulierbaren Sanierungen kommen.“ Da das Netz so marode sei, wie es ist, könnten Hauptstrecken kurzfristig ausfallen, ohne dass es dafür Ausweichstrecken gebe. Das führe dann zu entsprechenden Verspätungen und Umleitungen. Auch sei das Netz durch den Ukraine-Krieg zusätzlich belastet: Um den Verlust des russischen Gases auszugleichen, müsse die Bahn zusätzlich Kohle und Mineralöl transportieren.

Andere Probleme der Bahn seien Folgefehler des maroden Netzes: Kämen die Züge zu spät in den Bahnhöfen an, könnten Toiletten nicht gereinigt oder Bord-Bistros nicht aufgefüllt werden. Auch das soll sich bis 2030 verbessern. Und da Wissing schon dabei ist, bei Maischberger Versprechen abzugeben, kündigt der Verkehrsminister an, dass sein Haus „mit Hochdruck“ am 49-Euro-Ticket arbeite. Es solle noch im „Frühjahr“ kommen. Wobei „früh“ ein dehnbarer Begriff ist.

Wie dehnbar ein liberaler Funktionär sein kann, zeigte Wissing dann beim Thema Atomkraftwerke. Er erklärte überzeugend – für seine Verhältnisse sogar leidenschaftlich –, warum die drei deutschen Anlagen länger als bis zum 15. April laufen sollen: Sie könnten die Grundlast sichern, die Stromlücken füllen, die durch erneuerbare Energien entstehen und so die Energiewende klimafreundlich mit Versorgungssicherheit verbinden – und das zu günstigeren Preisen. Also kommt die Laufzeitverlängerung? Nein, Wissing sagt, er wolle den Koalitionsfrieden nicht gefährden. FDP 2023: Lieber schlecht regieren, als unbequem.

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