Tichys Einblick
Medien

Therapie für eine angeschlagene Zunft

Die etablierten Medienmarken leiden seit Langem unter wachsendem Vertrauensverlust. Sie haben sich das durch handwerkliche Fehler zum größten Teil selbst zuzuschreiben. Wie die Medien wieder Vertrauen gewinnen können – und damit die Demokratie stärken.

Testbild – Radio- und Fernsehmuseum in Stassfurt

IMAGO / Steinach

Medien in westlichen Demokratien leiden Umfragen und medienwissenschaftlichen Studien zufolge seit Langem an einem teilweise dramatischen Vertrauensverlust. Oft wenden sich Bürger aus Misstrauen und Zorn ganz von traditionellen Medien ab. Informierte Bürger sind aber eine Bedingung für eine funktionierende Demokratie.

Manche Ergebnisse der Demoskopen und Wissenschaftler sind irritierend. In Deutschland beispielsweise genießen insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender noch relativ viel Vertrauen. Dabei sind ARD und ZDF Hochburgen des tendenziösen Haltungsjournalismus und der – von den meisten Bürgern abgelehnten – Gendersprache.

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Die Wahrnehmung der Medien in der Bevölkerung ist teilweise widersprüchlich. Kritiker der Medien dürfen es sich deshalb nicht zu einfach machen. Noch gibt es auch eine Menge Vertrauen in Sender und Verlage. Medien werden weder von Regierung noch von ominösen Mächten „gelenkt“ oder sind gar „gleichgeschaltet“ – auch wenn der Einfluss von außen zugenommen hat. Die direkten und indirekten Finanzhilfen des Staates oder mächtiger Organisationen wie die der Milliardäre Bill Gates oder George Soros sollten nicht überbewertet werden.

Der Eindruck, die „Mainstream-Medien“ hätten eine relativ ähnliche politische Agenda, entsteht vor allem, weil die überwältigende Mehrheit der deutschen Journalisten politisch klar links, grün und woke positioniert ist – ähnlich den Eliten in Bildung, Wissenschaft und Kultur. Deshalb ist oft ein zutiefst irritierender Gleichklang der deutschen Leitmedien zu beobachten, beispielsweise bei Themen wie Corona, Ukraine, Flüchtlinge, Islam oder den „Gefahren von rechts“. Dieser Eindruck wird auch nicht durch den weit verbreiteten Feigenblatt-Journalismus relativiert, bei dem selbst in der Zeit, der Süddeutschen Zeitung oder dem Deutschlandfunk ein Gastautor unerwartete Gegenpositionen zum Zeitgeist skizzieren darf.

Kaum jemand bestreitet, dass sich ein Unbehagen an der Berichterstattung der Medien ausbreitet; beklagt wird vor allem eine schmerzhafte Verengung des „Meinungskorridors“. Es wird nicht mehr stets ausgesprochen, was die meisten denken.

Die Medien müssen um ihre Glaubwürdigkeit, das wichtigste Gut im Journalismus, fürchten. Um das Vertrauen der Bürger zu stärken oder wiederzugewinnen, müssten sich die Medien selbstkritisch auf den Prüfstand stellen, Fehlentwicklungen beenden und sich wieder den hehren Prinzipien des Qualitätsjournalismus verpflichten. Gäbe es diese Bereitschaft, wären folgende die wichtigsten Schritte und Maßnahmen.

1. Journalismus statt Haltung

Die folgenreichste Fehlentwicklung im Journalismus liegt in der Moralisierung der journalistischen Arbeit. Journalisten wollten gute Menschen und gute Demokraten sein und nicht in erster Linie gute Journalisten.

Der gute Mensch und gute Bürger hilft den Schwachen, Unterdrückten, Misshandelten, er bekämpft finstere, unmenschliche und antidemokratische Mächte. Der gute Journalist dagegen schildert so akkurat, so objektiv, so anschaulich wie nur möglich die Realitäten unserer Welt, die eine Bedeutung haben für Leser, Hörer und Zuschauer.

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Damit diese nämlich die Chance haben, als informierte Bürger in einer komplexen, verwirrenden und unübersichtlichen Welt selbst zu erkennen, wer die Guten und wer die Bösen sind, wer seine Interessen vertritt und wer nicht, wer klug ist und Ideen hat, wem man vertrauen kann und wer denn die Dummen und Bösen sind, die finsteren, unmenschlichen oder antidemokratischen Kräfte.
2. Die Rückkehr zur Ausgewogenheit

Der Anspruch jedes Qualitätsmediums muss es sein, nachrichtlich so objektiv, distanziert und unparteiisch wie nur möglich zu berichten. Vor allem für die öffentlich-rechtlichen Sender und Nachrichtenagenturen muss dieses Prinzip den Rang eines Glaubensdogmas haben.

Um das journalistische Gebot der Ausgewogenheit auszuhebeln, wird gern das Argument der „False Balance“ („falsches Gleichgewicht“) verwendet. Dabei ist dieser Begriff die groteske Übertreibung einer Selbstverständlichkeit: Ausgewogenheit bedeutet nicht, dass man Demagogen, Verschwörungstheoretikern, Extremisten oder Spinnern Platz einräumt; es meint auch nicht, dass man jeder Minderheitenmeinung ebenso viel Platz einräumt wie den derzeit allgemein als gesichert geltenden Auffassungen.

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Allerdings darf man Wissenschaftler, Künstler oder Politiker nicht deshalb ausgrenzen, weil sie eine andere Auffassung als die aktuell dominierende vertreten. Meist genügen gesunder Menschenverstand und das Bemühen um Fairness, um als Redakteur zu erkennen, wem man wie ausführlich Gehör verschafft, welche Position man darstellt.

Zur Ausgewogenheit würde auch gehören, dass die Skandale ihrer Bedeutung nach gewichtet werden. Wenn die Teilnahme eines Regierungschefs an verbotenen Partys deutlich mehr Schlagzeilen macht als die Verwicklung eines Bundeskanzlers in einen handfesten Finanzskandal zulasten des Steuerzahlers, dann stimmt etwas nicht mehr – insbesondere dann, wenn der sich ständig auf völlig unglaubwürdige „Erinnerungslücken“ beruft.

3. Aufgabe aller Formen des Framing

Der Versuch, mit bestimmten Formulierungen oder Worten von vornherein Meldungen und Berichten einen politischen Spin zu geben, ist verwerflich und hat nichts mit sauberem Journalismus zu tun. Beim Framing sind es beispielsweise die „guten“ Politiker, die „betonen“, „erklären“, „widersprechen“ oder „unterstreichen“; die „bösen“ Politiker hingegen „leugnen“, „behaupten“, „unterstellen“ oder „bestreiten“. Unliebsame Politiker werden gerne „umstritten“ genannt, als ob nicht so gut wie alle Politiker umstritten wären.

Abgelehnte Positionen werden in Berichten dann gern mit den Attributen „fragwürdig“ oder „wissenschaftlich nicht nachgewiesen“ versehen und auf diese Weise indirekt verunglimpft. Alle Formen des Framing sind Versuche der Manipulation und aus diesem Grund zu unterlassen.

4. Fairness auch für Trump und Orbán

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Journalistische Standards gebieten, alle betroffenen Seiten zu Wort kommen lassen und dabei die jeweils besten und wichtigsten Argumente und Thesen der Protagonisten zu präsentieren. Die oft skandalöse Einseitigkeit der Beiträge über Donald Trump, Victor Orbán, Boris Johnson oder Georgia Meloni, aber auch über die AfD oder die zuletzt bei den Wahlen starken rechten Kräfte in Italien, Frankreich oder Schweden können nicht die Grundlagen einer sauberen Berichterstattung sein. Fairness verbietet keineswegs, Fehlleistungen, Skandale oder gefährliche und groteske Handlungen oder Thesen der Protagonisten zu schildern – anständiger Journalismus beschränkt sich aber nicht darauf, sondern berichtet auch über Inhalte.

Fairness im Journalismus würde darüber hinaus bedeuten, die gnadenlose Emotionalisierung und Moralisierung politischer Themen wie Migration/ Flüchtlinge, Klima, Kernkraft oder auch des Ukraine-Kriegs zu beenden.

5. Abschied von der Gendersprache

Nur wenige Printmedien trauen sich, ihre Texte konsequent zu gendern, wie beispielsweise die Tageszeitung, deren Leserschaft das wohl goutiert. Medien wie die öffentlich-rechtlichen Sender beleidigen mit dem Gendern allerdings ihre Leser, Hörer und Zuschauer auf unverschämte Weise. Außer einem pädagogisch-missionarischem Motiv gibt es nichts, was diese Verhunzung der deutschen Sprache rechtfertigt. Die überwältigende Mehrheit der Bürger lehnt Gendersprache ab.

6. Verzicht auf Aktivismus

Abgesehen von weltanschaulich festgelegten Medien wie Parteizeitungen, aber auch Blättern wie die Tageszeitung oder die Frankfurter Rundschau (die sich selbst als „links-liberal“ definiert) sollte sich kein Journalist als Aktivist einer Bewegung oder Partei verstehen. Streng genommen ist für Journalisten schon eine Parteizugehörigkeit fragwürdig. Ganz sicher darf die Arbeit von Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Medien, den Nachrichtenagenturen oder den Qualitätsmedien auf keinen Fall von ihrem Engagement für Parteien oder politische Organisationen beeinflusst werden.

Es ist grotesk, wenn ein Parteimitglied, das für öffentliche Ämter kandidiert, in ARD oder ZDF eine wichtige Rolle bei der politischen Berichterstattung spielt – wie mehrfach geschehen.

7. Kein Platz für Diversität und Quote

Abgesehen von Fachjournalisten (Wissenschaft, Sport, Feuilleton) sind Redakteure Generalisten. Sie schreiben über die unterschiedlichsten Themen und Gruppen. Die Vorstellung, dass die Berichterstattung über Flüchtlinge, Behinderte, Muslime, Schwarze oder Schwule Journalisten erfordere, die ethnisch, sozial oder biografisch möglichst einen entsprechenden Hintergrund mitbringen, ist absurd und gefährlich. Identitätspolitik hat in Redaktionen nichts verloren.

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Gute Journalisten wissen, wie man auch bei schwierigen Themen und Gruppen recherchiert, dazu bedarf es keiner bestimmte Hautfarbe, Religion oder eines besonderen sozialen oder sexuellen Hintergrunds. Es mag klug sein, eine Redaktion mit Journalisten beiderlei Geschlechts, unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Erfahrungshintergründen zusammenzustellen. Ansonsten gilt es, die professionell besten Journalisten ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Religion, Hautfarbe oder Herkunft einzustellen.

Höchst fragwürdig ist auch die Praxis mancher Medien, Korrespondenten gerade in jene Länder zu entsenden, aus denen die Journalisten stammen. Die Gefahr der Voreingenommenheit, auch der Parteilichkeit ist bei diesem Vorgehen viel zu groß.
Eine Frauenquote ist angesichts des starken Frauenanteils in den Medien absurd. Auch in Führungsgremien muss das Leistungsprinzip gelten, nicht das Geschlecht, schon im Interesse der wirklich hervorragenden Journalistinnen.

8. Kein Verteufeln rechter Positionen

Die demagogische Gleichsetzung konservativer Positionen mit Rechtsradikalismus ist genauso mieser Journalismus wie die Unterstellung, alle Sozialisten wollten die Demokratie abschaffen. Medien, die naserümpfend Hinweise auf „rechte Positionen“ oder „rechtsgerichtete Gruppen“ in ihre Berichterstattung einflechten, müssten konsequenterweise bei vielen Politikern, etwa Joe Biden, Robert Habeck oder Jean Asselborn, ständig das Wort „links“ verwenden.

Der Mangel an konservativen und liberalen Kommentaren in den öffentlich-rechtlichen Sendern ist ein Skandal, ebenso wie die Bevorzugung linker und grüner Positionen. Natürlich ist auch das gesamte Programm von diesem Ungleichgewicht der Sichtweisen geprägt.

9. Cancel Culture begraben

Die Ausgrenzung unliebsamer Themen, Positionen und Personen muss beendet werden. Das beginnt inhaltlich mit einer angemessenen Ausgewogenheit in der Berichterstattung und der Auswahl der Themen: Nur selten werden Themen wie Linksextremismus und Parallelgesellschaften, Kriminalität im Migrationsmilieu oder Patriarchat in islamischen Familien aufgegriffen, und Berichte über Klimawandel, Islam, EU, Atomenergie oder die politische Rechte sind in der Regel extrem einseitig.
Aber Cancel Culture bedeutet auch systematische Ausgrenzung wichtiger Stimmen in der Gesellschaft; notwendig wäre die Einbeziehung unbequemer Autoren, Wissenschaftler und Künstler wie Thilo Sarrazin, Henryk M. Broder, Hans-Olaf Henkel, Vera Lengsfeld oder Akif Pirinçci, aber auch verfemter Medien wie dem Blog „Achse des Guten“, dem Radiosender Kontrafunk, Michael Klonovsky oder der „Jungen Freiheit“.

Die Einbeziehung rechter und konservativer Sichtweisen in den gesellschaftlichen Diskurs wäre eine kluge Maßnahme gegen die bedrohlich wachsende Spaltung der Gesellschaft, die sichtbar größer werdende Gruppe derer, die sich enttäuscht von der Politik abwenden.

10. Stopp für Regenbogen-Gruppen

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Toleranz gegenüber Menschen mit alternativen Lebenskonzepten und gegenüber sexuellen Minderheiten ist wesentlich für eine Demokratie. Die Bedeutung, die Themen der LGBTQ-Gemeinde heute in Gesellschaft und Medien haben, ist allerdings längst nicht mehr ihrer Größe und ihrer Wichtigkeit angemessen. Kaum ein Medium traut sich heute, auch Schattenseiten im Milieu sexueller Minderheiten zu thematisieren, wie beispielsweise die Feindseligkeit zwischen manchen dieser Gruppen, die zuweilen extreme Promiskuität, bestimmte Praktiken in Darkrooms oder den radikalen Körperkult pflegen. Die Darstellung der „Regenbogen“-Welt als harmonischer, bunter, spielerischer Glitzerkosmos wird der Realität nicht gerecht.

Besteht eine realistische Aussicht, dass die Medien sich wieder auf den Pfad der journalistischen Tugenden begeben? Was Mut machen könnte, ist die Tatsache, dass es in vielen Medien zahlreiche gut ausgebildete, kompetente und zu Selbstkritik bereite Journalisten gibt.

Es würde allerdings erheblichen Mut und enorme Risikobereitschaft bedeuten, sich gegen den Zeitgeist aufzulehnen. Gegner wären die von ihrer Mission und moralischen Überlegenheit überzeugten Haltungsjournalisten. Diese lieben Totschlagargumente wie das der drohenden, apokalyptischen Klimakatastrophe oder jenes der dramatischen Gefahren für die Demokratie von „rechts“.

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