Tichys Einblick
Europa läuft die Zeit davon

maybrit illner, Absurdes Theater: Statt Warten auf Godot – Warten auf Berlin

Es macht uns ernsthaft Sorgen, dass Ursula von der Leyen so blendender Laune war. Wenn Siggi und Heiko demnächst was anderes machen, ist sie immerhin die größte Altlast der gerade kollabierten Regierung.


Screenprint: ZDF/maybrit illner

Europa! Ach Gottchen, ja! Sie meinen wohl nur die EU. Gemeinsamer Markt! Gemeinsame Währung! Schengen! Wunderbar! Und jetzt noch wunderbarer! „Trump war ein Weckruf!“ Bald marschieren wir alle gemeinsam, wo doch der Putin so böse guckt. „Mit unseren nordafrikanischen Nachbarn gemeinsam“ will sie „und Deutschland ganz vorne dabei“ irgendwas in Marokko treiben, was uns aber entfallen ist. Warum nicht alle in die EU aufnehmen? – dann könnten die „Flüchtlinge“ doch direkt da bleiben, und wir überweisen die Stütze per Dauerauftrag direkt an die Südküste des Mare Nostrum.

Ursulas „europäische” Euphorie-Pädagogik – als würde sie videospielenden Kindern einen Weihnachtsmarktbesuch schmackhaft machen wollen – einfach unerträglich! Probleme? Nein, sie „will eine Lanze brechen“ (meinte sie einen Lanz?) für die Letten, „mit den Polen ringen“, Europa ist „was ganz, ganz Kostbares!“ Und auch wenn „wir am meisten profitieren“, wäre es „falsch als ersten Schritt die Schulden der anderen zu übernehmen“. Als ersten Schritt? Die Frau braucht Hilfe – oder wir!

Die Grünen haben sich anscheinend einen pfiffigen Think Tank geleistet (von Trump?). Jedenfalls sagte der Schwabe Cem Özdemir: „Wir wollen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen Humanität und Ordnung.“ Humanität und Ordnung? Klingt ein bisschen wie Kant. Cem war mindestens ebenso gut gelaunt wie Ursel, und da rutschte ihm dann natürlich das Humanitäre gelegentlich so richtig raus mit „Fluchtursachen bekämpfen“. Die „Flüchtlinge” kommen nicht wegen Krieg, so viel hat er wohl schon durch Polizeiberichte gelernt, sondern weil „wir“ „Westafrika die Meere leerfischen“ und „unsere Lebensmittellieferungen afrikanische Bauern arbeitslos machen“. Dass es ohne unsere Lebensmittellieferungen und Medikamente seit zig Jahren deutlich weniger Afrikaner gäbe, das hatten sie nicht im Sozialpädagogikseminar. Nein, dem Cem hat es super gefallen bei Maybrit. Mit der Ursel, das wird was.

All politics is local
Katalonien: Die Antwort ist Dezentralisierung
Und dann war auch noch der Yeti da, den man in den Tälern unter dem Namen Reinhold Messner kennt. Es kam alles vor: Klimawandel, Berge, sein Sohn, die Wüste. Aber eigentlich war er als Exot geladen, als Südtiroler. Wegen der Katalanen, wo doch der Putschdämon (Cem) diesen Aufstand machte. Reinhold ist Europäer, kein Italiener, kein Deutscher. Und in Südtirol dürfen sie 80% der Steuern behalten, 20% fließen nach Rom. Geht doch. Natürlich hinkt der Vergleich mit Katalonien, und ein südtirolisches Volk gibt es auch nicht, und der Weg zur relativen Autonomie war mitnichten ein friedlicher. Aber darum ging es ja gar nicht. Worum es ging? „Europa läuft die Zeit davon – Warten auf Berlin“.

Christian Lindner wurde explizit als „Parteivorsitzender der FDP“ vorgestellt (gibt es Untersuchungen, nach denen x % Grenzdebile vor der Illner-Sendung hocken?). Seine Mimik sagte, er schwankte zwischen Fremdschämen und Mitmachen. Als des Cemle wiederholt ausführte, er sei Schwabe, Deutscher und Europäer, gab Lindner zu Protokoll, Rheinländer, Westfale, Deutscher und Europäer zu sein. Bei der Begeisterung für Zuwanderung und Familiennachzug wandte er schwach ein, dass wir bereits „jetzt an der Grenze der Möglichkeiten“ sind, bei Wohnen und Schulen. Und etwas vehementer warnte er vor der Haftung von Volksbanken und Sparkassen bei Pleiten europäischer Großbanken. Und er schimpfte, dass Italien gerade mit Staatsknete seine Pleitebanken rettete.

Merkels Plan?
Doch noch GroKo? Wie sich alles fügen könnte
Der Höflichkeit halber: Historiker Heinrich August Winkler, Jahrgang 1938, saß auch am Tisch. Schimpfte ein wenig über Ungarn und Polen, findet gemeinsame Verteidigung der liberalen und willigen Staaten nicht schlecht, wusste aber, dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen das Dringendste sei. Da hörte ihm schon keiner mehr zu. Konsolidierung der Staatsfinanzen? Das Gegenteil ist volonté générale EU-europäischer Politik! Die Weisheit des Alters diktierte Heinrich August dann noch, dass Überbevölkerung und Korruption zu den zentralen Problemen Afrikas gehören, „Probleme, die wir nicht hier lösen können“.

Was unsere progressive Elite natürlich nicht daran hindert, die Probleme der Welt zu importieren und hier zu lösen zu versuchen. „Kopftreter in der Münchner U-Bahn“, „Aggressive Männergruppen an Halloween“, „Schießerei in Bremen“, „Mehr als 300.000 Asylklagen“ und „30.000 verschwundene Asylbewerber“ sind nur ein paar Schlagzeilen eines einzigen Tages, die zeigen, dass das Ergebnis recht durchwachsen ausfällt. Vor diesem Hintergrund war die Illner-Sendung besonders surreal.