Tichys Einblick
Raumfahrt und Ukraine

Maischberger: Die Ukraine ist ein alter Hut

Ein faszinierendes Interview über die Raumfahrt kommt zu kurz, weil Maischberger wieder einmal mit dem unwichtigsten Ukraine-Politiker der Nation sprechen will. Und auch die CDU entsendet Unwichtige, um über Krieg, Frieden und Kriegstote zu diskutieren.

Screenprint ARD

Maischberger am Dienstagabend war eine wohltuende Abwechslung. Zum ersten Mal seit langer Zeit ist ein interessanter Nicht-Politiker zu Gast im Interview mit Maischberger. Der Astronaut Matthias Maurer spricht darüber, wie es ist, auf der internationalen Raumstation zu arbeiten – er spricht auch über die Widrigkeiten: Wie geht man damit um, wenn ein Teil der Besatzung Russisch ist und Russland plötzlich ganz unverhohlen in der Ukraine einfällt? Man mag sich erinnern: In den Tagen danach war die Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes real.

Maurer hat leider nicht genug Sendezeit, es gäbe viel Interessantes zu besprechen. Eine Frage, die er nur andeutet: Warum ist Europa so irrelevant im Weltraum? Europa und die ESA sind nach wie vor wichtig im Bau und Betrieb von Satelliten. Aber die kommerzielle Raumfahrt wird von Space-X (Elon Musk) und Blue Origin (Jeff Bezos) öffentlichkeitswirksam vorangetrieben.

Es gibt noch viele weitere Unternehmen, meist auf den Transport von Satelliten spezialisiert, die zum Großteil in den USA beheimatet sind. China drängt auf den Markt und Indien konnte für schlappe 75 Millionen Dollar auf dem Mond landen. Maurer zeigt auf: Wie schon beim Internet droht Europa – droht Deutschland – zurückgelassen zu werden.

Wen interessiert die Ukraine?

Aber so interessant dieses Interview auch ist, so irrelevant ist der Diskussionsteil der Sendung. Es geht um die Ukraine und die deutsche Wehrhaftigkeit. Die SPD hat ihren besten Mann geschickt, um an dieser Diskussion teilzunehmen – also den besten, wenn es um ideologische Standfestigkeit geht: Ralf Stegner. Stegner ist in der Regierung irrelevant. Er ist Teil des Verteidigungsausschusses des Bundestages, soll die Regierung also eigentlich kontrollieren. Wer sich wundert: Hat man Stegner nicht zu diesem Thema schon bei Maischberger und anderen Talkshows gesehen? Ja, hat man. Aber bei Maischberger geht es nicht darum, eine spannende Sendung mit neuen Gästen und frischen Fragestellungen zu liefern. Sowas findet man nur bei privaten Sendern, wie bei Tichys Einblick und der Streit-Bar.

Gegen Stegner diskutiert … Serap Güler. Gut, die sieht man nicht ganz so oft bei Maischberger – aber auf das Ukraine-Thema haben eben die Granden der Union ebenso wenig Lust wie die Granden der SPD. Und mangels eines Stegners schicken sie Güler, die im Bundestag mit Stegner gemeinsam immerhin im Verteidigungsausschuss sitzt.

Wird in dieser Diskussion etwas Neues besprochen? Ist sie spannend? Nein, natürlich nicht. Güler bemüht sich, die Aussagen ihres Parteikollegen Roderich Kiesewetter zu relativieren. Der hatte gefordert, man möge der Ukraine Waffen geben, um Ziele in Russland anzugreifen, wörtlich: „Ministerien, Erdölraffinerien und Gefechtsstände“.

Güler ist unehrlich: Denn sie fordert die unbedingte Unterstützung der Ukraine, will aber keine Ziele in Russland angreifen außer militärische Logistik. Das ist natürlich Unsinn: Wer einen echten Krieg führen will, muss auch strategische Produktionsorte (Erdölraffinerien) und Ministerien bombardieren. Wie es die russische Armee auch tut.

Stegner hingegen träumt weiter den Traum eines Krieges, in dem die Ukrainer sich gar nicht gegen die russische Aggression wehren und dennoch in Frieden gelassen werden. „Der Klügere gibt nach“ ist ein schöner Spruch, der leider nur im Kindergarten funktioniert. Und auch dort nur, weil eine höhere Autorität einen Aggressor in die Ecke schicken kann.

Alles Geld wird verpulvert

Die Debatte ist ein Sinnbild für die deutsche Politik: Die Ukraine ist ein toxisches Thema, mit dem sich die Bundesregierung und die Führung der stärksten Oppositionspartei nicht beschäftigen wollen. Also schicken sie Stegner und Güler vor. Dabei ist die Frage nach (Atom-)Krieg und Frieden so existenziell entscheidend für die Zukunft des Landes. Und am Ende bleibt von der Diskussion nur eines übrig: Beide wollen die Schuldenbremse lockern. Um mehr „Investitionen“ in die Bundeswehr zu ermöglichen.

Die 100 Milliarden aus dem ersten Sondervermögen für die Bundeswehr? Verpuffen wirkungslos. Denn ein Teil des Geldes wird nun verwendet, um vorherige, laufende Kosten zu bezahlen. So kann Geld aus dem Etat der Bundeswehr in anderen Ministerien verprasst werden. Und der Rest des Geldes wird versickern, denn auch ein Verteidigungsminister Boris Pistorius hat nichts getan, um die strukturellen Probleme in Beschaffungsamt und Bundeswehr anzugehen. So sollen 200.000 neue Kopfhörer für die Soldaten angeschafft werden. Für 2,8 Milliarden Euro. Das macht 14.000 Euro pro Kopfhörer. Bei solchen Preisen ist es egal, wie viel Geld in die Bundeswehr gepumpt wird: Die Wehrtüchtigkeit des Landes bleibt davon unberührt.

Und ein Opfer hat die Sendung noch: Stefan Aust, Herausgeber der Welt. Er ist einer der drei Journalisten im Journalistenpanel, das für Maischberger aktuelle politische Ereignisse kommentieren darf. Er wagt es, den Meinungskorridor der Öffentlich-Rechtlichen zu verlassen: beim Thema Klimaschutz, Ukraine und Energiepolitik. Dafür wird er sofort von den anderen anwesenden Journalisten angegriffen. Es ist schon beeindruckend, wie souverän er dabei bleibt.

Über Austs Beitrag zur Sendung ließe sich vieles schreiben, aber ein Dialog mit der ARD-Börsenkorrespondentin Anja Kohl kann für sich sprechen:

Aust: findet, dass die Regierung keine neuen Schulden machen sollte. Man könne „wahnsinnig viel sparen“ im Bundeshaushalt – in der Entwicklungshilfe und der Finanzierung von NGOs: „Früher waren die Lobbyisten von der Autoindustrie bezahlt. Heute werden sie von ihren Buddies im Ministerium bezahlt.“ Auch spricht er darüber, dass eine Energiewende ohne Atomkraft UND ohne Kohlekraft UND ohne günstiges russisches Gas nicht möglich ist. „Das Fossile war der erneuerbare Anteil der erneuerbaren Energien“, ist seine Zusammenfassung.

Kohl: sichtlich empört: „Zweifeln Sie etwa die Wissenschaft an?“
Aust: „Ja.“
Kohl: entsetzte Schnappatmung.

Anzeige