Tichys Einblick
Angst vor Putin, Trump und Merkel

Maischberger: Viel Feind, viel Ehr‘

Unser linksnaives Establishment hat sich aus Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit in einen Zweifrontenkrieg hineinmanövriert. Im Osten Putin, im Westen Trump. Aber vielleicht sollte man jemand ganz anders fürchten ...

Screenprint: ARD/maischberger

Da sind wir wieder. In vertrauten TV-Gefilden mit ihren Verschleierungstaktiken, tief in den Propagandasümpfen mit ihren Nebelschwaden, absichtlich hinter die Fichte geführt von Agenten, deren Agenda wir uns aufzudecken bemühen wollen.

Sandras Talk „Trump oder Putin: Vor wem müssen wir mehr Angst haben?“ begann mit einem eingespielten Witz. Mehr Deutsche haben Angst vor Donald Trump als vor Wladimir Putin. Hahaha. Dazu passt ein anderes frisches Umfrageergebnis, wonach 90% der Tagesschau vertrauen, wie die Faust aufs Auge. Propaganda wirkt. Allerdings nur langsam, denn erst seit ein paar Wochen wird von Bild und Glotze auf Russland eingehämmert. Wenn die so weiter machen, hat der Deutsche vielleicht vor Donald und Wlad gleich viel Angst.

Eintagsfliege?
Eine differenzierte Sendung über Trump
Angst haben sollte der Deutsche wohl eher vor Angela Merkel, die fortgesetzt das Recht bricht, eine Invasion von Beutejägern in Gang setzte, und finanzielle Rücklagen auf dem Euro-Altar opfern will. Aber bei Sandra soll es um die äußeren Feinde gehen, vielleicht um von den inneren Missständen abzulenken. Zunächst ist festzuhalten, dass sich unser linksnaives Establishment aus Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit in einen Zweifrontenkrieg hineinmanövriert hat. Im Westen wurde der auf amerikanische Art gewählte Trump zum Feind erklärt, im Osten der auf russische Art gewählte Putin. Die jüngste Direktive beim Staatsfunk lautet wohl: Feuer im Westen etwas reduzieren, im Osten aber intensivieren. Willkommener Anlass – ein Giftanschlag in England, für den die schrullige Theresa May Russland verantwortlich macht. Noch lauter vertritt die Anklage der britische Außenminister Boris Johnson, der noch vor kurzem im deutschen Staatsfunk nur als britischer Brexit-Clown dargestellt wurde.

Den schrulligen Part bei Maischberger bestritt der fast 70-jährige Brite Anthony Glees, der nach einem Germanistikstudium zum „Geheimdienstexperten“ wurde. Mit seiner in den Farben Blau, Rot, Gelb, Grün und Orange gestreiften Krawatte, Hochwasserhose und roten Socken widerlegte der Mann eindeutig die immer und überall geäußerte Meinung, dass es keinen Nationalcharakter mehr gebe in unserer modernen Welt. Glees, der einen deutschen Vater hat, beschimpfte die Deutschen zunächst als „romantische, idealistische und pazifistische Träumer“, die lernen müssten, „Nein zu Putin“ zu sagen. Wie Trump, der Raketen-Kim „nein“ sagte, nun gebe es da Gespräche. Dass er auch einen WM-Boykott verlangte, lag vielleicht auch am momentanen Zustand der englischen Elf.

Glaubenssackgassen
Putin und Trump im Tunnelblick
Den Gegenpart vertrat die fast gleichaltrige Gabriele Krone-Schmalz, die sich zu Unrecht immer als Putin-Versteher missverstanden fühlt. Und schon sind wir beim Giftfall. In Salisbury, wo Wikipedia lediglich Kathedrale und einige Fachwerkhäuser erwähnenswert findet, das aber laut Glees „Zentrum unseres militärischen Wesens“ ist, wurden der Doppelagent Sergei Skripal und seine aus Moskau angereiste Tochter Julia bewusstlos auf einer Parkbank gefunden. Laut britischer Ermittler vergiftet mit „Novitchok“ aus russischer Produktion. „Wenn ein solcher Giftstoff bei einem Mitglied der internationalen Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) gefunden wird, dann wäre es nur folgerichtig, die OPCW einzuschalten. Das ist nicht geschehen“, schimpfte Krone-Schmalz. „Doch!“, ereifert sich Glees.

Sahra Wagenknecht (Sie wissen ja, ohne Grüne und/oder Linke geht es nicht!) fand hier die nie gefundenen, aber behaupteten „Massenvernichtungswaffen“ im Irak erwähnenswert. Und seine eigene spezielle Indizienkette präsentierte daraufhin Elmar Brok: „Menschen betroffen, Gift aus Russland, Krim besetzt – schuldig.“

Elmar Brok wird immer so harmlos als EU-Parlamentarier verkauft, dabei ist er quasi die EU. Wie Juncker. Seit unglaublichen 47 Jahren sitzt der Ostwestfale nach abgebrochenem Jurastudium in Brüssel. Und verdient sich bei Bertelsmann noch etwas dazu, was den Verfassungsrechtler Hans Herbert von Armin dazu veranlasste, Broks Tätigkeit als „legale Korruption“ zu bezeichnen. Broks Angabe, er trenne Mandat und private Geschäftsinteressen „messerscharf“, wurde von Brüssel-Korrespondenten bezweifelt, die interne Bertelsmann-Papiere von 1994 zugespielt bekamen. Auf jeden Fall müssen Broks Verdienste unfassbar groß sein, der Mann hat in seiner EU-Zeit mehr Orden und Verdienstkreuze verliehen bekommen, als zwanzig russische WK2-Generäle zusammen.

Seine Zentralaussage: „Putin führt Krieg in Europa (Ukraine) und Syrien.“ Aber mit der Schlagzeile „Keine WM in Russland“ will er dann doch nicht auffällig werden. Dafür ließ er uns wissen: „Juncker telefoniert ständig mit Putin. Ich fahre demnächst hin.“

Krimileser wissen, dass ein Tatmotiv der Handlung nur gut tut. Da setzt auch Sahra an: „Niemand hält für ausgeschlossen, dass russische Geheimdienste und andere, Leute umbringen. Aber mit Visitenkarte? Vor einer WM? Solange nichts bewiesen ist, sind Ihre Forderung nach Sanktionen Unsinn, Herr Brok!“

Ein solches Motiv aber will Udo Lielischkies (ARD-Studioleiter Moskau) gefunden haben: „Putin braucht den Konflikt mit dem Westen, weil sich das Land in einer strukturellen Krise befindet mit seiner Kleptokratie. Er braucht das Bild des Helden, der die belagerte Festung strahlend verteidigt.“ So weit so nachvollziehbar. Aber die Conclusio, der dilettantische Mordanschlag (beide Opfer leben) und die britischen Anklagen sollten zu einer höheren Wahlbeteiligung bei Putins Präsidentenwahl führen, darf man wohl als recht weit hergeholt bezeichnen. Da wollen wir schnell einen Blick auf Udos Biographie werfen, die solche Gedankensprünge vielleicht erhellen kann. Lielischkies ist quasi ein Gezücht des Staatsfunks. WDR-Hörfunk, ARD-Studio Brüssel, ARD-Moskau und noch ein paar andere ARD-Stationen. Der öffentlich-rechtliche Journalist und staatlich geprüfte Tennislehrer muss sich bei Wikipedia gleich zwei „fehlerhafte Berichte“ – oder wie man heute sagt, „Fake News“ – vorwerfen lassen, die beide in der Ukraine spielten. Der Mann ist zweifelsfrei ein Putin-Hasser.

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Maischberger zu Merkel IV: Nichts Genaues weiß man nicht
Schließlich fällt Udo sogar noch ein Schuldgeständnis Putins ein, der habe in einem Interview gesagt: „Verrätern verzeihe ich nicht.“ Sowie „An den 30 Silberlingen werden sie ersticken.“ Was kein Beweis ist, aber Udo dennoch schärfere Sanktionen fordern lässt. Er will, dass Vermögen der reichen Russen im Ausland eingezogen werden, und Mercedes und BMW unter die Sanktionen fallen. Bei der Reichtums-Beschlagnahmung ist Sahra natürlich dabei, ansonsten gegen Sanktionen und für Gespräche. Wie auch Krone-Schmalz. „Wenn man wirtschaftlich falsche Entscheidungen trifft, kostet das Geld, wenn man politisch falsche trifft, kann das den Frieden kosten.“

Hier ist nicht der Platz, abschließend zu erörtern, ob Russland, oder ob EU und Amerika den Schlamassel herbeigeführt haben, wir müssen unseren Blick auch noch auf den Feind im Westen richten. Ahnungslose TV-Zuschauer wurden wieder einmal mit dem Handelskrieg von Trump gefüttert, wobei nur beiläufig erwähnt wurde, dass die EU der Hauptsünder bei Zöllen ist. Für die Erwähnung war die ARD-Börsenexpertin Anja Kohl zuständig, die – das sei schnell nachgereicht – nicht glaubt, dass England russische Vermögen beschlagnahmt. „Groß-Britannien ist planlos, die EU zahnlos“. Bei Trump vertrat Kohl dann eine besorgniserregende These: Dass Donald womöglich dringend „benötigtes Wachstum durch Krieg“ schaffen wolle. Denn die Ära des Wachstums durch billiges Geld gehe dem Ende entgegen. Sodann bestätigte Udo die Erosion des Mittelstandes in Russland und den USA, und er mache sich nun Sorgen um Europa.

Die Sorgen machen wir uns auch. In dem Zusammenhang fiel uns noch der Satz von Anthony Glees wieder ein, den er in seinem sympathischen deutsch in Bezug auf England und den Giftfall äußerte: „Jedes Land hat die Pflicht, seinen Leuten Sicherheit anzubieten.“ Wohl wahr, deshalb sollten die Deutschen wohl eher Angst vor Merkel haben als vor Trump oder Putin.