Tichys Einblick
Ein Talk entgleist

Maischberger: Der Zyniker Rick kaperte die Sendung

Das alte Märchen von den gewissenlosen Reichen und den betrogenen Armen sollte neu aufgelegt werden, anlässlich der Aufdeckung der skandalösen Paradise Papers. Aber es kam ganz anders und begann mit der traurigen Pleite von Air Berlin.

Screenprint: ARD/maischberger

Selten war eine Diskussion verworrener als diese neue Ausgabe bei Sandra Maischberger. Es sollte um rücksichtslose Reiche gehen, um Steuerschlupflöcher, um die soziale Ungleichheit in der Republik, wo 10 Prozent der Bürger 60 % des Gesamtvermögens besitzen und die arme Unterschicht nur 2,5 %: Den Rest schnappen sich die immer schwieriger zu beschreibende Mittelschicht und die Medienleute, die diese Demokratie-gefährdende Schweinerei aufdecken und soeben mit den skandalösen Paradise Papers weltweite Empörung hervorrufen konnten.

Aus für Cum-Ex-Prozess noch vor Beginn?
Der größte Steuerraub aller Zeiten - platzt das Gerichtsverfahren?
Doch zu diesem aktuellen Höhepunkt der vergangenen Woche kam es bei Maischberger nicht, weil die Umwege dahin von einer Anfangsdramaturgie blockiert wurde, die amateurhafter nicht hätte ausfallen können. Es ging zunächst um Air Berlin, die Pleite einer Fluggesellschaft, die viele Betroffene hinterließ, die weder arbeitslos sind, noch übernommen werden können, wie Frau Barbian, die auf der Couch saß und von Frau Maischberger als erste dran genommen wurde. Sozusagen als emotionaler Aufhänger.

Wie geht es ihr? Natürlich schlimm, sie könnte sich im Moment nur verschlechtern, wenn sie sich als Stewardess, die 28 Jahre Dienst tat, jetzt bei einer anderen Fluggesellschaft bewerben würde. Sie hofft stattdessen auf Gerechtigkeit, auf einen Richterspruch, der die Lufthansa zur Vernunft einer sozialen Übergangslösung zwingt. Lufthansa, die die Berlin Air gekauft hat und sich die Rosinen herauspickte, aber viele der Crew nicht übernimmt, sondern perspektivlos im Regen stehen lässt.. Ein Skandal, wie kam es dazu und wie kann es sein, dass Herr Winkelmann, der von Lufthansa gesandt wurde, um die Pleite abzuwenden, das aber nicht schaffte und jetzt mit einem Supergehalt von 4,5 Millionen aus der Misere hervorging. War das Absicht, ein gerissenes Kalkül der Lufthansa? Und warum wurden nicht  Emirate Airlines genannt, der Haupteigentümer, der sein Ölgeld nicht mehr in die Fluglinie stecken wollte: Weil die Scheichs zu weit weg sind für TV-Empörung?

Richtung Erziehungsdiktatur
Noch mehr Jamaika-Fallen: Recht auf Ganztagsgrundschule
Das Dumme dabei jetzt live: Keiner wusste Näheres darüber, geschweige denn harte Fakten, also spekulierte man und empörte sich, was sonst. Ist der Fall nicht typisch und geht weit über den Absturz der Air Berlin hinaus? Manager und Chefs bereichern sich jedes Mal an dem Supergau, während die Kleinen, die hart arbeitenden Leute, in diesem Fall die vielen Betroffenen der Crew wie Frau Barbian leer ausgehen und jetzt nicht mehr wissen, wie weiter leben und was wird morgen sein. Vergleiche mit Winterkorn und anderen großen Wirtschaftstieren lagen auf der Hand. Dabei kam Winkelmann der Frau Barbian zuerst „unheimlich menschlich vor.“

Enttäuscht aber war sie, als die Lufthansa beim Abschied nicht einmal die Größe hatte, den armen Freigestellten wenigstens ein paar leckere Brötchen zu reichen. Nichts, kein nettes Wort, nichts. Die Runde bei Maischberger war ratlos, denn sie wussten alle nicht genau, wieso das alles so kommen musste. Hatten nicht Wöhrl und andere Investoren sich um Anteile gerade auch bei den Langzeitflügen beworben, warum bekam Lufthansa allein die Beute, bis auf den Rest, der sie auch gar nicht interessierte. Die Empörung Christoph Lütgerts vom NDR und Frau Janine Wissler von der Linken drohten im Unwissen zu ersaufen.

Rainer Zitelmann, Immobilieninvestor und Publizist, warnte vor unzulässigen Verallgemeinerungen, bei den Terroristen, die Muslime sind, hüte man sich vor einem Generalverdacht, das müsse auch für die Reichen gelten, von denen ja nur eine kleine Minderheit sich moralisch so anrüchig verhalte. Da grätschte ihm Josef Rick zum ersten Mal in die Parade, nein, so würde er das nicht sagen, obwohl auch er „die Details im Fall Air Berlin leider nicht kennt.“

Die Show des reichen Josef Rick

Jetzt kam es bald zu dem kuriosen Event im Talk mit Josef Rick, zunächst aber nutzte Frau Maischberger die Chance, das Ruder herumzureissen und endlich aufs eigentliche Thema zuzusteuern. Kann man sagen, wie der linke Millionenmiterbe des SPIEGEL, Jakob Augstein: „zur Hölle mit den Reichen“ oder darf man wie die Süddeutsche „die Reichen als die Asozialen der Gesellschaft bezeichnen“? Das hörte sich an wie aus einer Schülerzeitung; aber Augstein ist ja auch nur Erbe, nicht Schreiber beim Spiegel. Lütgert, der die Paradise Papers bereits bei Lanz ausschlachtete, bejaht das, denn er empfinde den Skandal, den die Superreichen sich leisten, gerade in dem Umstand, dass die Tricks völlig legal sind. Dass der Betrug an der Allgemeinheit, der Unsummen Steuergelder entzogen werden, moralisch zwar unerträglich ist, aber eben noch verrückter sei es doch, dass dies alles von der Gesetzgebung gedeckt ist. „Das ist der eigentliche Skandal für mich.“

Nichts ist unmöglich
Plant Jamaika höhere Steuern für Spitzenverdiener?
Die Steuergesetzgebung ist so komplex, dass sich darin jede Menge Löcher finden, die von den Reichen einfach skrupellos ausgenutzt werden. Jetzt waren einige große Namen der Sündenböcke fällig, ganz unverschämt der Rennfahrer Hamilton, aber auch der Riese Nike, der seine Schuhe überall in der Welt verkauft, aber die Steuern dafür in der Billigoase Holland bezahlt. Zum Niedrigstpreis. Warum tut die Politik nichts dagegen, Schäuble wird scharf angegriffen. Der spielt den Hilflosen, in Wahrheit verschont er den holländischen Finanzminister, weil der sein Freund ist, aber „die armen Griechen kujoniert er, dass ich mich als Deutscher schämen musste“. Josef Ricks großer Auftritt.
Überraschendes Geständnis oder Selbstanklage ?

Rick findet, dass die Vermögenden über alle Maßen privilegiert werden, kaum jemals Steuern bezahlen. Er demonstriert jetzt einen seiner Fälle als Beispiel, er verkaufte eine seiner Immobilien, die er für 6 Mio vor Jahren erwarb für 10 Mio und bezahlte für den Gewinn statt 600.000 Steuern, weil er es als Geschäft tarnte, lediglich 30.000. Alles höchst legal. Verwirrung, Frau Maischberger aber auch die anderen außer Zitelmann, der den Showmaster wohl näher kannte, schienen irgendwie fassungslos: Warum gesteht er das, verrät sich selbst und prangert andere an, die genauso verfahren wie er. Welche sinistre Strategie.

Zitelmann wehrt sich, greift ihn an, Lütgert bohrt nach, ja „würden sie es heute wieder so machen, oder?“ ich bezahle meine Steuern und zwar 47 %, sagte Zitelmann, ich kenne die Möglichkeit der Steuergestaltung, nutze sie aber nicht. Auch Lütgert wollte jetzt wissen, was Rick mit seinem Beispiel eigentlich bewirken wollte, ob er moralisch jetzt Konsequenzen daraus ziehe. Ich weiß schon lachte Rick, abwinkend „sie wollen jetzt dass ich spende, aber darum geht es nicht..ich will, dass wir diskutieren“, dass die Politik ihre Karten aufdeckt, warum tut sie nichts? Er spielte das raffinierte Doppelspiel, er war der Ehrliche und zugleich der legale Betrüger.

Die Öffentlichkeit täuschen
Was Familiennachzug bedeutet, absichtsvoll im völligen Nebel
Der FDP-Mann Otto Fricke, der es eh am schwersten hatte, kam kaum mehr zum Punkt, was wird die FDP jetzt tun, wenn Jamaika klappt. Wenn er dazu ansetzte, dann fiel ihm Rick ins Wort, denn er war nun am Zuge und gab den Ball nicht mehr her. Janine Wissler, die Linke, strahlte, Rick vertrat sie ja bestens, besser hätte sie gegen die Reichen auch nicht loslegen können.Natürlich brachte sie noch einiges aus dem üblichen Repertoire ihrer Ideologie vor, Themen wie Hartz 4 und die Kitaplätze, die gebührenfrei- aber sinnlos, nichts mehr verfing,

Josef Rick hatte sich den Talk ganz unter den Nagel gerissen, er diktierte nun seine Vorschläge, endlich eine einheitliche Steuergesetzgebung zu erfinden, die gerecht und für jeden und alle gültig, ohne Ausnahme und auch ihm keine Tricks mehr erlaubte. Er sei gespannt auf Jamaika und glaube aber überhaupt nicht an den Mut der Politik ,entschlossen zu handeln. Am Ende, darauf könnte er wetten, stellte ihm die FDP, statt sich sein Geld zu holen, als Belohnung einen Maserati auf den Hof. Er lachte. Otto Fricke kam sich verarscht vor, aber niemand konnte ihm helfen.

War Josef Rick nun ein Zyniker oder ein Gutmensch, oder ein Narr, der die politischen Spiel-Karten vertauschte. Zitelmann kam auch nicht mehr zu Wort, Lütgert gab auf, seine Empörung verstummte, Frau Wissler grinste zufrieden, die Sendung entgleiste vollends. Frau Maischberger, die smarte, riss noch einmal die Augen auf, sie hatte sich das Ganze völlig anders ausgedacht, aber gegen diesen Josef Rick war sie machtlos. Er redete alles nieder. Seine Unmoral war der Trick, mit dem er die armen Zuschauer an den Geräten provozierte, ihm und seines gleichen endlich das viele Geld abzunehmen. Die Politik wird das nicht schaffen.

Wim Setzer ist Kunstkritiker und Journalist.