Tichys Einblick
Journalisten auf Staatslohn

Ist die Liste der bezahlten Journalisten unvollständig?

Bundesministerien, die Journalisten bezahlen, bringen diese in einen Konflikt: Inwiefern handelt es sich um einen Eingriff in die Pressefreiheit? In einem Fall zeigt sich außerdem, dass die Liste der bezahlten Journalisten vermutlich nicht vollständig ist.

IMAGO / Stefan Zeitz

Ist sie die Journalistin Nummer 47? Nach TE-Recherchen deutet alles darauf hin, dass Astrid Frohloff hinter dieser Nummer steckt. Die Journalistin hat eine lange Reise im deutschen Journalismus hinter sich: bei RTL und SAT1, N24, der ARD und zuletzt beim RBB. Sie führte von 2009 bis Ende 2018 durch das ARD-Magazin „Kontraste“.

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Wie so häufig ist Frohloff nur eine Nummer, aber eine, an der mehr hängt. Sechs Mal wird sie in der Antwort an die AfD-Bundestagsfraktion aufgeführt, die die Bezahlung von Journalisten durch Bundesministerien auflistet. Das mag auf den ersten Blick wenig sein. Doch die Recherche führt zur persönlichen Webseite von Frohloff. Wer sie sich ansieht, bekommt mehr geliefert als bloße PR. Die Marke „Frohloff“ wird offensiv als Moderatorin angeboten.

Man kann ihr eine gewisse Bewunderung kaum versagen: Frohloff tritt bei vielen auf, die Rang und Namen haben. Üblicherweise findet man auf Konzerten die Namen der Sponsoren am Eingang. Auf Frohloffs Website finden sich Ministerien als Aushängeschilder, für die sie bereits moderiert hat. Es verträgt sich im „besten Deutschland aller Zeiten“, wie es Nils Minkmar einst getauft hat, offenbar hervorragend damit, das Logo von ARD und Auswärtigem Amt, von Bundeskanzleramt und NDR, von Bildungsministerium und RBB in nächster Nähe zu positionieren.

Ungewöhnlich ist es nicht, dass Journalisten sich am Ende ihrer Karriere als Moderatoren verdingen. Wenn Frohloff im letzten Jahr Aufträge des Bundeswirtschaftsministeriums annahm, dann ist das nichts Ungewöhnliches. Sie ist charmant, schlagfertig und holt aus den Befragten gerne hervor, was lieber ungesagt bliebe – eine Meisterin ihres Fachs. Problematisch ist daher auch nicht das aktuelle Engagement. Problematischer sind vielmehr die Jahre zuvor. Das ARD-Magazin „Kontraste“ versteht sich als „das kritische Magazin aus Berlin“.

Frohloff hat auch in ihrer Zeit als Moderatorin dieses Magazins Aufträge aus den Ministerien erhalten. Dabei gibt es auch einige Veranstaltungen, die Frohloff im Namen eines Bundesministeriums moderierte, welche das Ministerium aber nicht aufführte. So moderierte sie eine Veranstaltung am 15. Oktober 2018 des Bundeswirtschaftsministeriums (Soziale Marktwirtschaft und Arbeit 4.0). Für diesen Tag nennt das Ministerium jedoch keinen Eintrag in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage. Hat das Ministerium den Kostenpunkt vergessen? Oder hat Frohloff ehrenamtlich moderiert?

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Ähnlich sieht es mit der Vernetzungskonferenz „Kommunale Klimaanpassung im Dialog“ aus. Auch hier übernimmt Frohloff die Moderationstätigkeit, doch die Auflistung der Bundesministerien kennt für diesen Tag keine Vergütung. Auf ihrer eigenen Seite verlinkt sie zudem zum Bundeskanzleramt, was suggeriert, dass sie auch für dieses Moderationen geführt hat. Sollte Frohloff Journalistin 47 sein, dann kennt die Behörde jedoch auch in diesem Fall keine Vergütung – was merkwürdig anmutet. TE hat deswegen beim BMWK und beim BMUV nachgefragt, um den Sachverhalt zu klären. Eine Antwort steht noch aus.

Die AfD-Anfrage reicht nur fünf Jahre zurück. Ein Blick ins Vorjahr verrät: Die Verbundenheit mit dem BMWi dauert schon länger an. Für die „Startup-Night! Gesundheitswirtschaft“ am 30. Mai 2017 hatte schon Brigitte Zypries die Moderatorin Frohloff engagiert. Am 20. Mai 2014 moderierte sie bereits eine Konferenz des Auswärtigen Amtes (Review 2014 – Außenpolitik weiterdenken).

Diese Schlaglichter sagen deutlich weniger über Frohloff aus, denn über die Bundesministerien. So wird die Praxis deutlich, öffentlich-rechtliche Journalisten zu buchen, an sich zu binden und damit eine Routine einzuführen. Üblicherweise ist es die Vierte Gewalt, die insbesondere die Exekutive unter Druck setzt, sie prüft und korrigiert; sie verfügt mit dem Ventil der öffentlichen Meinung demokratietheoretisch über ein geeignetes Mittel, um diese in die Knie zu zwingen.

Das System, das die Exekutive anwendet, ermöglicht dagegen einen Hebel gegenüber der Vierten Gewalt. Sie bringt den Journalisten in einen Konflikt. Was, wenn derselbe Moderator, der letzten Monat noch eine Tagung des Wirtschaftsministeriums leitete, nächste Woche die Arbeit des Wirtschaftsministeriums kritisch infrage stellen müsste?

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Für die erste Reihe der deutschen Journalisten sind Kontakte alles. Ein falscher Bericht nach der gönnerhaften Belohnung, und nicht nur die Aussicht auf weitere Aufträge entfällt – sondern der Ruf der Undankbarkeit hängt einem an. Bereits seit anderthalb Jahrzehnten hat der Ausdruck der „Hofberichterstattung“ wieder Konjunktur. Doch auch bei investigativen Recherchen muss man wissen, was „bei Hofe“ passiert. Das muss nicht nur insinuieren, dass man immer im Sinne des Hofes berichtet.

Besser, man hätte also eine solche Aufgabe nie übernommen. Aber ist es nicht eher so, dass die Ministerien diese nicht erst hätten vergeben dürfen? Man muss auch hier fair bleiben: Eine ganze Reihe an Aufträgen ist einmalig, das Gros der 200 Journalisten auf der Liste hat nur einen Auftrag in fünf Jahren erhalten. Das Zwischensystem, das sich zwischen Journalisten staatsferner Institutionen und dem Staatsapparat etabliert hat, ist weniger eine Verschwörung, denn organisch gewachsenes Gemauschel: Man kennt sich, man hilft sich.

Die Frage bleibt, wie sehr sich das mit den Ansprüchen der sich als Demokratiestütze gerierenden Gebührensender verträgt, deren intern verordneter Staatsferne sowie der Trennung von Staat und Medien. Man kann die bisher „enttarnten“ Journalisten als „Günstlinge“ eines solchen Systems bezeichnen. Doch es verdreht die Perspektive. Der Versuch, sich eine ganze Reihe vornehmlich öffentlich-rechtlicher Journalisten über Gefallen an den ministerialen Steuergeldbeutel zu binden, ist der eigentliche Skandal.

Denn das Beispiel Frohloff zeigt, dass solche Praktiken schon mindestens bis 2014 zurückreichten. Daran schließen sich eine Reihe von Fragen an, etwa, wer in den besonders heißen Jahren der Euro-Krise und der Migrationskrise ähnliche Gelder erhalten hat und in welchem Umfang diese Summen flossen. 2015 hatte es eine mediale Unterstützung der Politik der Bundesregierung gegeben, die Außenstehenden unheimlich erschien. Jeder wäre damit gut beraten, in einer nächsten Anfrage auch die Jahre von 2013 bis 2018 zu belichten. Der staatliche Eingriff in die Pressefreiheit gehört restlos aufgeklärt.

Aktualisierung vom 11. März 2023, 17:45
Astrid Frohloff hat das Magazin Kontraste von 2009 bis 2018 moderiert. Sie ist derzeit nicht mehr für den RBB tätig. Sie hat auch kein Kanzlerduell moderiert. Anderslautende Textstellen wurden dementsprechend korrigiert. Wird danken für den Hinweis und bitten um Verzeihung.

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