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Kristina Schröder bei hart aber fair: „Ungleichheit nicht gleich Ungerechtigkeit“

„Das muss doch jeder Mensch selbst entscheiden und Frauen können das selbst entscheiden.“, so Kristina Schröder emotional wie glaubwürdig in einem längerem Monolog, den sie selbst so zusammenfasst: „Ungleichheit ist doch nicht gleich Ungerechtigkeit.“

Screenprint:ARD/hart aber fair

Frank Plasberg möchte bei Hart aber Fair mit seinen Gästen diskutieren, ob Frauen immer noch die Gelackmeierten sind, wenn es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit geht, wenn Frauen immer noch gegenüber Männern hintenanstehen müssen. Nun müsste doch klar sein: Warum eigentlich sollten Frauen nicht mehr Geld bekommen als bisher? Männern darf das Recht sein, solange ihnen nichts weggenommen wird, schon das christliche Gleichnis vom Weinberg mahnt doch, wie es idealerweise funktionieren muss.

Nein, diese ewige Litanei einer Diskriminierungsbehauptung ist aus einem ganz anderen Grund ziemlich aufgesetzt, wenn der größte Skandal doch darin bestehen sollte, dass die Gesellschaft immer noch darüber mit den Achseln zuckt, dass Männer im Durchschnitt vier Jahre weniger Lebenszeit erwartet, als Frauen.

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Nein, da ist es überhaupt kein Trost, wenn beispielsweise die Ärztezeitung herausgefunden haben will, dass Männer in ihrem kürzerem Leben glücklicher wären. Doch, wir haben ein gigantisches Problem: Männer sterben viel früher als Frauen. Wann will die Gesellschaft endlich etwas gegen dieses verfrühte Massensterben unternehmen? Verschwenden wir zu viel Lebenszeit mit Frauenproblemen, während die Liga der Gentlemen still und leise wegstirbt?

Fragen wir uns doch einmal: Wie viele Millionen investieren die Ministerien aktuell eigentlich, um etwas gegen dieses verfrühte Sterben zu tun? Wie viele Universitäten beschäftigen sich mit der Erforschung und wie viele Männersterben-Beauftragte wurden eingesetzt, diesem frühen Männertod gesamtgesellschaftlich etwas entgegenzusetzen? Dürfen wir überhaupt noch über Geschlechtergerechtigkeit sprechen, solange dieses massive Probelm weiter besteht?

Erschreckend übrigens, zu welchen emotionsarmen wie unempathischen Ausfällen manche Frauen fähig sind, wenn dieses Thema zur Sprache kommt. Probieren sie es einmal aus. Hey Männer, es geht um unser Leben, aber das geht an der einen oder anderen Frau einfach vorbei, als wären vier Jahre nichts oder sogar die verdiente Rache für das Patriarchat unserer Großväter.

Ach so: Würden wir diese fehlenden vier Jahre mit einem Arbeitsleben von vierzig Jahren verrechnen, dann würden Frauen zehn Prozent mehr Lohn bekommen, bzw. vier Jahre länger ihre Renten kassieren. Hier lohnt sich einmal eine Schlussrechnung, wenn immer noch leichthin behauptet wird, Frauen würden weniger Arbeitslohn bekommen als Männer.

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Nun wird so ein Lohn in vielen Branchen unter dem Radar verhandelt, was die Frage aufwirft: Sind Frauen schlechtere Verhandlungspartner als Männer? Oder liegt es mitunter auch daran, dass viele von ihnen ihre Jobs nur als Bonus zum Gehalt des Mannes verstehen, also nicht mit der selben Energie feilschen müssen wie die männlichen Kollegen, die sich noch als Hauptfamilienversorger verstehen: 2017 arbeiteten 95 Prozent der Väter minderjähriger Kinder in Vollzeit und nur 33,5 Prozent der Mütter (Statista).

Heute am Aktionstag „Equal Pay Day“ empfiehlt ein Bento-Artikel bei Spiegel Online Frauen, sich klüger bei Gehaltsverhandlung zu verhalten, denn Studien hätten gezeigt, „dass Frauen um ihr Gehalt im Schnitt weniger hart feilschen als Männer.“

Thema bei Hart aber Fair: „Frauen unter Druck, Männer am Drücker – alles so wie immer?“ Plasberg hat mit Henrike von Platen eine der Mit-Initiatoren des „Equal Pay Day“ eingeladen. An diesem Tag soll einmal im Jahr auf eine Entgeltgerechtigkeit gepocht werden. Also eine zwischen Mann und Frau. Also ein ziemlich konservativer Tag, wenn man bedenkt, dass die vielen anderen neuen Geschlechter hier keine Berücksichtigung finden. Wie steht es denn um die Entgeltgerechtigkeit beispielsweise zwischen Frauen und Transgendern? Eine alberne Frage? Möglicherweise.

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Vielleicht weiß ja Collien Ulmen-Fernandes mehr. Die Schauspielerin ist u.a. Autorin des Kinderbuches „Lotti und Otto: Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram“. Von der Frankfurter Allgemeinen kommt Wirtschaftsredakteur Rainer Hank, und die ehemalige Familienministerin (2009-2013) Kristina Schröder ist ebenso eingeladen, mit zu diskutieren, so wie Psychologe Stephan Grünewald, Autor von „Wie tickt Deutschland?“. Später im Einzelgespräch spricht Frank Plasberg noch mit der angehenden Astronautin Insa Thiele-Eich und Ehemann Daniel Eich (ohne Thiele-), der gerade als „Spitzenvater des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Ob ihm das hilft, die statistisch fehlenden vier Jahre Lebenszeit gegenüber seiner Gattin aufzuholen? Wir wollen es ihm gerne wünschen.

Und nach einer Sendung über Schimpansen geht’s dann endlich los bei Plasberg zum Equal Pay Day. Henrike von Platen startet damit, dass sie es ungerecht findet, dass verschiedene Berufe unterschiedlich bezahlt würden und sie meint es dabei so ernst, wie sie schaut. Der Chirurg soll also das selbe verdienen wie die Müllfrau und die Feuerwehrfrau? Die gäbe es kaum? Stimmt. Dennoch bekommen auch Müllmänner und Feuerwehrmänner weniger als Chirurgen. Und wer einmal eine schwere OP vor sich hat, der weiß auch, warum das potenziell eine ganz gute Idee ist.

Rainer Hank erklärt mal kurz und knapp, wie die unbereinigten 21 Prozent Differenz im Lohnvergleich zustande kommen: „Frauen arbeiten häufiger bei Rewe an der Kasse, Männer beim BMW am Band.“

Plasberg würde gerne die Frage stellen, warum Männer für das Geldverdienen zuständig sind. Folgt anschließend noch die Frage, warum Frauen Kinder bekommen? Wer will es ihm erklären? Keiner.

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Kristina Schröder erinnert derweil an eine andere Art von Bezahlung, die Frauen mehr in Anspruch nehmen würden als Männer, wenn sie flexiblere Arbeitszeiten wünschen, jeden Tag pünktlich nach Hause gehen wollen und bei Dienstreisen nicht so flexibel sein können. Es gäbe, so die ehemalige Ministerin, in manchen Unternehmen stillschweigende Vereinbarungen, dass Frau früher gehen darf, während Mann die Überstunden macht und dafür dann eben 200 Euro mehr am Monatsende bekommt. „Zweidrittel der Überstunden in Deutschland werden von Männern geleistet“, ergänzt Schröder.

Ob Männer auch deshalb vier Jahre früher sterben, weil Frau währenddessen den dringenden Termin beim Arzt einhalten kann und nämlich doch nicht nur nach Hause zum Kinderhüten geht, auch weil oft gar keine Kinder da sind, Stichwort demografischer Wandel?

Henrike von Platen weiß um die Überstunden von Männern, gibt aber zu bedenken, dass diese Überstunden auch besser bezahlt werden, wenn Frau beispielsweise nur in Teilzeit arbeitet.

Schönes Zwischenspiel von Ex-Ministerin Schröder, die oft von Journalisten gefragt worden sei, warum denn nicht ihr Mann, der ja „nur“ parlamentarischer Staatssekretär sei, sein Amt aufgegeben hätte: Antwort Kristina Schröder: „Weil ich dann auch nicht mehr Zeit für meine Kinder habe.“

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Ob sie denn das Gefühl gehabt hätte, damit viele Frauen enttäuscht zu haben. Nein, davon will Schröder nichts wissen, im Gegenteil, viele seien sehr dankbar gewesen, dass jemand dazu steht, dass es auch andere Prioritäten im Leben geben kann. Schröder nervt das Frauenbild in der Equal-Pay-Day-Debatte: „Frauen treffen ihre Entscheidungen. Jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile. Und ja, wenn ich mich für den Beruf entscheide, dann habe ich da meine Vorteile“, aber vielleicht sei es dann eben ein Nachteil, zu wenig Zeit mit den Kindern verbracht zu haben.

„Das muss doch jeder Mensch selbst entscheiden und Frauen können das selbst entscheiden.“, so Schröder in einem emotionalen wie glaubwürdigen längeren Monolog, den sie selbst so zusammenfasst: „Ungleichheit ist doch nicht gleich Ungerechtigkeit.“  Aber hat sie die fehlenden vier Jahre Lebenszeit für Männer vergessen? Ist das nicht auf skandalöse Weise ungerecht? Oder mindestens der Umgang mit dieser ungeheuren Unwucht? Nein, an Frau Schröder richten sich diese Fragen nicht.

Darüber hinaus plätschert diese Sendung leider ziemlich dahin. Hier ist dem Moderator und seinem Team keine aufregende Dramaturgie eingefallen. Und einmal abgesehen von Henrike von Platen hat keiner in der Runde einen zwingenden Mitteilungsbedarf, obendrauf ist die zwar durchweg sympathisch lächelnde Collien Ulmen-Fernandes in Ermangelung irgendwelcher streitbarer Thesen so was wie ein Totalausfall.

Es passt dann zum Ende hin ganz gut, dass Plasberg die Gelegenheit nutzt, ein wenig mit der eingangs erwähnten deutschen Astronautin und ihrem Gatten über das Gefühl der Schwerelosigkeit zu plaudern und zu plaudern und zu plaudern, als befände man sich schon auf der Aftershowparty bei Sekt und Mettbrötchen.

Dann aber doch noch einmal Collien Ulmen-Fernandes. Die hat einen Film gemacht über Stereotype schon bei Kindern und berichtet über diese rosa und blauen Welten in Spielzeugläden. Das wäre früher noch nicht so schlimm gewesen. Nun sind diese stereotypen Rollenklischees allerdings gerade auch unter Migranten in Deutschland weit verbreitet und sie werden an die Kinder weitergegeben. Dieses übergroße Fass will die Runde allerdings lieber nicht aufmachen, die Probleme von morgen belässt man im Morgen.

Was heute in der Runde kein echtes Problem war: das Anliegen des „Equal Pay Day“. Zu abseitig, zu dogmatisch, zu wenige durchschlagende Argumente. Wäre es hier womöglich besser gewesen, einmal einen Mann zum Anwalt der Frauensache zu machen, möchte man abschließend grinsend die Runde fragen, aber dann beginnen schon die Tagesthemen. Die berichten über einen männlichen Attentäter, der 50 Menschen erschossen hat.