Tichys Einblick
Maybrit Illner

Der Plattenbau lässt grüßen

Kevin Kühnert muss handzahm erklären, warum es die von Scholz versprochenen Wohnungen nicht gibt. Julia Klöckner prangert die Wohnungspolitik der Ampel an und unterschlägt 16 Jahre Merkel. Warum die eigene Wohnung für Familien heute unbezahlbar ist, bleibt da auf der Strecke. Hauptsache: Mehr Vereinheitlichung.

Screenprint: ZDF/maybrit illner
Die Talkshows dieses Landes haben sich auf ein neues Thema eingeschossen: Wohnraum. Einerseits haben wir zu wenig, andererseits haben wir für alle Geflüchteten dieser Welt Platz. Und auch wenn sich inzwischen alle einig sind, dass deutlich zu wenig Wohnraum vorhanden ist, stellt sich dieses Problem nicht als so dringlich dar, dass man nicht mit zig Regulierungen und Vorschriften, Enteignungs- und Mietpreisdeckelungsplänen den Wohnungsbau noch so unattraktiv wie möglich macht. Selbst Illner kritisiert: „Trotz Material- und Finanzierungsnot sattelte die Politik noch drauf: Steuern, Vorschriften, neue Heizungen, Dämmrichtlinien.“

„Bauen, sanieren, mieten – kein Plan gegen Wohnungsnot?“ lautete auch der Titel der Illner-Sendung – und sie verlief genau nach diesem Muster. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert war im Studio. Er ist Mitglied des Bundestags und des Bundestagsausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Seine Qualifikation für diesen Posten dürfte seine Liebe für Enteignungen gewesen sein und der Umstand, dass er ja auch in einer Wohnung wohnt, sofern er jetzt mal langsam eine gefunden hat. Kühnert gegenüber saß Julia Klöckner, die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Scholz' Inszenierung der Politik
Der Gipfel des Schaulaufens
Außerdem sind der Dachdeckermeister und Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks Jörg Dittrich, die Bau- und Energieexpertin Lamia Messari-Becker, der Immobilienunternehmer Christoph Gröner, sowie die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins Wibke Werner eingeladen worden. Eine kurze Hintergrundrecherche hat ergeben, dass die drei unbekannten Gesichter zwar nach keine heimlichen Parteimitglieder sind, aber durchaus ihre parteiischen Momente hatten.

Dachdeckermeister Dittrich wurde 2022 auf Vorschlag der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen vom Sächsischen Landtag in die 17. Bundesversammlung entsandt. Die Expertin Messari-Becker promovierte 2006 mit dem Thema „Konzept zur nachhaltigen Emissionsminderung bei Wohngebäuden im Bestand unter Einbeziehung von CO2-Zertifikaten“, was schon eine bestimmte politische Richtung andeutet. Von 2016 bis 2018 auf Vorschlag der Thüringer Ministerin Birgit Pommer von den Linken Mitglied des Fachbeirates der Internationalen Bauausstellung Thüringen. Messari-Becker wurde aber auch schon mal von Sozialdemokraten abgesägt.

Immobilienunternehmer Gröner ging dieses Jahr durch die Berliner Presse, weil seine Parteispende an die Berliner CDU in Höhe von stolzen 820.000 Euro für Kontroversen sorgte. Geschäftsführerin Werner geriet 2021 in Kritik, da sie in einem Wahlwerbespot der Grünen zu Wort kam. Sie erwiderte damals, dass sie sich auch für Spots der CDU hergeben würde, aber die hätten sie bisher nicht gefragt. Sie „likede“ in der Vergangenheit auch Bundestagsreden der Linken.

Parteisoldat mit Enteignungsphantasie

Kevin Kühnert hatte in dieser Sendung ein typisches Parteisoldatenproblem: Illner kommt auf ein Wahlversprechen von Olaf Scholz zurück, das beinhaltete, wenigstens 400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen. Nun sind es aber blöderweise 2022 nur 250.000 gewesen und für dieses Jahr wird eine noch geringere Anzahl erwartet. Läuft also – wie bei so vielen Scholzeschen Wahlversprechen – nicht so dolle. Von Kevin Kühnert wird nun also verlangt, das ganze Debakel schön zu reden. Der ehemalige Jusos-Rebell ist jetzt nämlich handzahm geworden, da seine Partei den Kanzler stellt. Kevin ist deswegen besonders bürgernah unterwegs, schließlich war ja seine Masche immer seine bereits angesprochene Obdachlosigkeit. Noch letztes Jahr ging durch die gesamte Medienlandschaft die Schlagzeile: „Kevin Kühnert findet keine Wohnung!“ und das schon seit einem Jahr nicht.

Maischberger
Wie viel Staat ist zu viel Staat im Bau?
Nun, wenn ich ein Berliner Vermieter wäre, würde sich ein Genosse mit Enteignungsphantasien auch nicht gerade als mein Traum-Mieter qualifizieren, egal wie sicher sein Einkommen ist. Da geht einmal das Licht nicht und ich stehe als Miethai in allen Zeitungen und werde als Negativbeispiel vom Arbeiteraufstand missbraucht. Aber Kevin ist ein braver Parteisoldat. Dass man das 400.000er-Ziel nicht einhalten wird, hat man bereits Anfang der Woche transparent kommuniziert, da kann man der SPD ja nun keinen Vorwurf machen. Und vor allem ist das mit dem Wohnungsbau ja nicht wie mit dem Einkaufen im Supermarkt, und die Bauministerin baut die Wohnungen natürlich nicht selbst. Schuld sind wie immer die anderen – aber dass die Politiker die Wohnungen nicht selbst bauen würden, konnte Olaf Scholz ja nicht wissen, als er ganz vorlaut Wahlversprechen gemacht hat.

„Wenn sich Bauen nicht mehr lohnt, dann hören Wohnungsbaufirmen auf zu bauen. Was tut die Regierung dagegen?“ Kevin Kühnert gefällt diese Frage nicht. Klar, sie enthält ja auch marktwirtschaftliche Logik, die man nicht nachvollziehen kann, wenn man durch den Aufruf zur Enteignung großer deutscher Konzerne berühmt geworden ist. Wie sich herausstellt, geht er schon mit der Behauptung nicht mit, dass Bauen sich nicht mehr lohnen würde. Er sieht die Lage vielmehr so: Bauen lohnt sich lediglich nicht für Aktienunternehmen, die Rendite erwartet haben, aber Genossenschaften sind anders aufgezogen und haben dieses Problem, soweit der Staat sie mit bezahlbarem Baugrund und guten Förderlinien ausstattet.

Staatlich vereinheitlichtes Bauen für mehr Wohnraum?

Sein Redebeitrag trifft auf viel Widerspruch aus der Wirtschaft, bestehend aus dem Immobilienunternehmer und dem Dachdeckermeister. Jörg Dittrich korrigiert: „Wir sind in einer Phase, in der keiner mehr baut. Und ich kenne auch genügend kommunale Gesellschaften, die auch nicht mehr bauen.“ Gröner fordert: „Sie müssen es fertig bringen, dass wir bauen ohne dass wir Förderung bekommen. Nicht wir wollen eine Förderung, wir wollen Menschen, die sich eine Wohnung leisten können.“ Damit schneidet er einen wichtigen Punkt an, der in der ganzen Wohnungsdebatte immer vergessen wird. Es ist nicht lange her, dass sich ein Familienvater mit ganz normalem Job seine Familie samt Einfamilienhaus und Hund alleine finanzieren konnte. Heute arbeiten typischerweise Papa und Mama und können sich gerade so die Mietwohnung leisten. Was da genau schief gelaufen ist, das fragt in dieser Debatte niemand. Man spricht nur über ein Symptom – die unbezahlbaren Wohnungen.

Julia Klöckner mag ja ab und zu mal als eins der konservativeren Gesichter innerhalb der CDU auftreten, aber auch sie kämpft wie Kühnert mit dem gleichen Problem: Am Ende ist man doch der Parteilinie am nächsten. Sie glaubt, eine CDU-Regierung wäre besser als die Ampel, denn: „Wir wären weitergekommen als die Ampel-Regierung. Denn die Ampel-Regierung hat in nicht einmal zwei Jahren ein Förderchaos hingelegt.“ Die Argumentation, dass die anderen einfach schneller Mist bauen, während man selbst ja wenigstens ganze 16 Jahre gebraucht hat, ist jetzt nicht so treffend. Die CDU verliert immer wieder Glaubwürdigkeit, wenn sie den Schaden, den ihre Regierung angerichtet hat, einfach wegleugnen will. Denn bei aller Kritik an der Ampel-Regierung: Das Deutschland von heute ist nicht alleine ihr Werk. Die CDU hat unter Merkel gemeinsam mit der SPD ganze Vorarbeit geleistet.

Nun hat man in dieser Sendung viel über ein zu wenig geredet. Doch ein Redebeitrag von Kevin Kühnert macht dann doch Sorge vor einem zu viel an einer gewissen Stelle: „Wir müssen das serielle Bauen voranbringen. Wir machen zu viel in Manufaktur.“ Ich bin sicher nicht die einzige, die da an Plattenbauten denken muss. Das ist natürlich alles nur Spekulation meinerseits aber Sozialdemokraten sind jetzt nicht so besonders für ihren guten Geschmack bekannt. Wenn eine linke Regierung sich in das serielle Bauen einmischt, dann kann das doch nur in Plattensiedlungen mit Solarpanels, Sonnenblumengärten und einem Bad pro Etage mit Warmwasserregulierung enden. Besonders Hoffnungen macht da dann auch der Vorschlag von Julia Klöckner nicht. Sie überlegt „ob man wirklich stärker auch bundeseinheitliche Standards für die Bauordnungen auch hinbekommt“.

Vereinheitlichung ist nichts, was man gerne in diesem Zusammenhang hört, wenn man sich die letzten Änderungen anschaut, die das deutsche Bauen in letzter Zeit durchgemacht hat. Dass die deutschen Bauordnungen sperrig und überarbeitungswürdig sind, glaube ich gerne. Aber dass Kevin Kühnert vorne weg und auch Lamia Messari-Becker dem Vorschlag übereifrig zustimmen, macht doch misstrauisch – die neue Plattenbewegung lässt grüßen.


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