Tichys Einblick

Bei Illner: Dammbruch oder Atombombe?

Was Sie über die zwei Hauptherren dieses Illner-TV wissen müssen, ist eigentlich nur, dass Omid Nouripour wahrscheinlich noch nie in seinem Leben einen originellen Gedanken im Kopf hatte - was wohl auch der Grund ist, weshalb er so gerne die Aussagen anderer Politiker zitiert - und dass Claus Kleber schon mal in den USA war.

Screenprint ZDF / Maybrit Illner

Die letzten Monate habe ich bei so ziemlich jeder Illner-Sendung kritisiert, dass es langweilig ist, wie sehr sich die Themen, die Gäste und die Thesen wiederholen. Inzwischen langweile ich mich mit dieser Kritik schon selbst. Das hier ist nicht einmal mein erster Artikel mit Atombombe im Titel. Aber mir sind leider die Hände gebunden – ich kann es Ihnen, liebe Leser, nicht ersparen. Denn die deutschen Rundfunkbeitrags-Zahler verdienen zu erfahren, was jeden Donnerstag um 22:15 im ZDF mit ihrem Geld verbrochen wird.

In jeder Staffel werden einfach immer die gleichen Nachbarn einmal die Straße hoch und runter eingeladen, weil selbst beim stellvertretenden Schriftführer des Bürgermeisterbüros des Dorfes immer nur die Mailbox rangeht. Wenn kleinere Sender in ihren Shows die Gäste wiederholen, weil sie nur begrenzte Ressourcen haben, ok. Aber bei Illner kommt selbst der Bundeskanzler, wenn sie ihn ganz lieb fragt. Der einzige, der außerhalb ihrer Liga ist, wäre vielleicht der Präsident der Vereinigten Staaten oder so. Wobei Sleepy Joe ihr sicher ein Interview geben würde, um dann zu fragen, warum auf CNN plötzlich niederländisch gesprochen wird. Trotzdem war auch die letzte Sendung wieder einmal ein Stuhlkreis der örtlichen Nachbarschaftswache. Zwar mit neuen Gesichten dazwischen, das merkt man aber nur an den Namen.

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So waren mit von der Partie zunächst an bekannten Gesichtern unserer Lieblingsnachbarn der oberste Sheriff der Nachbarschafts-Heizpatrouille Omid Nouripour (hauptberuflich Grünen-Parteivorsitzender) und Rentner, Hobby-Heckenvermesser und Mülltrennungsinspekteur Claus Kleber (ehemaliger Moderator beim ZDF). Was Sie über die beiden Herren wissen müssen, ist eigentlich nur, dass Omid Nouripour wahrscheinlich noch nie in seinem Leben einen originellen Gedanken im Kopf hatte – was wohl auch der Grund ist, weshalb er in der Sendung so gerne die Aussagen anderer Politiker zitiert – und dass Claus Kleber schon mal in den USA war.

An unbekannten Gesichtern haben wir den Nachbarn, der schon seit Jahren direkt nebenan wohnt, den Sie aber noch nie im Treppenhaus getroffen haben Christian Mölling (Militärexperte). Dann diese eine Nachbarin, die immer die Wäscheleine im Hof besetzt und sich wegen Behinderung des Fluchtwegs im Brandfall über Schuhe an der Wohnungstür aufregt, Sabine Adler (langjährige Moskau-Korrespondentin des Deutschlandfunks). Zuletzt dann die Nachbarin, die das Geschehen aller anderen durch die Spitzengardinen beobachtet, während sie so tut, als würde sie ihre Orchideen gießen, Liana Fix (Russland- und Osteuropakorrespondentin eines amerikanischen Thinktanks). Wenn Sie es kurz haben wollen, hatten wir also eine Expertin mit Namen wie aus einem Sherlock Holmes Roman, dann eine mit Namen wie von Asterix und Obelix, einen nichtssagenden Militärexperten ohne Haare und zwei arrogante Männer der deutschen politischen Zeitgeschichte, von dem einer schon mal in Amerika war.

Aufmacher der Sendung war der Dammbruch in der Ukraine. Ausnahmsweise wird das Wort „Dammbruch“ hier mal nicht als skandalisierende Umschreibung für ein politisches Ereignis verwendet, das dem Mainstream nicht gefällt. Denn der Kachowka-Damm brach, was zu massiven Überschwemmungen geführt hat. Obwohl diese Überschwemmungen nichts mit dem Klimawandel zu tun haben, bereitet dieses Ereignis hierzulande vielen Politikern viel Freude. Das liegt daran, dass sie – ob nun ausgelöst durch die Russen, die Ukraine oder was ganz anderes – nicht auf Anne Spiegels Kappe gehen oder irgendeinen anderen Rücktritt verursachen können. Die Anwohner im Ahrtal haben eben Pech, in den direkten Zuständigkeitsbereich ihrer Politiker zu gehören. Gibt es doch nichts, was deutsche Politiker mehr erfreut als Krisen und Probleme am anderen Ende der Welt.

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Ach ja, hatte ich überhaupt schon erwähnt, dass auch diese Sendung wieder mal vom Ukraine-Krieg handelt? „Mit allen Mitteln – neue Dimension im Ukraine-Krieg“ lautete der Titel und ich werde in Zukunft einfach nur noch Bescheid sagen, wenn es mal zur Abwechslung nicht um dieses Thema geht. Ehrlich gesagt wundert es mich, weshalb jetzt von neuen Dimensionen gesprochen wird. Es ist ja nicht das erste Mal, dass in diesem Krieg irgendwas gesprengt wurde oder worden sein soll. Als aller erstes wurde in der Sendung Liana Fix zu der Sprengung des Staudammes befragt. Es gibt schließlich niemanden, der dazu mehr weiß, als eine Politologin in einem Thinktank in Washington.

Sie schiebt die Schuld wie alle in der Sendung auf die Russen. Wie schon bei der Pipeline sollen sie den Damm gesprengt haben. Ganz ehrlich – was täte der deutsche Politik-Bubble auch ohne diese kleinen Rätsel, die Putin immer extra für sie hinterlässt. Die Debatten dazu in den Kaffeepausen sind wirklich nur zu spannend anzuhören. Normalerweise würde man einfach fragen, wem es am meisten nützt und der Spur des Geldes folgen. Doch das wäre zu einfach. Deshalb steigt man direkt ein, bei der doppelten Psychologie. Und die kommt dazu, dass es Putin gewesen sein muss, der auf sich selbst schießt, um es anderen in der Schuhe zu schieben. Aber es geht noch weiter. Was ist, wenn es doch die Ukrainer waren, weil sie wussten, dass man Putin zutrauen würde, er würde den Damm sprengen, um es auf die Ukrainer zu schieben? Naja, aber was wäre denn, wenn Putin gewusst hatte, dass es zu auffällig wäre, wenn jetzt der Damm gesprengt wurde, nachdem die Ukrainer davor gewarnt hatten, demnach hätte man es also den Ukrainern zugeschoben, als Versuch es den Russen zuzuschreiben? Und so weiter.

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So sehr wurde das in der Sendung nicht ausdiskutiert. Das bringt zwar alles auch nichts, allerdings hat sich die Nachbarschaftswache das ganze auch zu einfach gemacht. Die haben das Ganze direkt bei „Es war Putin“ abgebrochen und im Grunde den Rest der Sendung nur noch darüber geredet, wie typisch das für ihn sei. Ehrlich gesagt hat die Ukraine schon ziemliches Pech. Wer uns als Verbündete hat, der braucht keine Feindpropaganda mehr. Hierzulande macht man sich den Konflikt so leicht, dass man gar nicht pro Russland sein muss, um eine Abneigung gegen dieses Berichterstattung zu entwickeln. Es reicht kritisches Denken und Realismus aus. Nehmen wir zum Beispiel die Äußerung der Ex-Moskau-Korrespondentin Adler. Die hat sich nämlich mit der Frage auseinander gesetzt, weshalb Putin das machen würde, wo es ihn doch selbst hart trifft. Ihre Antwort: Sie glaubt nicht, dass er überhaupt so weit gedacht hat, sondern nur die Ukrainer zurückschlagen wollte.

Klar, wie Trump seinerzeit ist der poltische Gegner immer einfach dumm. Dass man seinen Gegner nicht unterschätzten sollte, haben Journalisten und Politologen hierzulande nicht verstanden, denn bei unseren Kämpfen geht es nie um Leben und Tod. Zum Glück haben die Diskussionen bei Illner also keinen Einfluss auf den tatsächlichen Kriegsverlauf. Noch viel fataler ist die Logik, wenn sie weiter gesonnen wird. Denn der strohdumme Blödmann ist gleichzeitig ein bösartiges Genie, wie man sie nur aus James Bond kennt. Er ist kaltherzig, brutal und dunkel – und bereit eine Atombombe abzufeuern. Zumindest spielt er mit unserer Angst, er könnte es tun. Naja, vielleicht auch nicht. Vielleicht versteht er die Folgen der Atombombe auch gar nicht und wollte einfach nur die Ukrainer zurückschlagen.

Wie auch immer – Nachbarschaftstreffen beendet. Wer seine Hecke nicht schneidet, ist so schlimm wie Putin, und vergessen Sie nicht, den Müll zu trennen – wir überprüfen das!

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