Tichys Einblick
Bei Plasberg Wohnungen in Not

hart aber fair: Schlossallee oder Badstraße

Ein Zwiegespräch zwischen Gerhard Matzig, Architektur-Journalist der Süddeutschen Zeitung, und Klaus Peter Hesse, früher hanseatischer CDU-Politiker und heute Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses, hätte mehr gebracht.

Screenshot WDR

Eigentlich wollten wir bei hart aber fair passen. Zumal parallel die Geissens ihre Kinder Ferrari fahren lassen wollen. Und zum x-ten Mal Graf Lambsdorff Junior klang dann einfach nach zu viel zu wenig. Noch mit dabei bei Plasberg ist Gerhard Matzig. Der ist Architektur-Journalist bei der Süddeutschen Zeitung. Matzig soll nun mit einordnen, was es auf sich hat mit den steigenden Mietpreisen. Und was man gegen die explodierenden Mietpreise tun kann. So jedenfalls die Themenstellung bei hart aber fair.

Einfach schneller bauen? Kann Deutschland nicht, wusste Matzig schon 2016, als er schrieb: „Deutschland hat das Bauen verlernt.“ Das Kanzleramt beispielsweise sei schon nach fünzehn Jahren marode. Lag es an der Hauptmieterin? Erzählt Matzig nicht. Er weiß einen besseren Grund, warum das Kanzleramt verrottet: Die Krähen sind schuld. „Diese sollen nämlich schwarmweise Steine auf die Solarmodule auf dem Dach fallen lassen.“ Zum Kringeln, oder?

Weniger kringelich findet das alles wohl Klaus Peter Hesse. Der hanseatische CDU-Politiker mit seinem tiefem und lauten Bariton ist heute Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses. Und der hatte neulich erst einen Preis verliehen an Architekturstudenten, die sich um „Neue Nachbarn: Integrative Wohnkonzepte für Flüchtlinge“ bemüht hatten. Planspiel war ein Flurstück nahe Bonn. Die Dame in der Runde kommt von den Linken. Die Mietexpertin der Partei heißt Caren Lay. Fehlt noch der Mann aus dem Volk: Thomas Hafner ist ein Familienvater, der eine bezahlbare Wohnung in Frankfurt sucht.

Plasberg hätte auch noch Manfred Neuhöfer einladen können, der gibt nämlich Seminare für Vermieter mit dem Titel: „Umgang mit Mietern aus dem Orient.“ Dort erfährt man dann, warum sich – kein Witz – männliche Orientalen den ganzen Tag über in der Grünanlage herumtreiben: „Das Haus gehört tagsüber den Frauen.“ Aber Neuhöfer beruhigt in den Seminaren seine Immobilienbesitzer: „Gruppen unbeschäftigter junger Männer sind immer und überall problematisch.“ Na dann. Aber Neuhöfer ist nicht eingeladen bei hart aber fair.

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Los geht’s. Der Moderator eröffnet mit der Frage: „Wenn Wohnen unbezahlbar wird, was muss die nächste Regierung tun? Sind da nur Miethaie auf Beutezug? Da tickt eine Zeitbombe!“ Thomas Hafner wohnt auf 63 Quadratmetern mit Tochter und Ehefrau und findet es viel zu klein. Er berichtet von Massenbesichtigungen von fünfhundert Bewerbern für eine Wohnung. Er arbeitet Vollzeit, seine Frau zusätzlich auf Dreißigstundenbasis. Er kann ein Drittel des Nettoeinkommens für Wohnen investieren, was 900 Euro entspräche. Die Familie verdient also 2700 Euro netto. Kein so schlechtes Einkommen für drei Personen, will man denken.

Klaus Peter Hesse aus der Immobilienwirtschaft will schnell Wohnraum schaffen für alle Schichten der Bevölkerung. Bauen, bauen, bauen, Regulieren mache keinen Sinn. Caren Lay von der Linkspartei fragt, ob die deutschen Innenstädte wirklich den Reichen als Wohnraum vorbehalten bleiben soll. Frau Lay wohnt priviligierter, erfährt Plasberg. Ja, das wäre schön gewesen, hart aber fair, wenn jeder seine Wohnung auf den Tisch knallen müsste als Eintrittskarte für die Sendung.

Gerhard Matzig glaubt, das die Innenstädte mit ihren High-Class-Wohnungen klinisch sterben. Da wird gekauft und nicht gewohnt. Immobilien als Renditeobjekt. „Russen, Chinesen und Dänen sind das in Berlin“, weiß Graf Lambsdorff Junior. Klaus Peter Hesse stellt klar, dass die Linkspartei Bauflächen über Bürgerentscheide boykottiert wie den Tempelhof in Berlin. Kein Platz mehr zum Flanieren? Alles nur noch potentielles Bauland? Für wen? Für Spekulanten oder für Bürger?

Wohnraum ist Menschenwürde, erinnert Matzig. Es gäbe doch ein Recht auf Wohnen. Alexander Lambsdorff möchte den Blick nun aber lieber nach Holland richten. Da wäre mehr Wohnraum entstanden, weil die Kommunen mit den Planungsbüros zusammengearbeitet hätten. Schneller, weniger bürokratisch, Umweltschutz und bezahlbarer Wohnraum besser zusammenbringen.

Einspieler zum Stichwort Mietpreisbremse: Seit Einführung des Gesetzes sind die Preise stärker gestiegen als zuvor. Die Vermieter hätten etliche Schlupflöcher gefunden. Klaus Peter Hesse findet die Bremse sowieso Opium für das Volk. „Die Knackfrage ist,“ sagt Plasberg: „der Vermieter muss den Mietpreis des Vormieters nicht sagen. (..) Als Mieter muss man sich heute nackig machen.“

Klaus Peter Hesse will ein anders Klima für den Neubau, keine Regulierung. Frau Lay findet, man darf die Frage nicht reduzieren auf „mehr bauen“. Es würde soviel gebaut werden, wie nie zuvor, aber davon seinen nur 10 Prozent für Normalverdienende bezahlbar. „Wir brauchen ein Instrument, das mindestens die Mieten deckelt für die, die schon Mieter sind.“ Der Vermieter müsse Strafen fürchten, tut er aber nicht. Klaus Peter Hesse bleibt im Infight mit der Linken: „Der Vermieter nimmt doch den, der solventer ist.“ Das Recht hätte er doch noch.

„Gemischte Quartiere tragen zur Lebensqualität bei.“, weiß Hesse weiter. „Es muss über die Konzeptvergabe anfangen. Grundstücke müssen vergeben werden an das attraktive Konzept.“ Das könne die Politik doch lösen. Die Linke stimmt ihm zu. Graf Lambsdorff Junior legt ihr aber noch ein Ei. Jede seltene Raupe, jeder Hamster wäre ein Risiko für eine Genehmigung. Der Linken soll es egal sein, sie ist ja keine Grüne, mit denen muss sich die FDP nun in Jamaika rumschlagen – hart aber fair?

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Gerhard Matzig nennt ein paar Fakten: „Es werden jedes Jahr 250.000 Wohnungen gebaut. Wir bräuchten aber 350.000. Das sind 100.000 zu wenig. Und davon müssen noch 80.000 sozial gebundene Wohnungen sein. Aber die würden fehlen. Das wäre das Defizit. Und 2017 wäre noch weniger gebaut worden als noch 2016. „Die Mietpreisbremse ist so etwas, wie die singende Säge, sie funktioniert nicht wirklich. Was machen denn die Politiker den ganzen Tag? Die sollen handwerklich gute Gesetze machen.“ Aber die Mietpreisbremse ganz abzuschaffen, wäre so, als würde man merken, die Bremse am Auto ist kaputt, also kann man sie gleich ganz ausbauen.

Matzig darf nach 30 Minuten einmal von Beitrag zu Beitrag aufräumen. Plasberg will ihn unterbrechen, erfährt aber; „Sie sind auch gleich dran.“ – hart aber fair. Und Matzig erinnert ihn daran, das der Staat alle seine Wohnbauunternehmen privatisiert hat. „Der Soziale Wohnungsbau ist ausgetrocknet“, weiß nun auch Plasberg. „Wohnungssuchende stecken in einem Tsunami an Staatsversagen“ setzt Matzig noch einen drauf. „Es gibt aber auch ein Marktversagen.“ Der olle Markt nämlich, der nur in den Großstädten Miniappartements für bestverdienende Berufnomaden bauen würde.

„Es fehlen also in den Städten Wohnungen für Familien und junge Menschen. Es fehlen altersgerechte Wohnungen.“ Und nun? Matzig weiß zu allem einen knackigen Satz. Der Mann ist gut. Stichwort „Nachverdichtung in Städten“. In die Höhe beispielsweise. „Paris baut höher als München.“, so der nächste Matziger. Nun aber die Linke, die lange Zeit hatte, Luft zu holen: „Es muss mehr gebaut werden für die unteren und mittleren Einkommen. Wir brauchen einen Neustart im sozialen Wohungsbau. Aktuell werden 15.000 gebaut, aber es fallen auch jährlich 50.000 weg. Wir haben also einen kontinuierlichen Rückgang von 35.000 Wohnungen pro Jahr.“

„Wir müssen das Grundgesetz ändern!“, fordert die Linke nun ganz aufgebracht. „Die Föderalismusreform hat dazu geführt, dass  der soziale Wohnungsbau in der Verantwortung vom Bund an die Länder gegangen ist.“ Und das hätte nicht funktioniert. Was das mit dem Grundgesetz zu tun hat, versteht Plasberg allerdings nicht und schiebt es in den Faktencheck am Folgetag – hart aber fair.

„Ob wir eine Lösung haben, weiß ich nicht“, fasst Plasberg zusammen, „wir haben vor allen Dingen einen Notstand.“

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Aber wo der nun herkommt, was das alles mit den Millionen Neubürgern zu tun haben könnte: nach einer Stunde noch kein Wort dazu. Hatte man da als Zuschauer vor der Sendung eine Idee, dann sieht man hier einen der perfektesten Slaloms der Talkshow-Geschichte. Die Formel Eins auf dem klebrig heißen Ursachenasphalt gewissermaßen. Von Zuwanderung keine Rede – weder hart noch fair. Eine Zuwanderung, die ohne massiven sozialen Wohnungsbau unter Brücken und in Sporthallen wohnen bleiben muss. Bauen, bauen, bauen. Maschinengewehrtempobauen für den inneren Frieden?

Thomas Hafner erinnert noch mal daran, dass nicht alle Familien in Sozialwohnungen leben würden. Die, die etwas mehr verdienen, müssten sehen, wo sie bleiben auf der x-ten Massenbesichtigung. Die Linke ergänzt: Die Hälfte der Familien hätte doch in den Großstädten einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. „Der Gedanke der Sozialwohnungen war ursprünglich auch für die Mittelschichten gedacht.“ Was sie vergisst, sind Millionen Neubürger, die nicht nur Anspruch auf Wohngeld und so weiter haben, sondern die vollversorgt werden müssen, so, wie es die Schlepper versprochen haben. So, wie es die Sozialgesetze vorsehen.

„Es wird keine Regierung geben, die den öffentlichen Wohnungsbau abschaffen möchte.“, interveniert nun Hesse als Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses. Da sagt er was. da müsste sogar das Innenministerium positiv intervenieren, da es die innere Sicherheit zu garantieren hat – hart aber fair.

„800 mal zum Mond und zurück“, dass wäre die Strecke der Pendler in Deutschland. Nicht jedes Jahr, jeden Monat oder jede Woche, nein, Tag für Tag, erzählt ein weiterer Einspieler. Zwei Stunden zusätzlich fahren, wären doch große Defizite. Das allerdings ist exakt der Rahmen, den das Arbeitsamt Arbeitssuchenden zumutet. Eine Stunde hin und eine zurück gilt als unbedingt zumutbar, sagt das Amt und dehnt entsprechend den Suchrahmen aus. Manchmal ist es eben nicht nur die Wohnungslage,  der fehlende Arbeitsplatz bestimmt den Anfahrtweg. „Das was man an Miete spart, muss in den Tank“, ergänzt der Familienvater. Aber ein Recht auf Auto gibt es noch nicht, eines auf Wohnen schon – hart aber nicht fair?