Tichys Einblick
„Hart aber Fair“ vom Montagabend

Die Inflation geht weiter: Mittlerweile acht gegen Willy

Es wird immer schlimmer. Von einer redlichen Diskussionskultur ist Hart aber Fair weit entfernt. Der AfD-Politiker ist der Buhmann des Abends. Er wird ständig unterbrochen, provoziert, in die Ecke gestellt. Von immer mehr Scharfschützen. „Vier gegen Willy“ war gestern. Heute sind es acht. Von Michael Plog.

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Gleich zu Beginn der Sendung wird brav der Rahmen abgesteckt. Dafür hat sich Moderator Louis Klamroth, wieder gekleidet wie ein Pennäler, den die Mutti zum Müllraustragen geschickt hat, die passenden Gäste geholt. 

Wen scheren schon Fakten

Collien Ulmen-Fernandes stellt fest, dass sie früher keine rassistischen Anfeindungen erleiden musste. Aber: „Das hat sich mit dem Erstarken der AfD drastisch verschlimmert.“ Vor der Partei habe sie „riesige Angst“. Sie atmet tief durch. Und verbreitet Fake News. Niemand widerspricht oder rückt ihre falsch wiedergegebenen Aussagen zurecht. So sagt die Schauspielerin, die AfD wolle „die Inklusion behinderter Kinder abschaffen“. Das allerdings hat ein Björn Höcke, auf den sie zielt, nie gesagt. Eher das genaue Gegenteil. Er plädierte vielmehr dafür, sich besser und intensiver um behinderte Kinder zu kümmern, statt sie stumpf ins bestehende Bildungssystem zu pressen.

Nach der Großkampagne "gegen Rechts"
Wirklichkeit und Wahn – Was die neuesten Wahlumfragen verdeutlichen
Einen erfrischenden Eindruck macht Tino Schomann, CDU-Landrat in Nordwestmecklenburg. Klamroth fragt ihn, ob er bei einer der Demos der jüngsten Zeit zugegen war. Doch das Bekenntnis zum woken „NieWiederIstJetzt“, bei dem Hunderttausende gemeinsam mit der Regierung gegen – ja was eigentlich? – gegen die Opposition demonstrieren, dieses Bekenntnis fällt leider aus. War der CDU Landrat also auf einer Demo? „Ja, auf den Bauerndemos“, sagt er trocken. Mist, falscher Pfad. Klamroth kommt das erkennbar ungelegen.Und Schomann setzt noch nach: „Es geht doch um den Extremismus, rechts wie links. Wir brauchen rechts der Mitte wie links der Mitte Parteien. Man muss doch um die Inhalte streiten und nicht um die Parteien.“ Klamroth will ihn stellen, arbeitet sich mühsam an dem stabilen Mann ab. Schomann soll sich von der AfD distanzieren. Klamroth fordert explizit die vielbeschworene Brandmauer ein. Doch Schomann antwortet nur: „Als Landrat bin ich neutral.“ Er arbeite mit allen zusammen, höre sich alle Argumente an, denn: „Von Schweigen und Missachtung wird es nicht besser.“ Wohltuende Worte in einer Sendung, die danach leider immer schlimmer wird.

Denn das neue Sendescript sieht nicht nur vor, dass Politik auf Bürger trifft – danach sah es in der ersten Sendung im neuen Jahr aus – nein, es treffen immer mehr Gäste aufeinander. Acht sind es mittlerweile. Sie werden munter gewechselt, springen an den Labertresen und ins Publikum. Nur einer steht einsam auf weiter Flur: Der Mann der AfD. Diesmal ist es Leif-Erik Holm, der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion. Er schlägt sich wacker, die Übermacht der „demokratischen Gutmenschen“ ist groß. Doch er wird zeitweise in einen Strudel hinabgetrieben, bei dem auch eine rhetorisch starke Alice Weidel Mühe hätte. Vor allem die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor setzt Holm immer wieder zu. Sie fällt ihm ins Wort, pöbelt herum, spielt mit Whataboutism und GlaubIchDirNicht. Bis er fast mürbe ist.

realitätsferne energiepolitik
Die „Energiewende“ ist und bleibt unbezahlbar
Und wenn die Grüne mal atmen muss, springt ein seltsamer Jurist namens Ulf Buermeyer ein, der aus seinem grünen Herzen keine Mördergrube macht. Oder Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Sie ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die Wirtschaft den Schuss offenbar noch immer nicht gehört hat. Müller schiebt allen Ernstes der AfD die Schuld für irgendwelche möglichen Probleme der Zukunft in die Schuhe, ohne zu erkennen, welche Probleme die aktuelle Regierung im Hier und Jetzt mit ihren Steuern, ihrem Bürokratie-Irrsinn und ihrer völlig fehlleitenden E-Mobilitäts-Politik der Autoindustrie einbrockt. Am Ende stimmt sie sogar noch ein Hohelied auf den Euro an. Der hat seit seiner Einführung zwar mehr als 90 Prozent an Kaufkraft verloren, aber nehmen wir es doch mit dem Schlagerbarden Michael Wendler: Egal! Sie können mir später für diesen Ohrwurm danken …
Parteien verbieten ist das Hochamt der Demokratie

Immer wieder will Klamroth auf die Frage hinaus, ob man die AfD denn nun verbieten könne, solle, dürfe, wie auch immer, menno! Collie Ulmen-Fernandes ist leider unentschieden, so ein Mist. Sie fällt damit für weitere Fragen aus. Und Landrat Schomann hat eine erfrischende Meinung, die leider wieder nicht ins Sendekonzept passt: „Ich halte gar nichts davon. Auch 53 Prozent der Deutschen halten nichts davon.“ Schomann spricht noch ein anderes Thema an: Es gebe eine „große Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik der Bundesregierung. Der Frust ist groß.“ Klamroth würgt ihn ab. Das Thema muss leider draußenbleiben.

Noch einen weiteren lichten Moment gibt es in der Sendung, und wieder ist es der Landrat, der die Lampe hält: „Wenn man Helmut Schmidt heute reden hören würde, dann würde man sagen, der ist rechtsradikal“, bedauert er. Aber nix da. Wieder schwenkt Klamroth schnell weiter. Das Thema soll ganz offensichtlich nicht vertieft werden. Stattdessen ein Einspieler, Thema: Die AfD und ihre Einstufung als „gesichert rechtsextrem“.

Bei Caren Miosga: Strompreise kennt er nicht
Robert Habeck hält Taiwan für Thailand, aber wer wird denn so kleinlich sein
Mario Voigt, CDU-Vorsitzender in Thüringen, beschwört derweil alte Zeiten herauf: die Merkel-Ära, ach wie schön. „Als wir noch in der Bundesregierung waren, war die AfD halb so stark“, brüstet sich Voigt. Wenn das die CDU der Moderne sein soll, dann ein herzliches Willkommen in der baldigen Einstelligkeit.

Sehr schön auch der Moment, als Lamya Kaddor den AfD-Mann Holm erneut vergeblich zu stellen versucht. Gerade noch hat sie – fernab jeglicher Manieren oder eines Fünkchens Diskussionskultur – mit dem Satz „Egal was sie hier vorbringen, ich glaub Ihnen kein Wort“ den geistigen Offenbarungseid geleistet, da behauptet sie plötzlich, das Wort „Remigration“ sei doch ein Kampfbegriff, den Identitäre wie der in jüngster Zeit viel diskutierte Österreicher Martin Sellner oder eben die AfD eingeführt hätten. Holm kontert ganz sachlich mit einem Faktum: „In Rostock wird gerade ein Sachbearbeiter für Remigration gesucht.“ Bäm! Das zugehörige Ressort in der Verwaltung heißt übrigens seit sechs Jahren exakt so.

Anzeige