Tichys Einblick
In der Filterblase der üblichen Vorurteile

Hart aber fair: Ein populistischer Plasberg lässt über guten und bösen Populismus diskutieren

Frank Plasberg trug einmal mehr leider seinen Teil dazu bei, dass sich immer mehr Bürger angewidert zurückziehen und nicht mehr mitdiskutieren wollen, wenn Diskussionskultur zu so einer Unkultur wird.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Frank Plasberg lässt bei hart aber fair ein „Endspiel der Populisten“ diskutieren. Im Mittelpunkt stehen Donald Trump und Boris Johnson, der Präsident der USA und der Premierminister Großbritanniens. Wir kommen gleich dazu, wie peinlich das enden kann, wenn Deutsche und Freunde Deutschlands angelsächsische Verhältnisse diskutieren wollen. Und wenn dem Theater ein Regisseur vorsitzt, der schon in seiner Anmoderation alle Stereotype bedient, die man sich nicht ausdenken kann. Selten noch war Frank Plasberg so unerträglich wie hier. Und unerträglich war er oft.

Aber bevor wir seine Einleitung zur Sendung einmal wörtlich zitieren, kurz zum Focus, der heute früh zu hart aber fair folgenden unverschämt dämlichen Absatz formulierte:

»Können aufgeblasene Kreaturen wie Donald Trump in den USA, Boris Johnson in Großbritannien oder auch „Bernd“-Björn Höcke in Deutschland das Volk weiter täuschen? Ja, sie können es. Weil sie es können. Und weil dieses Volk leider viel zu dumm ist. Und doof blinkt. Der US-Präsident lügt, gut mitgezählt, ganze zwölf Mal pro Tag. Auch der britische Premier Boris Johnson nimmt es mit der Wahrheit nicht genau. Wie belegt ist. Und der Faschist Höcke darf jetzt Faschist genannt werden.«

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Es gibt also tatsächlich Redakteure, die abends am Fernseher sitzen, die nachts schreiben und frühmorgens abliefern müssen und die nichts dabei finden, das eigenen Denken einzustellen und die auf eine Weise willenlos dem Objekt ihrer Betrachtung folgen, demgegenüber sie ja eigentlich angetreten sind, eine Kritik zu schreiben. Aber seien wir fair zu Plasberg: Carin Pawlaks – so heißt die Focus-Redakteurin – „Aufgeblasene Kreaturen“ war selbst Plasberg zu dicke. Diesen Focus-Bericht zu hart aber fair muss man sich einrahmen: Die mit weitem Abstand handwerklich schlechteste und in der Tendenz schäbigste Nachberichterstattung, die man sich nicht vorstellen kann, machen Sie sich den Spaß, lesen Sie und staunen Sie, solange dieser Text noch unverändert oder ungelöscht am Netz ist.

Aber kommen wir zu Plasbergs Anmoderation, die – soviel Ehre muss sein – Texte wie den von Focus wohl mit verursacht hat. Die wollen wir ausnahmsweise einmal im Originalton abbilden: Ein Komplettausfall des Moderators gleich zu Beginn seiner Sendung, eine einzige Peinlichkeit in der Annahme, der Zuschauer würde noch jede Dämlichkeit gegenüber den Herren Trump und Johnson feiern. So muss man sich das wohl in düsteren Zeiten vorstellen, wenn sich Pöbel einig ist und einen Anführer findet. Ja, dann gibt es kein Halten mehr:

„Stellen sie sich einmal vor, vor zehn Jahren hätte ihnen jemand gesagt, das diese beiden Männer (eingeblendet ein Bild von Trump und Johnson) nicht als Komiker zufällig vor den Flaggen ihres Landes sitzen, sondern das es die beiden Regierungschefs sind. Und zwar die echten. Sie hätten denjenigen, der das sagt, wahrscheinlich für verrückt erklärt. Und genau das tun wir heute allzu gerne mit Trump und Johnson. Sie für verrückt erklären. Da ist ein bisschen dumm, weil wir als Nachbarn und als Verbündete so oder so mit ihrem Schicksal verknüpft sind. Und weil wir die Menschen, die diese Menschen nach wie vor unterstützen, nicht als verrückt und per Se dumm hinstellen können. Beide Politiker haben viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit und zu demokratischen Institutionen. Nichts Neues. Doch könnten beide jetzt überzogen haben. Der amerikanische Präsident und der britische Premier, beide müssen um ihre Macht fürchten. Aber stehen sie wirklich vor dem Aus? Oder werden Populisten stärker, je mehr ihre Gegner sie stellen? Und verliert am Ende, wer sich an die Spielregeln hält, weil die Zeit den Zockern und den Spaltern gehört?“

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Also wenn Claus Kleber gegen Sebastian Kurz despektierlich war, was ist das dann, was Plasberg hier gegen Trump und Johnson auffährt? Aber vor allem: Warum erinnert der Moderator sich nicht mehr, was er über Jahre in anstrengenden Sendungen durchhecheln musste, als es darum ging, die Politik einer deutschen Bundeskanzlerin zu diskutieren, deren populistische Politik so weit geht – wie später einer der Gäste bei Plasberg auch anmerken wird – das ein Ereignis wie der Gau der Atommeiler in Japan dazu führt, das Angela Merkel ihre bisherige Energiepolitik komplett über den Haufen wirft. Oder die eine Tochter von Migranten, deren Familie Ausweisung droht, vor laufenden Kameras in Ermanglung eigener mütterlicher Erfahrungen empathielos behandelt und zum Weinen bringt und die daraufhin einer Massenzuwanderung über geltendes Recht hinweg Tür und Tor öffnet und damit ein politisches Erdbeben auslöst, das ganz Europa erschüttert, England in den Brexit treibt und Politiker wie Johnson überhaupt erst so erfolgreich gemacht hat.

Also wenn man es einmal so markig formulieren möchte, wie Plasberg seine Anmoderation von hart aber fair, die den Gästen wohl einheizen soll, was allerdings nicht gelingt, weil sich niemand provoziert fühlt, weil alle bei Plasberg sind, so wie die Redakteurin vom Focus mit ihrem Fremdscham auslösenden Text.

Im Verlaufe der Sendung werden auch die echten oder vermeintlichen Rechtsbrüche von Trump und Johnson diskutiert, so, als hätte es die Diskussion um Merkels Rechtsbrüche nie gegeben. Da wird also beim Suppe essen mit dem Finger auf andere gezeigt, die sich bekleckert haben, während man selbst schon komplett besudelt ist.

Wenn Plasberg fragt: „Stellen sie sich einmal vor, vor zehn Jahren hätte ihnen jemand gesagt, das diese beiden Männer nicht als Komiker zufällig vor den Flaggen ihres Landes sitzen, sondern das es die beiden Regierungschefs sind.“, dann darf, nein dann muss man sogar zurückfragen: Stellen sie sich einmal vor, vor zehn Jahren hätte ihnen jemand gesagt, das Angela Merkel eine illegale, vorwiegend muslimische Massenzuwanderung nach Deutschland in die sozialen Sicherungssysteme organisiert, dass sie sich weigert Grenzen zu schließen, obwohl diese Schließungen bereits von den Sicherheitsbehörden organisiert sind, dass sie einem kleinen Mädchen aus Schweden huldigt und damit die Energieversorgung der deutschen Wirtschaft schadet und das sie das Land auf eine Weise nachhaltig spaltet und dafür auch noch die Medien und das zwangsfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen hinter sich weiß, die ihr so willenlos folgen, wie eine Focus-Redakteurin einem Moderator Frank Plasberg.

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Wer war eingeladen? In der Mitten der Theke saß mit Norbert Röttgen der Nachfolger von Ruprecht Polenz auf dem Posten des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Das muss ein seltsamer Posten sein, wenn er solche Twitterkönige wie Polenz kreiert und nun auch schon an Röttgen wirkt, der demgegenüber allerdings immer noch mit seinem Bübchencharme punkten kann, was ihm allerdings auch nicht vor Merkels eisernem Ellenbogen geschützt hat und 2012 so Überschriften produzierte wie diese hier: „Protokoll einer Demütigung“. Norbert Röttgen ist quasi das lebendige Beispiel dafür, dass Merkel schon lange kann, was Trump vor seiner Präsidentschaft eine eigene TV-Show eingebracht hatte: „You’re fired!“ Ach so: Die Focus-Redakteurin schreibt zu Röttgen was richtig Nettes: Er wäre der „souveräne Außenpolitik-Experte der CDU“. Man will es kaum fassen.

Sie sehen schon, der Autor hier eiert die ganze Zeit um die eigentliche Sendung herum. Aber der Einstieg von Plasberg bei hart aber fair musste erzählt werden, denn anschließend passierte kaum noch etwas, das lohnt, erzählt zu werden. Doch irgendwann versteigt sich der ebenfalls eingeladene Politkwissenschaftler Christian Hacke zu einer Hymne auf Bernd Lucke, dem damaligen Gründer der AfD, um in etwa zu beweisen, dass wir die bösen Populisten selbst ins Amt heben, wenn wir die guten Populisten so schlecht behandeln. Was für ein Unsinn von einem weiteren Talkshow-Nomaden, der vor allem damit auffällt, dass er sich selbst gerne reden hört und schon während des öffentlich-rechtlichen Vorsprechens die Wirkung des eigenen Gesagten zu überprüfen scheint, so sehr hört er in sich selbst hinein, wenn er spricht.

Ein lustiger Engländer ist ebenfalls eingeladen, der die ganze Zeit lächelt, lacht und feixt und der so ein spaßiges Deutsch spricht wie Chris Howland, ältere Leser werden sich erinnern, der aber sonst nicht allzu viel beizutragen hat, außer vielleicht, dass Oxford-Dozent und Schriftsteller James Hawes über alles nur lachen kann, weil er weinen weniger attraktiv findet – tatsächlich wird das so in der Sendung besprochen.

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Aber doch: Ein Gast scheint noch alle Sinne beisammen zu haben und dem ist auch nicht durchweg zum Grinsen, der schaut mit Sorge auf die Welt und kassiert dafür von – wir beißen uns hier mal fest – der Focus-Redakteurin folgende Zuweisung: „Ein-Mann-Jubelshow Trumps“. Das ist angesichts der durchaus abwägenden und schlauen Gedanken von Ralph Freund, Sprecher der Republicans Overseas Germany – Verzeihung – geradezu idiotisch.

Freund muss die Diskussion immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen, wenn er zum einen daran erinnert, dass Trump – Johnson findet in der Sendung nur am Rande statt – durchaus Rückhalt im Volk hätte, dass er sogar einiges von dem, was er versprochen hätte, umgesetzt habe. Und dass viele Amerikaner das durchaus auch so sehen würden.

Nein, Trump und Johnson seien nicht die Ursache der Verwerfungen, der Spaltung der Gesellschaften, sondern das Ergebnis, was ein wichtiger Unterschied ist. Die eigentlichen Verwerfungen werden hier aber nicht diskutiert, davon hat Plasberg offensichtlich die Nase voll nach fünf Jahren aufreibender Diskussion rund um Massenzuwanderung und Co., jetzt soll es die nächsten Jahre etwas gemütlicher werden, lustiger, launiger, so Markus-Lanz-mäßig möchte man vermuten, wenn man immer wieder mit anhören muss, wie Plasberg genau in dem Moment abwiegelt, wenn es mal knifflig wird.

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Die weiteren Gäste von hart aber fair unterschlagen wir hier frecherweise entlang ihrer Unauffälligkeiten. Lediglich auf eine junge Frau soll noch hingewiesen werden, die von Plasberg isoliert interviewt wird und die durchaus Verständnis für die Leute in den USA mitgebracht hat, die Trump wählen, die mit diesen Leuten gelebt hat und mit ihnen zur Kirche gegangen ist. Die davon berichtet, dass sich viele Amerikaner in eine innere Migration zurückgezogen haben, weil sie offensichtlich die amerikanischen Pendants zu solchen Sendungen wie die von hart aber fair nicht mehr ertragen – ist das schon ein Ausblick auf die Verhältnisse, die uns auch in Deutschland erwarten, wenn sich die Bürger lieber in ihren eigenen Filterblasen aufhalten, weil sie diese gigantische, amtlich wie staatlich subventionierte Filterblase nicht mehr ertragen?

Frank Plasberg jedenfalls hat einmal mehr leider seinen Teil dazu beigetragen, dass sich immer mehr Bürger angewidert zurückziehen und nicht mehr mitdiskutieren wollen, wenn Diskussionskultur zu so einer Unkultur wird. Halten wir also fest: Es gibt eine bösen und einen guten Populismus. Es gibt Trump und Johnson und über die gute Frau Merkel wird nicht kritisch diskutiert. Und es gibt Frank Plasberg und hart aber fair. Also für die, die nicht schon zu Netflix geflüchtet und dort geblieben sind.

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