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hart aber fair – Der Schwindler sitzt am Tisch

Erinnern Sie sich noch an die Fabel vom Hasen und vom Igel? Der Hase rennt und rennt mit dem Igel um die Wette, aber der ist immer schon vor ihm am Ziel. Armer, dummer Hase!

Screenprint: ARD/hart aber fair

Der Hase ist der Finanzminister. Und er rennt durch Europa, von Nord nach Süd und von Ost nach West auf der Jagd nach Steuern – aber in den Niederlanden oder in Malta, in Irland oder Luxemburg, lacht der Igel und hat schon die Kohle versteckt. Ein blödes Spiel. Ein europäisches Spiel, das wird schnell deutlich.

Bei hart aber fair geht es darum: Wo und wie verstecken globale Konzerne ihre Kohle vor dem Hasen und mästen den Igel? Eigentlich denkt man, ist es ganz einfach. Europa ist, wenn sich die Finanzminister dauernd treffen und verhandeln und verhandeln und verhandeln und verhandeln – aber die Steuerschlupflöcher werden nicht geschlossen. Ganz angestrengt ist Michael Meister – Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er sagt Dinge wie „Kampf aufgenommen“, Chancengleichheit schaffen. Wissen schon, was läuft, aber internationale Absprachen sind halt nicht hinzukriegen. Internationale Daten-Austausch-Programme sammeln alles ein, schwarze Listen werden erstellt, und Journalisten sollen ihre Recherche-Ergebnisse abgeben, damit er ran kann an die Igel, die stachligen. Hart aber fair? Nein, einfach so tun als ob.

Aber einen Sportschuh von Nike zu kaufen, ist einfach – der Spur des Geldes und der Steuern nachzulaufen, ist schwer.

Hart aber fair? Nein, einfach so tun als ob.

Georg Mascolo, der die Redaktion leitet, die aus schwer zu durchschauenden Geldmitteln finanziert wird, ist hinter dem Hasen hergelaufen und hat mit den Paradise Papers einen Scoop gelandet, der in ARD und Süddeutscher Zeitung breit ausgeschlachtet wird. Ohne Zweifel ein verdienstvolles Unterfangen; denn immerhin legt er offenkundige Missstände offen und zwingt die Politik und Steuerverwaltung, sich damit auseinanderzusetzen. Immerhin – auf der winzigen Isle of Man wird gerade der tausendste Privatflieger registriert, und Vielen wäre gedient, so Mascolo, wenn sie mal die Mehrwertsteuer auf eine Kinokarte oder den Wochenendeinkauf sparen könnten. Können sie aber nicht. Nur die Reichen, und das sind nicht unbedingt alle Unternehmen, sondern meist nur gigantische, globale Konzerne, die ihre Größe ausspielen und den kleineren Konkurrenten damit immer weiter davon ziehen. Und Helfer sind die Niederlande, Luxemburg und Malta. Aber warum? Warum machen es insbesondere die Niederländer, eine doch gut funktionierende Industriegesellschaft?

Es ist also schreiend ungerecht. Bekannt das Problem in Europa, bekannt, bekannt, sagt die Steuerprofessorin Johanna Hey von der Uni Köln. Aber eben schwierig zu lösen, und ja, jeder darf Steuern sparen und übrigens lohnt es sich nicht immer. Aber warum ist es so schwierig? Haben wir nicht die EU (die sich mit Europa verwechselt), und jeden Tag noch mehr von diesem EU-Europa, das alles so dolle regelt?

Das liegt daran, dass der Böse mit am Tisch sitzt – Jean Asselborn, der Außenminister von Luxemburg, dem geradezu klassischen Steuerschlupfloch. Asselborn ist einer dieser langjährigen Berufseuropäer, die einem die Lust an EU-Europa so richtig vermiesen können. Er hat eine doppelte Abwehrstrategie gegen alle Vorwürfe, die von Anfang auf ihn einprasseln: Erstens immer beleidigt sein. Man sollte nicht einzelne Länder an den Pranger stellen. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, in Deutschland gäbe es nur Lämmer, und rundherum nur Wölfe. Und übrigens: Er selber brauche keinen Steuerberater.

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Und die zweite Strategie ist, sein Steuerschlupfloch zu beschönigen. Er schämt sich für die Schweinerein, die Luxemburg auch während seiner Amtszeit begangen hat. Und alles, alles habe er geregelt: LuxLeaks, der Vorgänger von Paradise Papers, habe eine Fülle von Reformen ausgelöst. Hart aber fair? Nein, tarnen und täuschen. Er spielt die heilige Hure: Keine Briefkastenfirmen gibt es mehr, Unternehmen müssten Angestellte in Luxemburg haben, eine Direktion in Luxemburg und echte Geschäfte betreiben. Das sagt er alles ziemlich unwidersprochen. Dabei muss man nur kurz nach Luxemburg in seine Europaviertel fahren und entdeckt erstaunliches. Da gibt es eine riesige Anwaltskanzlei neben der nächsten. Wenige Anwälte, wenige Schreibtische, eine große Bewirtungszone – und viele Konferenzräume. Einer neben dem anderen. Bürogebäude über Bürogebäude, Etage über Etage. Was passiert da?
Hart aber fair? Nein, tarnen und täuschen.

Immobilienfonds aus Deutschland, die Frankfurt oder Berlin oder Hamburg fast alle großen Gebäude finanzieren und bauen, haben ihren angeblichen Firmensitz in Luxemburg, im Europa-Viertel, ein paar Minuten vom Flughafen entfernt. Sitz heißt aber nicht, dass dort einer sitzt, das machen die Vorstände und Aufsichtsräte nur ein paar Mal im Jahr. Und schon ist erfüllt, was Asselborn vortäuscht: Geschäftstätigkeit in Luxemburg. Und schon sind Steuererleichterungen fällig, die die Reise nach Luxemburg profitabel gemacht. Hat man Ärger, so sagt mir einer, trifft man am Abend den Finanzminister, und der ist doch so kompetent. Das ist der Vorteil der kurzen Wege und wenigen Kneipen in Luxemburg, der Luxus der Nähe, das überwölbende Dach der gierigen Berufseuropäer. Hier endet die sonst kompetente Recherche und Diskussion von hart aber fair – die offenkundigen Schlupflöcher Luxemburgs, so groß wie riesige Scheunentore, durch die 80 Prozent der deutschen Fonds gefahren werden, werden da nicht dargestellt. Das ist die Kunst von Jean Asselborn, Sozialdemokrat, verwoben, vernetzt, mit deutschen Politikern, immer dabei, mit dem Finger auf angebliche Europafeinde zu zeigen. Es lebt sich gut unter dem Schutzschirm seiner vermeintlichen Europafreunde, die es durch ihr Verhalten langsam, aber sicher zerstören. Er hat ja auch noch seinen Ex-Chef Jean-Claude Juncker auf seiner Seite, den Präsidenten der Kommission der Steuerhinterzieher.

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Trotzdem kommt langsam das Modell unter Druck. Mascolo hat dazu ein paradisisches Paper dabei, wie Steuersparer Apple seine Milliarden sparen will, die von einer Steueroase zur nächsten weitergereicht werden und einfach nicht nach Hause kommen dürfen. Johanna Hey weiß aber, dass diese Steuermilliarden nicht da sind, wo Apple sie anfassen kann, aber auch nicht weg sind: Sie werden halt beliehen und schon sind sie da, wo sie hingehören, allen Tricks zum Trotz. Und die Konsumenten sind zufrieden: es wird nicht ein Einkauf weniger bei Amazon getätigt oder ein Schuh weniger bei Nike gekauft. Reputationsschaden verschwindet unter dem Niedrigpreis. Da bleibt wenig Platz für die Überlegung, ob Steuerwettbewerb nicht vielleicht doch gierige Finanzminister halbwegs in Zaum hält.

Ach ja, da ist noch Sven Giegold von den Grünen, der natürlich an letzteres gar nicht denken mag. Der Staat und möglichst hohe Steuer sind ja gut. Hart aber fair? Von wegen. Er plädiert für eine einheitliche Mindestbesteuerung in EU-Europa. Klingt ganz vernünftig. Aber übersieht eben: Lösungen sind ja nicht da, damit man sie findet in EU-Europa – sondern sie umgeht. Johanna Hey zeigt, man macht ja Gesetze, wenn es gar nicht anders geht, aber man setzt sie nicht in die Tat um.

Der Hase torkelt von Isle of Man nach Malta, von Irland nach Luxemburg. Igel Asselborn grinst. Er hat es wieder einmal geschafft. Er ist schon da.