Tichys Einblick
Schwurbel-Schulz macht weiter

GroKo: Martin Schulz bei Anne Will – Sieger sehen anders aus

Martin Schulz, der angeschlagene Sieger nach Punkten vom SPD-Parteitag in Bonn, gab auch bei Anne Will eine ziemlich traurige Figur ab. Tröstet ihn ein Anruf von Macron?

Screenprint:ARD/Anne Will

Wenn die beiden „Volksparteien“ sich irgendwann zu einer weiteren Koalition zusammenkungeln sollten, dann steht uns was bevor! An dieser Stelle sei nur das kleinste Übel genannt: Die Wortbeiträge eines Ministers Schulz.

Aufgeregtes Geschulze

Diese mit vor Überzeugung bebendem Gesichtsausdruck vorgetragenen Plattitüden, diese emotionsüberladenen Floskeln verlangen selbst einem dickhäutigen Superminister Peter Altmaier alle Contenance-Reserven ab. Da schwadroniert Schulz bei Anne Will wieder mal von „Pflegerinnen und Pflegern“, oder der „alleinerziehenden Mutter, wo die Kinder hungrig von der Schule kommen“, und natürlich von Europa. Spiegel-Redakteurin Christiane Hoffmann war aufgefallen, dass selbst die Genossen auf dem Parteitag das Geschulze so langsam satt hatten, wenn sie es auch höflicher ausdrückte: „Sie haben die Leute nicht erreicht.“ Es sei spürbar gewesen, dass die Nein-Fraktion der emotionale Teil der SPD war.

Nach der Abstimmung ist vor der nächsten
SPD schleppt sich geschwächt in Koalitionsverhandlung
Bei Anne Will sollte sich nach der SPD-Abstimmung zur GroKo (642 abgegebene Stimmen, 362 dafür, 279 dagegen, eine Enthaltung) „Sieger“ Schulz präsentieren, dazu waren Merkels Bester Altmaier, sowie – mit Schulz-Bart – Christian Lindner (FDP) und Christiane Hoffmann geladen. Wie ein Sieger saß allerdings Altmaier, der gutmütige Regierungs-Shrek, da, die Hände häufig zur Merkel-Raute geformt. Endlich könne es weitergehen, er sei auch nicht nervös gewesen wegen der SPD-Abstimmung, der Merkel-Hippster verfolgte die Geschehnisse in Bonn nur gelegentlich auf Twitter und Facebook. Als Hoffmann feststellte, dass Schulz auf der Veranstaltung Versprechungen machen musste, die Altmaier nun halten müsse, lächelte der nur gütig und verwies auf das Sondierungspapier. „Das Papier“, darauf der gehetzte Sieger Schulz, sei „erst der Beginn der Koalitionsverhandlungen, nicht das Ende.“ CDU-Fraktionschef Volker Kauder hatte schon vorher erklärt, dass man gerne noch mal darüber reden könne. Oder, wie Andrea Nahles in Bonn etwas deutlicher formulierte: „Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite.“
Die CDU quietscht gerne sozialdemokratisch

Schulz, das Polit-Emoticon war sogleich im Gefühlvollen unterwegs und kündigte an: „Wir werden konkrete Maßnahmen zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin verlangen.“ Gemeint ist die unterschiedliche Behandlung gesetzlich und privat versicherter Patienten. Martin geht davon aus, dass „den Bürgerinnen und Bürgern“ demnächst in jedem Ein-Stern-Hotel der gleiche Service wie in dem von ihm bevorzugt bewohnten Fünf-Sterne-Hotel gewährt wird, um das mal in seine Lebenswirklichkeit zu übersetzen. Brave New World. Dann diktierte er Altmaier noch „befristete Beschäftigung“ und „Familiennachzug“ frisch ins GroKo-Aufgabenheftchen. Der konterte halbherzig mit den „Bedenken vieler SPD-, FDP- und CDU-Bürgermeister“, die bereits Land-unter meldeten.

Lindner, recht entspannt, geht davon aus, dass die Kanzlerin alles abnicken wird, was der Amtsverlängerung dient. Die Union sei, wie schon bei Jamaika, „eher ein Scharnier“. „Weil sie keine eigene Meinung hat“, ergänzte Hoffmann. Merkel quietscht eben gerne sozialdemokratisch, wenn es um ihren Job geht.

Grenzenlose Politik
SPD-Parteitag zur GroKo: Ein schwarzer Tag für Deutschland
Sodann führte Lindner Schulz geschickt auf Blitzeis, indem er die „Debattenkultur in der SPD“ lobte. Überhaupt seien wir in der Phase, in der viele sagen „Weiter so – nein, danke!“ Die Menschen wollten Aufbruch und neue Gesichter, jetzt in der SPD genauso wie bei der CSU (Söder) und den Grünen (Parteivorstand ausgetauscht). Dass er selbst bereits eines der neuen Gesichter ist, setzte er kokett als bekannt voraus. Schulz fiel zum Aufbruch wieder nur der „Pfleger“ ein, und er brach nach dem Lindner-Satz „Wer regiert denn seit vielen Jahren?“ unter dem Beifall des Auditoriums hilflos ein. Gurgelnd schnaubte er von schrecklichen Verhältnissen in NRW, redete sich derart in Rage, dass Altmaier mit dem Rettungsring beispringen wollte, als Anne Will lachend die Kakophonie beendete – die Sendung würde zum ersten Mal in Gebärdensprache übersetzt, da könne kein Dolmetscher folgen. Die Episode zeigte überdeutlich: Schulz ist nicht schlagfertig, er kann nur Hülsen.
Immer wenn es klingelt: Macron

Ausgerechnet Altmaier fing dann mit Europa an, als er (stolz?) sinngemäß erzählte, die EU-Finanzminister fragten ihn schon dauernd, wann denn endlich frische Kohle aus Germoney rüberkäme. Europa? Schulz! Aber selbst dieses Heimspiel versemmelte der arme Kerl grandios. Vielleicht hat er immer noch keine Berater mit erkennbarem Niveau. Die hätten ihn sonst auf die abendliche Schlagzeile von Bild-online hingewiesen: „Häme auf dem SPD-Parteitag. Warum prahlt Schulz immer mit Macron-Anrufen?“ Was soll ich Ihnen sagen, liebe Leser? Schulz prahlte in der Sendung wieder mit einem Macron-Anruf. Dabei hatte ihm Bild in der oben genannten Geschichte noch reingedrückt: „Macron ist Sigmar Gabriels Kumpel. Und noch viel öfter ruft Macron ganz wo anders an: bei Kanzlerin Angela Merkel.“

Nun geht es also in Koalitionsverhandlungen. Wir wollen hier gar nicht weiter auf die sogenannten Streitpunkte eingehen, sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie aufgeschrieben werden. Und auch die kleinen Nickeligkeiten wollen wir überspringen, wie die „Residenzpflicht und Sachleistungen“ für Migranten, die angeblich Scheuer und Dobrindt in die Sondierungsvereinbarungen reinmogeln wollten. Jetzt ist die CSU am Zug, und dann die SPD-Mitglieder. Öffentliche Demontage aller Beteiligten garantiert.

Nein, wir berichten hier vom Martin-Schulz-Tag, und da gab Lindner dem Helden noch eine Kröte mit auf den Weg: „Mut heißt auch zu sagen: Du wirst nicht Minister.“ Ein beschissener Tag für Schulz, den Sieger.