Tichys Einblick
Von Medien, der Wahrheit und sonstigen Irritationen

FakeNews, NoNews, RealNews

Der tatsächliche oder auch nur gefühlte Mainstream will bedient sein und weiter sich an ihm bedienen, weil mit ihm die gefühlten Wirklichkeiten seiner Kunden bedient zu werden scheinen.

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Das mit der Wahrheit ist so ein Problem. Im Volksmund hat sie „viele Gesichter“ – was selbstverständlich ziemlicher Unsinn ist, denn die Wahrheit – soll sie denn tatsächlich wahr sein – kann immer nur ein Gesicht haben. Tatsächlich meinen die Leute deshalb auch meistens dann, wenn sie „Wahrheit“ sagen, nichts anderes als die Wirklichkeit. Ihre Wirklichkeit. Denn die Wirklichkeit als das, was wir als die uns betreffende Realität wahrnehmen, hat tatsächlich viele Gesichter. Oder besser: Viele Sichtweisen. Denn ein jeder sieht seine Wirklichkeit so, wie er sie sehen möchte. Dadurch wird sie häufig zu dem, was er als „Wahrheit“ betrachtet – was aber damit eben nicht das Geringste zu tun haben muss.

CNN, Trump und die Russen

Ähnlich stellt sich die Situation derzeit in den USA dar. Dass dort einige Medien dem neu gewählten Präsidenten nicht wohl gesonnen sind, ist bekannt. Dass Donald Trump selbst auch ein – nennen wir es angespanntes – Verhältnis zu den Medien hat, ebenfalls. Trump, „The Donald“, sieht sich seit geraumer Zeit einer „Hexenjagd“ ausgesetzt. Den Schwerpunkt der Vorwürfe dieser „Hexenjagd“ bildet die Behauptung, er oder führende Mitglieder seines Teams hätten während des Wahlkampfes mit den Russen geklüngelt. Trumps erster Sicherheitsberater Michael Flynn musste in dieser Sache bereits seinen Hut nehmen. Nicht jedoch, weil er tatsächlich Kontakte zum russischen Botschafter gehabt hatte, sondern weil er dieses gegenüber dem Vizepräsidenten Mike Pence verschwieg. Da sind die Amerikaner knallhart: Wer in offizieller Funktion die Unwahrheit sagt, ist untragbar. Und so sind nun tatsächlich nicht nur einige Medien eifrig darum bemüht, dieses auch „The Donald“ anzuhängen.

Eine Speerspitze in dieser – nennen wir es Kampagne, die den Präsidenten zu Fall bringen soll, stellt seit geraumer Zeit der „Nachrichtensender“ CNN – Cable News Network (auf deutsch: Kabel Neuigkeiten Netzwerk – ähnlich jenen Konstrukten, die seit geraumer Zeit als „investigative Redaktionsnetzwerke“ auch durch deutsche Wohnstuben geistern).

CNN, 1980 von Ted Turner gegründet und heute Teil des Medienkonzerns Time Warner, hat einen seiner Schwerpunkte auf eben jene Russland-Connection des ungeliebten Trump gelegt. Regelmäßig werden dort die angeblichen oder tatsächlichen Verbindungen des Trump-Teams zu Wladimir Putin ebenso hochgefahren wie die russische Einflussnahme auf den US-Wahlkampf – sozusagen ähnliche Power-Hits wie die in deutschen Medien als „Flüchtlingskrise“ dauerpräsentierte Völkerwanderung aus Afrika.

Die Quote bestimmt

Jüngst nun tauchte im Netz der Spot des nicht an die Mediengiganten gebundenen Bloggers James O’Keefe aus dem Trump-Lager auf, in dem ein John Bonifield, Produzent für CNN, nicht ohne Sarkasmus feststellt, dass das Trump-Bashing mit der Russland-Connection maßgeblich von Einschaltquoten gesteuert werde. Das Publikum des Senders, der den oppositionellen US-Democrats nahestehen soll, wolle vor allem Trump-Kritik sehen. Da CNN mit seinem News-Kanal in den Einschaltquoten deutlich hinter dem 1926 gegründeten Platzhirsch NBC (National Broadcasting Company – Nationale Rundfunk Gesellschaft) liege, sähen die CNN-Chefs nun eine gute Chance, aus dem Einschaltkeller herauszukommen.

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Also habe der Produktionsleiter immer wieder deutlich gemacht: Die Russland-Story sorgt für Quote, also hat sie Vorrang vor allem anderen. Wenn der Präsident von „Hexenjagd“ spreche, sei ihm insofern durchaus zuzustimmen. Denn bislang gebe es keinen einzigen „echten Beweis“, und auch die Ermittlungen des FBI könnten sich als „bullshit“ herausstellen (schwer zu übersetzen – am ehesten mit dem beliebten Sch…-Wort).

Tatsächlich – da hat Bonifield recht – ist bislang überhaupt nichts bewiesen. Allerdings hat das FBI wiederholt deutlich gemacht, dass es über konkrete Beweise verfüge, die den gezielten Versuch Putins, die US-Wahlen zu beeinflussen, belegen würden. Ob und was letztlich an diesen Behauptungen ist – und vor allem, ob und in welcher Weise Trump persönlich in diese Versuche oder gar in eine mögliche Russland-Connection verwickelt ist, soll im Auftrag des Senats Sonderermittler Robert Mueller klären. Ergebnis: offen.

Quote ist Geld

Tatsächlich stehen nicht nur bei den US-Medien längst die Einschaltquoten deutlich über Wahrhaftigkeit. Denn Quote ist Geld. Je höher die Einschaltzahlen, desto höher die Kosten, die der Werbetreibende berappen muss  – neben Senderechtverkauf für Eigenproduktionen die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Medienunternehmen.

Insofern sind die Aussagen Bonifields, die ohne dessen Wissen und Einverständnis mit versteckter Kamera aufgenommen wurden, nichts Neues. Er liegt nicht falsch, wenn er das mediale Dauerfeuer ohne „smoking gun“ (also ohne einschlägigen Beweis) auf die Quote zurückführt.

In den calvinistisch geprägten USA steht Gewinn vor Fakt. Sind die Fakten nicht so, dass sie Geld generieren, werden sie so gemacht. Überspitzt dargestellt wurde diese Medien-Gier nach Geld bereits 1997 im Bond-Streifen „Tomorrow never dies“, in dem ein US-Medienmogul mangels ausreichend realer Nachrichten einen Krieg zwischen dem Vereinigten Königreich und der Volksrepublik China herbeiführen möchte, um richtig Quote zu machen.

Auch in Deutschland: Keine sachgerechte Berichterstattung

Auch die deutschen Medien hatten sich bereits im US-Wahlkampf von jeglicher sachgerechten Berichterstattung gelöst und das von ihnen gefühlte Anti-Trump-Klima bedient. Geändert daran hat sich nichts – Trump bleibt die Hassfigur deutscher Medien und wie für kaum einen anderen Politiker gilt für den US-Präsidenten die alte Formel des „only bad news are good news“. Denn „schlechte Nachrichten“ – Dramen, Skandale, Katastrophen, Aufreger – sind es nun einmal, was Leser, Hörer und Zuschauer offenbar am meisten interessiert. Wer einmal gesehen hat, wie sich die Menschen auf der Autobahn verhalten, wenn auf der Gegenspur ein schwerer Unfall geschehen ist, muss über menschliche Gaffer-Qualitäten nicht mehr belehrt werden.

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Was Bonifield berichtet, ist weder sensationell noch ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist bestenfalls seine Offenheit. Denn Medien, die ein Massenpublikum erreichen wollen, müssen massentaugliche Signale setzen. CNN hat sich als Widerpart zu NBC positioniert – und NBC kann es sich nicht nur leisten, zurückhaltender zu agieren – es ist ihm dieses auch im Sinne des eigenen Gewinns zu empfehlen. Denn den Löwenanteil ihrer Einnahmen generiert die Company aus völlig nachrichtenfremden „Soaps“ and „Serials“ – tägliches Unterhaltungsfutter vor allem für Trump-Anhänger.

Übrigens ist das, was CNN tut, in einem auf Gewinn orientierten Medienmarkt nicht einmal per se verwerflich – verwerflich ist lediglich, dass CNN so tut, als sei es ein Nachrichtensender, bei dem die objektive Nachricht das Maß aller journalistischen Dinge ist. Denn das ist CNN eben nicht. Für das gewinnorientierte Unternehmen ist die Nachricht nichts anderes als eine Ware, die an den Kunden gebracht werden muss. Also wird die Ware herausgesucht, die das Kundenbedürfnis befriedigt. Und gibt es diese Ware nicht, dann wird sie eben produziert.

Längst auch deutsche Wirklichkeit

Aus dieser faktischen Unvermeidbarkeit bei einem Nachrichtenmarkt, der auf Gewinn orientiert ist und bei dem sich Medien im Sinne der Quote durchaus auch als Brandbeschleuniger für NoNews betätigen können, hatte Deutschland 1949 eine Konsequenz gezogen, die für den US-Bürger jenseits jeglicher Vorstellung steht: Neben den auf Gewinn orientierten, privaten Printmedien sollten seinerzeit die beiden „neuen“ Medien Rundfunk und Fernsehen als Instrumente der Volksbildung ausdrücklich von dem Zwang, Geld zu verdienen, befreit werden. Deshalb schuf die Politik das Instrument des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks, finanziert über Zwangsabgaben des Bürgers, dem dafür als Gegenleistung eine ausschließlich der „Wahrheit“ verpflichtete, objektive Berichterstattung versprochen wurde.

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ARD und ZDF privatisieren
Mit der Wirklichkeit hat dieses hehre Ziel in Deutschland ebensowenig zu tun wie in den USA. Denn längst sind aus den ÖR-Medien nicht minder quoten-orientierte Veranstaltungen geworden, als sie CNN, NBC und Co. darstellen. Schalten sich bei Anne Will oder Plasberg zu wenig Zuschauer zu, droht ihnen das mediale Aus. Und damit ein Ende der Will-Media&Co-Geldmaschine, denn diese Sendungen werden nicht von öffentlich-rechtlichen Mitarbeitern produziert, sondern im Auftrag der Sendeanstalten von privaten, gewinnorientierten Medienmachern. Auswirkungen hat die Quotenorientierung daher zwangsläufig auch auf die Auswahl der „Talk-Gäste“: Nicht Qualität und Sachkenntnis entscheidet, sondern die vermeintliche Garantie auf Quote. Weshalb man zu den unterschiedlichsten Themen immer wieder dieselben Köpfe sieht. Und selbst ein ÖR-Anchorman wie Klaus Kleber lebt unter dem ständigen Damoklesschwert der medialen Bedeutungslosigkeit. Schaltet sich bei seiner „Nachrichten“-Schau niemand mehr ein, ist er weg und ein anderer darf sich als Quotenbringer versuchen.
Den hehren Anspruch verraten

So geht es auch in Deutschlands ÖR-Medien schon lange nicht mehr um den hehren Anspruch, den beispielsweise die ARD für sich selbst noch mit dem folgenden Satz formulieren:

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrag, einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen beizutragen.“

Wie sehr sich nicht nur die ARD angesichts ihrer unkontrollierten Produktions-Fremdvergabe und dem Quotendiktat selbst in die Tasche lügen, wenn Zwangsgebühren in die privatwirtschaftlich organisierten Kassen von „Medienmachern“ umgelenkt werden, wird mit einem anderen Zitat deutlich:

Er (der öffentlich-rechtliche Rundfunk) ist weder privatwirtschaftlichen noch staatlichen Interessen verpflichtet, sondern ausschließlich dem Gemeinwohl. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist damit wirtschaftlich und politisch unabhängig.“

Semantische Bereinigung?
Frage an das ZDF
Das, was Bonifield in Sachen Trump und CNN nun so deutlich als zwangsläufiges Ergebnis dessen geschildert hat, wenn News zu Ware wird, ist längst auch in Deutschland angekommen. Bei dem, was angebliche Nachrichtenmedien präsentieren, geht es eben nicht mehr um Objektivität. Es geht nicht einmal mehr um die Wirklichkeit – von der ohnehin kaum darstellbaren Wahrheit ganz zu schweigen. Es geht um Quote, denn Quote ist Geld und Existenzsicherung. Und insofern liefert Bonifield uns sowohl einen Einblick in die Wahrhaftigkeit der US-Medien – aber auch in die bundesdeutsche Medienwirklichkeit.

Wer will, dass Nachricht wieder Nachricht ist, muss sie, wie in Nachkriegsdeutschland angedacht, von Quote und Gelderwerb strikt trennen. Das zu erwarten allerdings ist angesichts der selbst zu Quotenjunkies mutierten ÖR-Medien weltfremd. Und insofern wird der geneigte Zuschauer auch künftig auf sich selbst angewiesen sein, FakeNews von NoNews und beides von RealNews zu unterscheiden. Denn der tatsächliche oder auch nur gefühlte Mainstream will bedient sein und weiter sich an ihm bedienen, weil mit ihm die gefühlten Wirklichkeiten seiner Kunden bedient zu werden scheinen.