Tichys Einblick
Irgendwas abschalten kann jedes Kind

Bei Illner: Von S wie Strom und SPD

Der Untergang der SPD? Merkels Gewurstel? Bei Illner hieß es: ... und jetzt zu etwas völlig anderem. Energiewende. Und was lernen wir?

Während überall im Land bereits die Trauerglocken für die SPD auf Hochglanz poliert werden und Bedford-Strohm schon an der Trauerrede feilt (Entwurf: „Vielleicht wäre die SPD noch am Leben, wenn sie aus dem Misstrauen gegen ihre Führung heraus gelebt hätte – aber wäre das das bessere Leben gewesen?“), ist die Noch-Regierungspartei bei Illner längst aus dem Programm gestrichen, als wäre sie nie da gewesen.

Der Grüne Hofreiter Anton übernimmt die Rolle des Klagens und Forderns, eine Aktivistin wie Antje Grothus vom Hambacher Forst ist schnell gefunden, dann noch ein Herr von der Verbraucherzentrale, die linken Reihen sind schneller geschlossen, als Andrea Nahles „Bätschi“ sagen kann.

Verstand statt Glaube
Hambacher Forst: Waldflächenbedarf bei Windmühlen 45-fach
Beim Thema „Teurer Strom, billige Ausreden – scheitert die Energiewende?“ hatten wir uns zunächst Sorgen gemacht, geht unsere naturwissenschaftliche Kenntnis doch kaum über die Photosynthese hinaus. Aber wir waren dann schnell beruhigt, die anderen hatten entweder ebenso wenig Ahnung (Tümpelforscher Hofreiter, Baumschützerin Antje Grothus, Verbraucherschützer Klaus Müller) oder sie wussten mehr, schwiegen aber bescheiden (RWE-Chef Rolf Martin, zu dem der Kollege Holger Douglas die Erkenntnis besteuerte: Als Ingenieur weiß Martin es eigentlich besser, erzählt aber, dass „wir“ schnell die „erneuerbaren Energien“ ausbauen müssen).

Nein, diesmal hielt sich Illner fast ans Thema, nur dass sie es ein wenig verdrehte: Natürlich ist die Energiewende gescheitert, dafür ist der Strom teurer und die Ausreden sind billig. Wenn Sie jetzt denken „Wieso ist die gescheitert, ich habe doch noch Strom“, dann müssen wir darauf hinweisen, dass Sie noch Strom haben, weil es Kohlekraftwerke gibt, und wenn die ausgeschaltet würden, hätten Sie nur noch Strom, wenn Frankreich und Tschechien Ihnen Atomstrom verkaufen.

Das im Dunkeln sieht man nicht
Auslaufmodell Kohle?
Aber zuerst einmal ging es um den Wald, und das ist ein heikles Thema. Denn der Wald ist national schwer kontaminiert. Im Teutoburger Wald sehen manche die Geburtsstunde des teutschen Helden, hier trat Armin dem Globalisierungsvertreter Varus kräftig in den Hintern, Wagners Ring des Nibelungen bleibt ein Waldstück, welch‘ perverse Kulisse sich zeitgenössische Regisseure auch ausdenken mögen. Und selbst Linke ohne Migrationshintergrund können sich dem Wald kaum entziehen, wie die Baumhäuser im Hambacher Forst belegen. Das Waldsterben führte sogar einst zur Gründung der Grünen, die, obwohl der Wald gar nicht gestorben ist, dennoch blieben und dem Wald mit Windparks inzwischen künstliche Pflege-Konkurrenz machen.

Auch wir leiden wie Idefix, wenn ein Baum stirbt, deshalb fanden wir die Frau Antje ganz sympathisch, außerdem, weil sie bei Illner sagte, Gewalt bringt nichts. Verbraucherschützer Müller fühlte sich pudelwohl bei Illner, schützte die Verbraucher aber leider nicht, sondern hatte nur Rezepte aus der Hinterlassenschaft der SPD. Die Industrie soll mehr zahlen, und die Energiewende möge über Steuern finanziert werden.

Insgesamt hatte die Sendung in etwa das Niveau früherer Sesamstraße-Folgen (Hofreiter: „Stürme nehmen zu, Hitze im Sommer“) aber auch den Spaßfaktor, denn Peter & Anton gaben Ernie & Bert. „Mensch, Peter, da waren wir doch in den Koalitionsverhandlungen schon weiter“, maulte Anton, und Peter frotzelte: „Rot-Grün in NRW haben doch die Abholzungsgenehmigung für den Hambacher Forst erteilt“. Oder er belehrte den Freund „Nachts scheint keine Sonne“, der wiederum grantelte, er hätte gern trotzdem „eine andere Energiewende“.

In der Sackgasse hilft nur umkehren
Energiewende - selbst die Grünen glauben nicht mehr an ihren Erfolg
Peter Altmaier durfte dann noch referieren, dass man auch „den Kumpels sagen müsse, was sie arbeiten sollen“, wenn man die Kohleförderung stoppt, damit meinte er aber nicht den Hofreiter Anton, sondern die echten Kumpels aus dem Bergbau. Und wenn der Strom für eine Aluminiumhütte nicht subventioniert würde, käme Aluminium aus schmutzigen Hütten anderswo. Außerdem habe man nun schon ein paar hundert Milliarden in die Energiewende versenkt („versenkt“ sagte er natürlich nicht), auf eine Billion komme man bis 2030 locker, aber das sei eingeplant. Anton wollte gesehen haben, dass „der Strompreis gerade gigantisch sinkt“. Das dürfte die 330.000 Haushalte freuen, denen im letzten Jahr der Strom abgestellt, sowie die 6 Millionen, denen das angedroht wurde. Diesen Aspekt brachte aber nicht unser Verbraucherschützer, den haben wir aus der Zeitung. Der Verbraucherschützer schlug stattdessen vor, die Leute sollen sparen, und sich einen neuen Kühlschrank kaufen, der weniger verbraucht.

Bevor wir zum Ende kommen, soll noch der patenten Bürgermeisterin Christine Herntier aus der Lausitz das Wort erteilt werden. In der Lausitz wird ebenfalls Braunkohle gefördert. „Jedes Kind kann irgendwas abschalten“ mahnte sie, aber Anton tuschelte mit Peter und hatte das bestimmt nicht gehört. „Man muss auch an die Konsequenzen denken.“

Dann ging uns ein Satz nicht aus dem Kopf, den Bundesminister Altmaier zu Beginn der Sendung, gefragt nach dem aktuellen Stück („Horst und die 7 SPD-Zwerge“) des Absurden Theaters in Berlin, machte. „Aus 600 Kilometern Entfernung kann ich dazu keine Aussagen machen.“ War das eine versteckte Spitze gegen die Chefin, die aus 6.000 Kilometern unkluge Kommentare zu Chemnitz abgab?