Tichys Einblick
"Terror in Sri Lanka – Krieg der Religionen?"

Bei Illner: Die Religion des Friedens stellt sich vor

Peter Neumann, Terrorismus-Forscher: Sri Lanka als muslimische Antwort auf Christchurch träfe wohl schon deshalb nicht zu, weil erste Hinweise auf die Tat seit vier Monaten vorlägen.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Die erste spontane Überlegung: Welchen auch nur halbwegs interessanten Gedanken könnte die Schwatzrunde bei Illner zu diesem Thema beisteuern? Und während wir noch zweifelten, dass Sri Lanka als Illner-Thema mit den erwartbaren Redebeiträgen überhaupt jemanden interessieren könnte, belehrte uns doch gleich zu Beginn der Show Aiman Mazyek eines Besseren: „Diese Talkshow wird von den Terroristen sehr genau angeschaut.“ Das hätten wir nun doch nicht gedacht, aber der Aiman wird’s wohl wissen.

Also zunächst das Attentat von Sri Lanka (Ceylon) nach Aiman: Das Attentat hat nichts mit dem Islam zu tun. Christchurch war im Grunde viel schlimmer, weil der Terrorist ein Video seines Massakers auf Facebook gepostet hat. Aiman Mazyek ist übrigens der omnipräsente Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, der allerdings lediglich 10.000 bis 20.000 Muslime vertritt – Borussia Dortmund hat 10 mal so viele Mitglieder, darunter sicherlich genauso viele Muslime wie in Aimans Verein.

Framing
Christen als Opfer gibt es nicht mehr?
Jedenfalls beklagte Aiman zunächst, dass Illner und die anderen Talkshow-Damen wegen Christchurch keine Diskussionsrunde einberufen hätten, was den Verdacht nahe lege, dass Muslime wohl kein Thema seien. Außerdem sprächen alle Religionen nur die Sprache der Versöhnung. Und man solle kein Wasser auf die Mühlen. (Ja, der Aiman weiß, was Illners wünschen!) Und Mazyek kündigte an: „Wir werden nach Ceylon fliegen, um Solidarität zu zeigen.“ (Wer ist nun wieder „wir“?)

Um eine Art Gegenposition aufzubauen, war ein Pädagoge namens Philipp Möller geladen, der es vorzieht, gottlos und friedliebend durchs Leben zu gehen, und der Aimans Predigt von der Friedensreligion Islam dahingehend widersprach, es fänden sich Worte der Liebe und auch Worte des Hasses im Koran. Nein, widersprach der Vorsitzende, das seien die bösen Worte der Menschen, nicht die der Religion.

Ein schwereres Kaliber war da schon der frisch und genesen wirkende Wolfgang Bosbach. Er wünsche sich, dass Christen in islamischen Ländern so tolerant behandelt würden wie umgekehrt. In 20 Ländern der Welt würde ein Religionswechsel schwer bestraft – diese Länder seien alle islamisch. Überhaupt: bringen Sie mal eine Bibel mit nach Saudi Arabien, empfahl Bosbach dem Mazyek. Und auch in seiner Nachbarschaft, in Köln sei nicht alles zum Besten. Da wurde eine Riesenmoschee aufgemacht, die für die türkische Innenpolitik genutzt würde. Nun gehört diese Moschee zu DITIB, das ist der deutlich mächtigere Konkurrenzverein zum Zentralrat, da kann der Mazyek jetzt nicht viel zu sagen.

Gut und Böse
Der Sultan von Brunei, wir und der Toleranz-Irrtum
An dieser Stelle wollen wir die Alevitin Mürvet Öztürk einführen, die mehrfach beklagte, dass es ein liberaler Islam in Deutschland nie geschafft habe, sich zu etablieren. Weil das Thema „Terror in Sri Lanka – Krieg der Religionen?“ ein wenig weltpolitisch daherkam, sollte Peter Neumann als Terrorismus-Forscher das Große und Ganze besteuern. Der erklärte uns, dass, weil das Kalifat (IS) vernichtet worden sei, deren Kämpfer nun in ihre Länder zurückkehrten und den Terror in die Welt tragen. (Da können wir uns ja auf Einiges gefasst machen.) Dass Sri Lanka die muslimische Antwort auf Christchurch gewesen sein könnte, sei wohl nicht zutreffend, weil der Sprengstoff bereits vor zwei Monaten gekauft worden sei und erste Hinweise auf die Tat seit vier Monaten vorlägen.

Jedenfalls, so war wohl das Lernziel der Sendung, hatte der Anschlag von Sri Lanka eigentlich nichts mit der Religion zu tun. Womöglich hat Aiman Mazyek vom Zentralrat den Bogen ein ganz klein wenig überspannt, als er betonte, nie habe er „eine größere Solidarität mit den USA in der gesamten islamischen Welt gesehen wie direkt nach den Anschlägen von Nine/Eleven“. Da erinnern wir uns doch eher an Freudentänze, aber vielleicht täuschen wir uns, und Aiman hat Recht.

Gerade wo wir den Islam als Friedensreligion ernsthaft in Erwägung ziehen wollten, und aus heiterem Himmel und ohne weitere Erläuterungen von Illner vernahmen, Mazyek bekäme sogar Morddrohungen, machte Bosbach wieder das Sorgenfass auf: Der allergrößte Teil der Muslime in Deutschland seien Schul- und Sportkameraden, lobte der Politruheständler der Union, aber 25.000 islamistische Gefährder und 10.000 Salafisten lebten ebenso unter uns. Auch gebe es „eine kleine Minderheit der Moscheegemeinden, die uns große Sorgen machen“. Es dürfe daher „keine Toleranz gegen die Intoleranten geben“. Bei unseren Behörden in Justiz und Polizei müssen wir uns da bestimmt keine Sorgen machen. Oder?


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