Tichys Einblick
Nicht was, sondern wer darf was sagen

Bei hart aber fair: Die Bücher von Astrid Lindgren ins Museum

„Es darf gerne eine Fassung geben fürs Museum, für Linguisten und Historiker.“ Was ist das? Eine Variante moderner Bücherverbrennung 2020? Bücherverbannungen? Wir übergeben dem Museum die Schriften von Astrid Lindgren?

Screenprint: ARD/hart aber fair

Was für eine thematische Zumutung schon in der Vorschau. Und was für eine allerdings dazu passende einseitige Gästeliste, für die nur die Redaktion von hart aber fair etwas kann und zunächst nicht die einzelnen Gäste. Aber natürlich: Jeder der hingeht, übernimmt auch eine Verantwortung, davon ist niemand befreit, wenn ausgerechnet Frank Plasberg darüber verhandeln lässt: „Was darf man noch sagen und was besser nicht?“ Die interessantere Frage zur Sendung wäre doch gewesen: Nicht was, sondern wer darf hier noch etwas sagen?

Was darf noch gesagt werden und was nicht – darüber sollen am Montagabend bei hart aber fair folgende Teilnehmer debattieren:

Der Komiker und Moderator Jürgen von der Lippe, Stephan Anpalagan, Autor u.a. eines linksradikalen Blogs. Dazu irgendwie passend Stefanie Lohaus, Mitbegründerin eines feministischen Popkultur-Online-Magazins. Weitere Gäste sind der Autor Jan Weiler, von dem man nicht viel weiß, außer vielleicht, dass er wohl einen der ausuferndsten Wikipedia-Schlagsahne-Einträge aller Zeiten sein eigen nennt, also mindestens echte Fans unter den Wiki-Autoren haben muss. Ebenfalls mit dabei ist Svenja Flaßpöhler, sie ist Chefredakteurin des „Philosophie Magazins“. Später im Einzelgespräch kommt noch Andrew Onuegbu. Er ist Koch und Inhaber des Restaurants „Zum Mohrenkopf“ – und huch, er ist stolz darauf, ein Mohr zu sein, sagt er jedenfalls ironisch.

Als vor einigen Wochen eine Gefälligkeitsstudie eines bei näherem Hinsehen tendenziös wie unappetitlichen „Progressiven Zentrums“ eine neue Gäste-Zusammensetzung in Talkshows forderte, hat Frank Plasberg offenbar freudig „hier“ gerufen haben, denn anders ist die sehr einseitige, wie mutmaßlich vollkommen langweilige Zusammenstellung seiner Gäste bei hart aber fair kaum zu erklären.

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Gerade hat der sozialdemokratische Bundespräsident das Volk verhöhnt, als er mitten in den drohenden erneuten Zuspitzungen der Corona-Einschränkungen und am Vorabend einer Legalisierung einer zweiten, dritten und x-ten Massenzuwanderung davon sprach, wir würden im besten Deutschland aller Zeiten leben. Jetzt also im Zwangsgebührenfernsehen die wahrscheinlich schlechteste Talkshow aller Zeiten. Voyeurismus sollte hier eigentlich der einzige Grund sein, zuzuschalten. Alles andere muss ja brutaler Masochismus sein. Film ab.

Plasberg fragt eingangs, wo die Grenze verlaufen würde zwischen gut gemeint und gut gemacht, wo es darum gehen würde, eine behauptete sprachliche Diskriminierung aus dem Alltag der Deutschen zu verbannen.

Der Berliner Senat hat einen neuen Sprach-Leitfaden für seine Behörden herausgegeben, der streckenweise tatsächlich klingt wie aus dem Tollhaus entrückter Soziologen auf experimentellen Drogen. Ausländer sind dann neuerdings „Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft“ und Menschen mit Migrationshintergrund sind danach „Menschen mit internationaler Geschichte“.

Wer sich auf der Straße umhört, der stellt allerdings immer häufiger etwas ganz anderes fest: Da, wo die Luft in den Vierteln rauer wird, sind öfter Schimpfworte gegen Zuwanderer zu hören, die es in der Intensität so schon lange nicht mehr zu hören gab. Und umgekehrt hat sich der Ton in den Vierteln mit hohem Migrationsanteil ebenfalls radikalisiert, hier insbesondere gegen Frauen und zunehmend auch gegen die einheimische deutsche Bevölkerung als eine Art allgemeine neue Deutschenfeindlichkeit. Auch das gehört ja zur Wahrheit dazu, wird aber nur allzu gerne negiert in den Redaktionen und Talkshow-Studios.

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Die Runde wird vorgestellt und wenn die Nachbarn nebenan noch schauen würden, hätte der eine oder andere sicher einen Lachanfall bekommen. Da sitzen – entschuldigen Sie hier bitte die vorschnelle Küchenpsychologie – da sitzen Beseelte, die man sonst nur erlebt, wenn man Sonntags mit dem Hund zur Seite springen muss, um nicht überfahren zu werden, wenn diese Generation mit rotgrüner Sozialisation und kurz vor der Beamtenrente im Geschwindigkeitsrausch auf ihren matt lackierten tausende Euro E-Bikes daherkommen und zum Risiko werden.

„Der alte weiße Mann ist eine Dreifachdiskriminierung“ startet der 72-Jährige Jürgen von der Lippe und da stöhnt schon die erste Dame ins Mikrofon, ohne dass die Kamera das einfängt. Dreifach, wegen „Alter, Hautfarbe und Geschlecht“, so von der Lippe weiter.

Autor Jan Weiler erzählt von einem Kindergarten, wo die Eltern nicht mehr ihren „Sohn“ abholen dürfen, sondern laut Anweisung der Kindergärtnerinnen das „Kind mit Penis“. Stefanie Lohaus findet das eigentlich ganz ok, wer das nicht will, kann sich ja einen anderen Kindergarten für sein Kind aussuchen.

Stopp. Ganz ehrlich liebe Leser, wie viele Sendungen soll man so etwas einfach stur weiter anschauen, ohne etwas an die Wand zu werfen? Aber wie viele Iphones muss man noch zerstören, um solche Sendungen zu überstehen? Es kann ja nur so gehen, jetzt einmal in der Redaktion zu besprechen, diese Berichterstattung zukünftig nur noch bei echtem Bedarf bzw. auf eine überraschende Gästeliste hin fortzusetzen. Das hat auch nichts mit Übermüdung zu tun, es ist viel eher eine notwendige Sensibilisierung, die man nur jedem wünschen kann, der einen Netflix-Kanal angemeldet hat oder was auch immer. Dazu hier gerne Ihre Meinungen in die Kommentarspalte (dass manche Leser schon länger anmerken, TE sollte diese Talkshows ignorieren, haben wir sehr wohl registriert). Aber notgedrungen und weil wir schon mal dabei sind weiter mit dieser Plasbergschen Zumutung:

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Tatsächlich kann man wohl noch so scharf mit Worten fechten, aber dieser Dampfwalze beseelter Ideologen ist nichts entgegenzusetzen. Wo ist der Punkt, wo man sich sagen muss: Ich will mir das nicht länger zumuten müssen? Und wo man sich ernsthaft die Frage stellen muss: Muss ich jede noch so lebenswirklichkeitsferne Wohlstandsblasenmonologisiererei als solche erzählen, in der Annahme, dass das Vorgetragene bei einigen Zuschauern möglicherweise als Unsinn noch nicht erkannt wurde? Nein, denn das wäre den Zuschauern bzw. Ihnen als Leser gegenüber diskriminierend. Wer das nicht als potentiell wahnhaft versteht, wer dieser galoppierenden Ideologie beginnend bei der engen Gästeauswahl bis zur thematischen Intention so folgen mag, der will dazu auch keine andere Haltung hören.

Stefanie Lohaus findet, es gäbe gar keine Cancel Culture, die angeblich Gecancelten würden doch weiter gut verdienen. Dieter Nuhr wird als Beispiel genannt, die Runde kommt dann bei Woody Allen an und kann sich nicht einigen, wie gut es dem Filmemacher noch geht.

Anpalagan wirft Nuhr vor, er würde in einem weinroten Sofa sitzen und von Pogromen gegen ihn sprechen. Von der Lippe spricht von einem übermalten Gedicht an einer Hochschule. Stefanie Lohaus, von der niemand eigentlich weiß, was sie vor anderen Experten zu dem Thema ausweist, in der Runde zu sitzen, fand die Übermalung des Gedichtes richtig. Wiederholt betont sie den demokratischen Prozess, den die Löschung durchlaufen hätte.

Svenja Flaßpöhler findet die zunehmende Sensibilität der Menschen gut, aber manchmal würde das eben auch kippen. Stefanie Lohaus sieht daraufhin irgendwann eine rechte Rhetorik bei Flaßpöhler, es wird laut, es wird immer haarsträubender.

Frauen wären gar keine „Minderheiten“, wie Lohaus behauptet, sagt Flaßpöhler. Lohaus verbessert sich also hin zu: „diskriminierte marginalisierte Gruppen“. Dann sagt die eine, die andere hätte vorher etwas anders gesagt, als sie jetzt sagt und man fragt sich, wer endlich was sagt, man wünscht, dass das aufhört, aber hier ist Plasberg ganz pfiffig, diesen vollkommen aus dem Ruder laufenden Irrsinn als solchen kenntlich zum machen, indem er einfach alles weiter laufen lässt.

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Plasberg überrascht dann einmal, denn er will jetzt wirklich von Lohaus wissen, warum sie in einem Halbsatz gesagt hätte: „Das ist jetzt rechte Rhetorik.“ Richtig erklären kann sie es nicht. Aber da betont Flaßpöhler schon, dass sie der AfD keinesfalls nach dem Mund reden würde, ohne dass sie jemand danach gefragt hätte. Stephan Anpalagan führt noch die „Umweltsau“ des WDR mit ein, das mit den Omas wäre ja nicht toll gewesen, aber es hätte dann keinen halben Tag gedauert, bis die Nazis vor dem WDR Funkhaus gestanden hätten. Für Anpalagan ist es schon rechte Rhetorik zu sagen; „Jetzt werden unsere Omas angegriffen.“

Stefanie Lohaus bemerkt, dass Schreibende sich zunehmend selbst zensieren würden, weil sie Angst hätten selbst Opfer eines Shitstorms zu werden. Journalisten ließen sich eine Schere in den Kopf setzen, weil sie „einfach zu feige sind“, sagt auf einmal ziemlich couragiert die Chefredakteurin des Philosophie Magazins Svenja Flaßpöhler. Und man wird den Eindruck nicht los, dass sie sich binnen Minuten am schrillen Auftritt von Lohaus entzündet hat.

Ach so: Lohaus liest zu Hause Pippi Langstrumpf nicht vor, weil es eine koloniale Geschichte ist. Nun werden ihre Kinder nicht darunter leiden, ohne Langstrumpf auszukommen, aber Mitgefühl für diese Kinder darf man trotzdem gerne entwickeln. „Es darf gerne eine Fassung geben fürs Museum, für Linguisten und Historiker.“ Was ist das? Eine Variante moderner Bücherverbrennung 2020? Bücherverbannungen? Wir übergeben dem Museum die Schriften von Astrid Lindgren?

Dann wird tatsächlich noch diskutiert, ob der Schwarzfahrer, die Schwarzarbeit usw. etwa Farbige diskriminiert.

Wenn es den einen Satz des Abends dann doch geben haben soll, dann sicher jenen der Philosophin mit der wilden Einstein-Frisur, die fragt, auf welcher sprachlichen Ebene denn hier diskutiert werden soll und fordert: “Wollen wir uns nicht doch wieder ein Stückweit auf die Wirklichkeit konzentrieren?“

Der Leser möge an der Stelle bitte entschuldigen, dass hier heute die inhaltliche Zusammenfassung möglicherweise etwas kürzer kam als sonst. Und tatsächlich mag die Diskussion an der einen oder anderen Stelle sogar noch recht lebhaft und facettenreich gewesen sein dank einer Teilnehmerin, der offensichtlich diese Uniformität der Haltungen unheimlich wurde und die deshalb aus einer respektablen Art Selbstachtung heraus angriffslustig wurde gegen den einen oder anderen in der Runde, wenn deren Erzählungen zu wirr und missverständlich, zu ideologisch wurden. Ja, das darf man Svenja Flaßpöhler hoch anrechnen. Aber Plasberg und seinem Team definitiv nicht.

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