Tichys Einblick
Nach den Wahlen

Bei Anne Will: So sehen Sieger aus

Die Wahlergebnisse von gestern und ihre Folgen werden noch viele Analysen zur Folge haben. Eines steht fest: Gelernt haben die Kombattanten daraus nichts.

Screenprint: ARD/Anne Will

Oft wird Alexander Gauland von seinen Parteigängern vorgeworfen, er sei zu dösig, zu wenig forsch gegen die aggressiven Attacken der Linken. Aber die gestrige Anne-Will-Show war perfekt für den Parteivorsitzenden der AfD. Denn seine Gegner waren hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt.

Etwa Manuela Schwesig von der SPD (- 5% in Brandenburg / – 4,5% in Sachsen), die irgendwie passend für das Elend der gesamtdeutschen Sozialdemokratie steht. Manu hat nämlich in beiden Landtagswahlen als „klares Ergebnis“ erkannt: 70% hätten gegen die AfD gestimmt. Gut, dass Anne Will bei Schwesig Beißhemmung hat und nicht gegenrechnete, dass nach dieser Logik in Sachsen 93% gegen die SPD stimmten. Schwesig blickte jedenfalls nach vorn und malte ein Bild, auf dem der Osten wieder SPD-rot strahlen könnte. Sie verspricht höhere Renten und höhere Löhne, das ganze SPD-Programm, und, dass sie „mehr vor Ort“ zu sein will, so dass jeder was von ihr hat.

Journalistinnen-Liebling Robert Habeck gab sich bescheiden, indem er nicht etwa übertrieben allen Wahlhelfern und Wahlhelferinnen, Wählerinnen und Wählern für die plus drei Prozent in Sachsen und Brandenburg dankte, sondern den kämpferischen Realo spielte, der „Aufbruch, Gegenwehr, Zivilcourage und andere Veranstaltungen“ in Sachsen und Brandenburg herausstellte und hauptsächlich das Positive sehen wollte: „Das Neue ist doch das Interessante“, und das Neue ist für Robert eine Wahlbeteiligung der Grünen in beiden Landesregierungen als logische Konsequenz.

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Sachsen und Brandenburg: Im Osten mit großer Mühe nichts Neues
Da gibt es, rein rechnerisch, noch eine andere Option. Anne Will zitiert, 49% der Ostdeutschen hielten die Abgrenzung zur AfD für falsch, die „Werte-Union“, noch klein, aber schon recht laut, bezeichnete die Grünen als linksradikal und nicht koalitionswert mit der Union. Auch Gauland will „eine Menge Signale“ empfangen haben, die, sagte er Robert Habeck zugewandt, „Ihre Partei nicht für bürgerlich halten.“

Robert Habeck hatte da nicht seinen stärksten intellektuellen Tag, als er dann tatsächlich antwortete „Wer anderen sagt, sie sind nicht bürgerlich, ist selbst nicht bürgerlich!“ Vielleicht kommt er jetzt allein nicht drauf, darum wollen wir es erklären: Wer diffamiert die AfD seit Jahr und Tag als „nicht bürgerlich“? Grüne, Linke, SPD, Teile der Union. Und was folgt daraus, was Ihr gerade gesagt habt, Robert? Na? (Lest halt den Absatz so oft, bis Ihr es verstanden habt!)

Aber Gauland, sanft wie ein müder, alter Löwe, überging Roberts Kinderspruch (… ist selber doof!) und spielte lieber auf der Koalitionsklaviatur. „Die Basis in der Sachsen-CDU wird das mit den Grünen nicht mitmachen. Darauf warte ich in aller Ruhe.“ Für Aufregung hatte am Abend schon die MDR-Moderatorin Wiebke Binder gesorgt, die das hoffentlich nicht gleich den Job kostet.

„Moderatorin Wiebke Binder (MDR) wörtlich: „Eine stabile Zweierkoalition, eine bürgerliche, wäre ja theoretisch mit der AfD möglich.“ Wahnsinn“, twitterte der Journalist Stefan Niggemeier, und der ansonsten nach der Wahl auffällig zurückhaltende SPD-Chefkandidat Ralf Stegner twitterte zustimmend: „Das ist der totale Irrsinn. Rechtsradikale haben in Regierungen nichts verloren. Basta!“ Dürfen wir an dieser Stelle erwähnen, dass die Volkspartei SPD in Sachsen noch bei Siebenkommaetwas steht?

Reiner Haseloff, der als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt mit CDU, SPD und Grünen regiert, kann man am besten als Merkels wackeren Parteisoldaten beschreiben. „Niemals!“ gehe die Union mit der AfD. Niemals! Die gemeine Anne Will hatte da aber ein Filmchen vorbereitet, in dem zwei von Haseloffs Truppe sich gut vorstellen konnten, das „Soziale und das Nationale“ verbinden zu wollen. „Gut, dass wir das historisch abarbeiten“, freute sich der Ministerpräsident. Nach „intensiven Diskussionen“ habe man „ein Papier verfasst“ und „ohne Gegenstimme“ eine Resolution, dass Niemals auch Niemals heißt.

Landtagswahlen
Der eingefrorene Konflikt
Haselhoff trat übrigens 1976 in „die damalige DDR-Blockpartei CDU“ (ARD-Text) ein, er kennt die Grenzen linker Freiheiten genau. Zwar „war ich dabei 1989 mit den Deutschlandfahnen“, aber schnell verliert er sich im Irgendwo, er will ja nicht falsch verdächtigt werden. Reiner Haseloff – war man als Blockflöte auch Genosse? – stellte dann noch forsch fest, dass die AfDler im Osten alles Wessis seien. Nanana, korrigierte der in Chemnitz geborene Gauland. Außerdem lernten die Westdeutschen von Haseloff, dass es „bei uns eine geringere Parteienbindung“ gab, und wir hätten bei der SED ans genaue Gegenteil gedacht.

Warum Melanie Amann vom „Spiegel“ wieder mal die Gelegenheit bekam, uns die Welt zu erklären? Wir wissen es nicht, nur dass sie wohl irgendwo zwischen Grünen und Linkspartei zuhause ist, die Wahlen als „Erfolg“ wertet, weil „das nützt der AfD nichts“, dass sie so viele Stimmen bekam. Und im Westen sei die AfD chancenlos. Hörten wir Bätschi?

Etwas nachdenklicher war da schon der Kollege Ostbeauftragter von der „Zeit“, Martin Machowecz. Manchmal etwas kryptisch („Wir haben gelernt mit der AfD umzugehen“ – wie meint er das? Mit Antifa-Terror?) dann erkenntnisreicher: Das war ein Warnschuss. Die AfD hat dafür gesorgt, dass wir eine Debatte führen. Dem MP aus S-A gab er mit auf den Weg: Regieren nur mit Abwehrbündnissen gegen die AfD ist was ganz Gefährliches, Herr Haseloff.

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