Tichys Einblick
Und so weiter und so weiter

Anne Will und der endlose GroKolores

Thomas de Maizière, CDU, versprach den Seinen: "Der Flüchtlingsnachzug ist begrenzt." Eva Högl, SPD, versprach den Ihren: "Der Nachzug ist nicht begrenzt." Keine weiteren Fragen.

Screenprint: ARD/Anne Will

Mit einer kleinen Szene, die in der Mitte der Anne-Will-Sendung eingespielt wurde, ist inhaltlich eigentlich alles zum Thema des Abends „Verhandeln bis es quietscht – kann eine neue GroKo überzeugen?“ gesagt. In dem Einspieler verkündete Thomas de Maizière, den Seinen: „Der Flüchtlingsnachzug ist begrenzt.“ Schnitt. Auftritt Dr. Eva Högl. (Manche erinnern sich, das war die, die so fröhlich im Hintergrund lachte, winkte und „Huhuu!“ rief, als Schulz mit Betroffenheitsmaske der Opfer des Breitscheid-Platz-Massakers gedachte.) Frau Högl, SPD, also versprach den Ihren: „Der Nachzug ist nicht begrenzt.“ Keine weiteren Fragen.

Aber deswegen haben wir ja auch nicht eingeschaltet, wir haben ja schließlich noch alle fünf Sinne beieinander. Es geht vielmehr darum, das politische Personal zu sezieren, und so einen Einblick in den inneren Stand der Republik zu gewinnen. Welch‘ ein Bild des inhaltlichen Jammers der CDU bietet doch Armin Laschet. Der behauptet tatsächlich, dass die Grenzen kontrolliert und die Kriminalität von Zuwanderern ausreichend bekämpft würden. Und, ja, er sagte tatsächlich: „Griechenland und Italien waren mit dem Flüchtlingsansturm überfordert. Das haben wir gelöst.“ Als habe ein Humorist seine Texte geschrieben, öscherte der Aachener, man wolle „für die Familien, für die Bildung, fürs Digitale was tun, für viele hunderttausend Menschen“. Das klingt wie bei Loriots „Vorstandssitzung“, nur nicht so schön vorgetragen: „Wir sind uns wohl darüber einig, dass wir mit den Begriffen Frau, Umwelt und Karneval drei ganz heiße Eisen angefasst haben!“ Da muss der Unions-Wähler nur die Begriffe „Umwelt“, „Karneval“ und „Frau“ durch Flüchtlinge, Bildung und Digitalisierung austauschen. Wer wählt so was?

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Der schwindelige Heiko Maas von der SPD, der vom kleinen Kulissen-Schieber zum Minister aufstieg, hatte die Tarnkappe der Harmlosigkeit aufgesetzt und inhaltlich wenig zum GroKolores beizutragen. Es geht dem Genossen darum, dass „die EU nicht auseinanderbricht“, und darum, „unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Auch kulturell“. Das sagt ausgerechnet einer, der sich bei so ziemlich jeder Gelegenheit wie der Spalter der Nation anhört. Seine Anmerkung, dass „die Gesetze der letzten Groko nie in einem Koalitionspapier standen“ zeigt den Stellenwert, den Maas solch einem Papier einräumt. Brennt gut.

Apropos brennen. Das tun auch häufig die Autos von AfDlern, und zu den komischerweise selten Überführten gehören die üblichen Verdächtigen, mit denen der Justizminister freundschaftlichen Umgang pflegt. Aber zu der Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, Alice Weidel, bei Anne Will kein kritisches Wort von Heiko Maas. Selbst die Moderatorin hatte den Maulkorb um. Kein Angriff, keine unsachlichen Attacken. (Nur Laschet blaffte Weidel gelegentlich an, aber das brachte ihm eher Mitleid ein.)

Alice Weidel grüßte Cottbus, wo Tausende gegen Migrantengewalt auf die Straße gegangen waren, und beklagte die einseitige Berichterstattung. Zur „sachgrundlosen Arbeitsplatzbefristung“ wies sie darauf hin, dass das dann wohl zu vermehrter Leiharbeit führen wird. Und die Neiddebatte der SPD mit der „Angleichung der Arzthonorare bei Privat- und Kassenpatienten“ konterte sie mit daraufhin deutlich steigenden Kassenbeiträgen.

Vielleicht ging es bei Anne Will auch gar nicht um den GroKolores, sondern um die Zeit „danach“. Vielleicht sollte hauptsächlich Robert Habeck eine Bühne gegeben werden. Der ist mit Annalena Baerbock zum grünen Obergärtner gewählt worden und steht lautmalerisch für die Zeit nach der Generation Katrin Göring-Eckardt. Der „neue“ Grüne kommt poppig daher, und hat immer einen guten Spruch parat. „Die Groko ist wie ein Paar ausgelatschter Schuhe mit neuen Schnürsenkeln.“ Er zersägt die abgehalfterten Volksparteien, bei denen „die kleinen Dinge groß gemacht, aber die wichtigen Großen verschoben werden“ (TE gelesen?).

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Und als hätten die bunten Phantasten ihre Fehler erkannt, sagte er, dass, wenn Politik 100% moralisch wäre, sie nicht mehr handlungsfähig sei. „Wir wären keine Politiker, sondern Engel.“ Man täusche sich nicht! Gerade läuft eine grüne Twitter-Kampagne mit Kinderfotos, die den unbegrenzten Nachzug moralisch erzwingen will. Und nach wie vor gehören alle auf der ganzen Welt zu den „Menschen, die theoretisch unter unserer Verantwortung stehen“. Ins Schwärmen kommt der Wolf im grünen Pelz, wenn er an 2015 denkt, als Deutschland den Rechtsstaat aufgab: „Tolle Zeit. Großer Humanismus.“

Elisabeth Niejahr von der Wirtschaftswoche hält an dem Irrglauben fest, man könne all die, die ins Land gekommen sind, zu Facharbeitern ausbilden, aber wenigstens forderte sie von der Regierung: Kriminalität verfolgen, Grenzen kontrollieren – da muss man handeln. Wo Armin dann sagte, das passiere doch schon. Aber manchmal kann auch der Törichteste ein Gespräch bereichern. Damit ist nicht Armin Laschets Aussage „Es geht nicht um den Wählerauftrag!“ gemeint. Sondern dieses Versprechen: „Warten Sie mal ab, wie die neue Regierung aussieht. Da gibt es auch neue Gesichter.“ Schulz, rasiert?