Tichys Einblick
Konservative kapern linke Themen

Giorgia Meloni: Frauenpolitik von rechts

Linke Frauenpolitik: Reden, Männer beschämen und Frauen gegen Migrantengewalt im Regen stehen lassen. Rechte Frauenpolitik: Härtere Strafen, mehr Abschreckung und die tatsächlich Verantwortlichen ächten.

IMAGO / ZUMA Press

Gestern hatte hier Daniela Behrens das Wort, die Sozialministerin Niedersachsens. Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen stellte die Sozialdemokratin die neulinke Problembewältigung vor: Nicht Stand, nicht Herkunft spielt bei Männern eine Rolle, sondern toxische Maskulinität. Bei gebildeten und einkommensstarken Männern sei die Aggressivität gegenüber Frauen daheim sogar noch ausgeprägter.

Die linke Lösung lautet 2022: Nicht die Umstände, sondern das Mannsein ist das Problem. Ergo: Alle Männer beschämen und das Männerbild im Stuhlkreis mit erhobenem Zeigefinger kritisieren und revidieren und auf alle gesellschaftlichen Probleme, bei denen ein Mann beteiligt ist, nicht etwa differenziert mit einer Betrachtung der Lebensverhältnisse reagieren, sondern „toxische Maskulinität“ anprangern.

Urgrund aller Übel: toxische Männlichkeit
Glosse: „Je höher Einkommen und Bildungsgrad, umso aggressiver sind Männer gegenüber Frauen“
Es lohnt sich, den Blick gen Alpen und darüber hinaus zu richten, um zu studieren, wie heute eine Frauenpolitik von rechts aussehen kann. Dort hat sich Giorgia Meloni nämlich ebenfalls zum Thema geäußert. Sie hat dabei strategisch klug das „Framing“ der Linken gewählt: Die Zahlen verdeutlichten das „nationale Drama“, das Gewalt gegen Frauen in Italien darstelle. Sie übernimmt sogar linkes „Wording“, wenn sie etwa von der „verheerenden Plage des Femizids“ spricht.

Der entscheidende Unterschied: Meloni benennt die Situation, ohne ein einziges Mal Männer als solche zu den Tätern deklarieren zu wollen, sondern spricht das Problem als solches an. Die Lösung besteht nicht in der Transformation der Gesellschaft, sondern in einer größeren Form der Abschreckung durch härtere Strafen oder den Einsatz von Fußfesseln. Während der Progressive redet und debattiert, stellt der Konservative einen Galgen vor dem Gerichtsgebäude auf.

Und es gibt noch einen entscheidenden Unterschied. Meloni kann diese Law&Order-Politik auch deswegen verkaufen, weil jeder weiß, wer gemeint ist, statt das diffuse Bild zu verbreiten, jeder Mann sei de facto nur ein getarnter Gewalttäter, der je nach Lage seine Frau verprügelt. Das eine führt zur Spaltung der Gesellschaft, das andere zu Einigkeit gegen die devianten Elemente außerhalb.

Dass Meloni auch von der Rechten zugestanden wird, das Wort „Femizid“ zu verwenden, liegt vor allem daran, dass sie in den letzten Jahren den Begriff nur in einem Zusammenhang verwendet hat: beim Ehrenmord. Es ist daher kein Zufall, dass sich in derselben Woche die Abgeordnetenkammer mit genau diesem Thema befasst.

Wenn selbst ein beinharter Rechter wie Ignazio La Russa als Kammerpräsident derlei vorantreiben kann, zeigt das vor allem, dass die italienischen Konservativen verstanden haben, wie man auch gefühlte „linke Themen“ rechts spielt und die Sprache des Gegners zum eigenen Vorteil nutzt – ganz im Sinne der Frauen.

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