Tichys Einblick
Eine Schafskrimi-Glosse

Maaßen, die Partei-Schafe und Miss Maple

Seit Hans-Georg Maaßen bekanntgegeben hat, dass er für die CDU in Süd-Thüringen kandidieren will, herrscht noch mehr Unruhe in der CDU: Was tun, um nicht noch eine Wahl korrigieren zu müssen?

IMAGO / blickwinkel

Seit Hans-Georg Maaßen erklärt hat, dass er sich in Thüringen für die CDU als Bundestagskandidat aufstellen lassen wolle, ist die CDU in heller Aufregung. Als Journalist sucht man nach Bildern, um die aufgescheuchten Stellungnahmen zu fassen, ohne jede einzelne innerparteiliche Gemeinheit zitieren zu müssen. Ist die CDU eine Schafherde, vielleicht sogar eine, in die der Wolf eingebrochen ist? Ist Maaßen ein Wolf im Schafspelz? Das Klischee drängt sich auf, abgegriffen wie es ist.

Andererseits: Hat sich nicht unser Bild vom Wolf verändert? Das frühere Raubtier wird heute geschont und gefördert; es gibt „Wolfsmanagement“ und „Wolfsbeauftragte“, die seine Vermehrung als Aufgabe haben. Tote Schafe sind da nur Kollateralschaden, nicht so wertvolle Lebewesen wie Wölfe, ersetzbar. Die CDU hat zwar keinen „Maaßenbeauftragten“, der für noch mehr solche Wölfe sorgt, das wäre ja noch schöner. Die CDU will ihn fernhalten. Alte Bilder passen nicht mehr. Sie wackeln.

Dabei sind Schafe kluge Tiere, wie wir spätestens seit dem Roman „Glennkill“ von Leonie Swann wissen. Da wird eines Morgens der Hirte Georg ermordet aufgefunden. Miss Maple, das klügste Schaf der Herde, beginnt sich für den Fall zu interessieren. Glücklicherweise hat Georg den Schafen vorgelesen, und so trifft sie das kriminalistische Problem nicht ganz unvorbereitet. Trotz vieler Missverständnisse kommen sie der Menschenwelt mit ihrer Schafslogik nach und nach auf die Schliche und verfolgen unerbittlich die Spur des Täters.

Die gute Herde und der böse Hirte

Am Abgrund
Die Union im selbstgewählten Niedergang
Machen wir uns wie Miss Maple, das kluge Schaf, auf die Spur nach dem Täter. Die CDU ist eine gute Herde. Sie ist fügsam, gelegentliches Meckern kann der Hirte überhören, es gehört zum Hintergrundrauschen einer Herde. Schafe revoltieren nicht. Sie sind duldsam. Sie werden geführt, sie lassen sich führen. Durchaus über weite Strecken. Derzeit führt die raffinierte Hirtin ihre Herde dorthin, wo es grün ist, denn saftig und fett soll die Weide sein. Unterwegs ist der Boden dürr. Viele Schafe sind abhanden gekommen. Die raffinierte Hirtin kennt den Weg.

Den also will Maaßen ändern, umkehren? Will Maaßen als Schaf selbst bestimmen im Rat mit anderen Schafen, wohin die Herde marschiert? Das wäre zwar ziemlich un-schafig von Maaaßen, und ziemlich un-CDUig, obwohl er seit vielen Jahren in der CDU ist. Man versteht die CDU-Hirten. Solch ein schwarzes Schaf will keine Herde! Die Herde will brave Schafe, nicht eigenwillige.

Deshalb hat die frühere Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schon lange den Ausschluss von Maaßen aus der Herde nahegelegt. Die Herde wird täglich kleiner, da kommt es auf ein Schaf mehr oder weniger doch auch nicht mehr an. Bei TE stehen Tiervergleiche auf dem Index. Machen wir nicht. Nur dieses eine mal. Auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland, das mehrere hundert Zeitungen mit angeblichen Nachrichten versorgt, sorgt sich um die Herde der Anderen. Maaßen „würde im Bundestag eine Tür öffnen, durch die weitere Radikale seines Schlages gehen könnten.”

Bei RND kennt man sich mit Schafherden gut aus, RND gehört zu einer anderen Herde. RND ist Teil des Madsack-Pressekonzerns, in dem die SPD mit 40 Prozent der Stimmrechte tonangebend ist. Und unter roten Schafen weiß man: „Leute wie Hans-Georg Maaßen jedenfalls haben das Zeug, die Christlich Demokratische Union von innen her zu vergiften. Man sollte der Partei und dem Land wünschen, dass es nicht so weit kommt.“ Ist Maaßen ein Schaf mit Schierlingsbecher? Gut, dass die Herde einen schlauen Hirten hat, der seine Schafe wegführt von giftigen Pflanzen. Neben Tier-Vergleichen sind auch Spiele mit Namen bei TE verboten, denn dafür kann der Betroffene nichts. Landesvorsitzender oder der gute Hirte der Herde in Thüringen ist Christian Hirte. Er hat viele Verdienste. So war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie im Kabinett Merkel IV und gleichzeitig Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer.

Der Hirte und die korrigierte Wahl

Abgesang
Die CDU in der Merkel-Falle der Selbstabschaffung
Das sind besonders gutbezahlte Jobs. Die erhält nur jemand, der besonders treu zur Partei steht. „Parlamentarische Staatssekretäre“ sind seltsame Hybride: Sie sind Bundestagsabgeordnete und gehören dem Bundestag an, der die Regierung kontrollieren soll. Gleichzeitig sind sie Mitglieder der Regierung, die sie kontrollieren sollen. Meist sind die besonders trinkfest, denn sie müssen ihren Minister, den sie kontrollieren, ständig vertreten, wenn der mal wieder keine Lust hat. Und es gibt viele Abendempfänge für Minister, mehr, als jede Leber aushält.

So etwas gibt es nur in Deutschland: Kontrolleure, die die Kontrollierten vertreten und ihnen unterstehen. Oder Gewaltenteilung, die sich selbst aufhebt. So was auf den fetten Weiden in Berlin wird man nicht einfach. Was macht Hirte jetzt im kargen, armen Thüringen? Hirte war ungehorsam. Als am 5. Februar 2020 Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD-Fraktion zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt worden war, gratulierte Hirte Kemmerich via Twitter und nannte ihn einen „Kandidaten der Mitte“. Also er meinte Kemmerich, FDP, nicht Höcke, AfD. Schon das war zu viel.

Da musste er die fetten Weiden Berlins verlassen und zur Strafe in der fernen Provinz Schafe …. Das Bild passt zu gut. Sein Nachfolger ist sich dessen bewusst. Der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, der offenbar zahlreiche kritische Journalisten von Welt über NZZ und TE auf Twitter ausgesperrt hat, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Aus meiner Sicht ist Herr Maaßen in Stil und Inhalt schon länger nicht mehr kompatibel mit der Christlich-Demokratischen Union.“ Schafe lernen schnell.

Verlassen wir das Bild, aber erinnern wir uns: Die ganz große Hirtin war böse geworden. Eine Ministerpräsidenten-Wahl musste auf ihr Wort hin korrigiert werden, weil die dummen Schafe nicht wussten, dass sie niemals mit den bösen schwarzen Schafen zusammen wählen dürfen. Das nennt man Demokratie, aber was verstehen Schafe schon davon. Sie verstehen nur was von Schafokratie, und deswegen brauchen sie einen Hirten, besser noch eine Hirtin.

Gegenkandidatin gesucht

List und Tücke wie in einer Kaderpartei
Merkel will Maaßen für den Bundestag verhindern - Landeschef Hirte verschiebt Nominierungssitzung
Auf ein Wort der großen Hirtin hat der kleine Hirte daher die Wahl erst mal verlegt und sich auf die Suche gemacht. Nur eine Frau kann einen Mann stoppen. Nur mit einer Frau kann man sich fortschrittlich geben, wenn man innerparteiliche Demokratie aushebelt. Das nennt man dann Quote und das ist fortschrittlich. Verzweifelt sucht Hirte ein Quoten-Schafsgesicht. Das klingt unhöflich. Aber was ist schon unhöflich? Die innerparteilichen Gegner zeigen Maaßen in Uniform und mit Schirmmütze von Heinrich Himmler. Es ist Volksverhetzer-Stil, eine Seite, die auch von der CDU als besonders wertvoll für Schafe empfohlen wird.

Maaßen als CDU-Kandidat, das sei „ein schwieriges Signal“, sagt der Vielleicht-Kanzlerkandidat Markus Söder. Was signalisiert ein schwieriges Signal? Die Schafe werden es schon verstehen, vor allem Armin Laschet. Er muss nach dieser Vorlage jetzt öffentlich signalisieren, was mit Maaßen passieren soll – darf der in der Herde bleiben oder muss die Herde ihn verstoßen? Markus Söder hat damit CDU-Chef Armin Laschet herausgefordert, der das Signal interpretieren muss und schon jetzt ist klar: Söder wird Laschet damit lächerlich machen, ganz egal wie es ausfällt, das Signal. So gehen eben Parteifreunde miteinander um; bei solchen Hirten brauchen die Schafe keinen Wolf mehr für ihr Unglück.

Maaßen sagt, dass ihn die Gehässigkeit und Aggression nicht überraschen würde, mit der jede seiner Äußerungen aufgenommen würde. Das seien die Methoden der politischen Feindbekämpfung. Die Thüringer Delegierten habe er als gute Basis kennengelernt, die würden schon stehen. Jedenfalls: Thüringen ist ein schönes, ein grünes Land. Aber mit Abgründen. Zwischen Weide und Dorfkirche, Steilklippen und Schäferwagen warten ungeahnte Abenteuer auf Miss Maple und ihre Herde – bis es ihnen tatsächlich gelingt, Licht ins Dunkel zu bringen.

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