Tichys Einblick
Glosse Feministische Wirtschaftspolitik

Grüner Wettbewerb der Dilettanten: Robert Habeck vor dem Aus?

Ricarda Lang will eine „feministische Wirtschaftspolitik“ etablieren und meint, eines der drängendsten Probleme der Wirtschaft mit der Idee „Frauen an die Werkbank“ lösen zu können. Damit lässt sie den Wirtschaftsminister wie einen alten weißen Mann aussehen. Eine Glosse über Dinge, die man nur noch glossieren kann.

Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck mit der Parteivorsitzenden Ricarda Lang im Gespräch am Rande des Podiums, 14.10.2022

IMAGO / Marc John

Wie einst im fossilen Sozialismus, den die Grünen als entkarbonisierten Sozialismus zurückhaben wollen und den sie aus Marketinggründen klimaneutrale Gesellschaft nennen, der sozialistische Wettbewerb es richten sollte, so wollen die Grünen durch den klimaneutralen Wettbewerb zu neuen Ufern aufbrechen. Schon Stalin hatte verkündet: Wenn die Richtung stimmt, entscheiden die Kader alles. Lenin hatte den sozialistischen Wettbewerb auch die Große Initiative genannt.

Dieser Wettbewerb hat auch vor dem grünen Staatswirtschaftsminister Habeck nicht halt gemacht. Er läuft Gefahr wie weiland der bolschewistische Wirtschaftsexperte Nikolai Bucharin als rechter Abweichler markiert und schließlich entmachtet zu werden, denn überraschend meldete sich vor kurzem Ricarda Lang zu Wort, die der Sprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus („Coole Kids haben kein Vaterland“), eine „kluge Frau“ nannte.

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Die „kluge Frau“ Ricarda Lang, die, weil sie ganz sicher cool ist, auch kein Vaterland hat, überraschte die Öffentlichkeit damit, dass sie sich als Wirtschaftsexpertin outete. Das fiel ihr nicht allzu schwer, weil grüne Politiker für alles Experten sind – bis auf Berufs- und Universitätsabschlüsse versteht sich. Auf jeden Fall ist Robert Habeck nun aus den eigenen Reihen eine knallharte Konkurrenz bei der Erreichung des Ziels, die deutsche Wirtschaft so schnell wie möglich gegen die Wand zu fahren sowie Wohlstand und Zukunft des Vaterlandes zu zerstören, erwachsen.

Schließlich fand Robert Habeck Vaterlandsliebe zum Kotzen, doch schon das macht ihn als rechten Abweichler verdächtig, denn, auch wer keine Vaterlandsliebe hat, der hat immer noch ein Vaterland, das er eben nur nicht liebt, und ist eben nicht „cool“. Doch die „kluge Frau“ Ricarda Lang hingegen dürfte da schon viel weiter sein, denn schließlich ist sie cool, und „coole Kids haben kein Vaterland“, wie ihr grüner Jugendfreund nach dem Lob auf sie verkündete.

Schlimme Erinnerungen für Robert Habeck werden nun wach. Hatte nicht dem allercoolsten Robert Habeck die „Völkerrechtlerin“ Annalena Baerbock seinerzeit die Kanzlerkandidatur genommen? Sie punktete damit, dass sie durch große pränatale Anstrengung als Frau auf die Welt kam. Das kam Ricarda Lang auch. Den Zielsprung gewann Baerbock dann mit der Erfindung der „feministischen Außenpolitik“, die mit marxistischem Terminus gesagt so etwas wie der proletarische Internationalismus für Frauen ist.

Auch Ricarda Lang ist um kein Programm verlegen, das den alten Robert wie einen alten weißen Mann aussehen lässt. Sie greift nun beherzt den „Rechtsabweichler“ Habeck auf seinem Terrain, auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik an. Lang will eine „feministische Wirtschaftspolitik“ etablieren und meint, eines der wirklich drängendsten Probleme der deutschen Wirtschaft mit der Idee „Frauen an die Werkbank“ lösen zu können.

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Robert Habeck versucht nun aufgeschreckt durch die innerparteiliche Konkurrenz, die er nicht erwartet hat, dem etwas entgegenzusetzen, und macht sich an die Herkulesaufgabe, die Physik und die Meteorologie zu ändern – und das muss er auch, wenn seine Wirtschaftspolitik Erfolg haben soll. Will man neue Wertschöpfungsketten in der Energiewirtschaft erfinden, muss man zunächst die Maßeinheiten der Physik ändern, getreu dem Motto: Was als Ergebnis von Studien und was als Messergebnisse herauskommt, bestimmen wir. So auch Robert Habeck, indem er kühn definiert: „Diese finanzielle Beteiligung der Kommunen in Höhe von 0,2 Cent pro Klimawattstunde können die Kommunen dann für anderes nutzen, zum Beispiel um das Schwimmbad oder Freibad zu sanieren. Wir stärken die regionale Wertschöpfung über die erneuerbaren Energien.“

Ihre finanzielle Beteiligung mit 0,2 Cent pro „Klimawattstunde“ – wer weiß schon, was das sein soll, die Physik bisher nicht – können die Kommunen also für ihr Schwimmbad und für ihr Freibad nutzen. Das erinnert ein bisschen an die Subprime-Krise, als zuvor Hedgefonds und Banken den Kommunen die Auslagerung der Daseinsfürsorge und die Beteiligung an Immobilienfonds empfohlen hatten, denn das gesparte und durch die Fonds erwirtschaftete Geld sollten die Kommunen dann auch für anderes nutzen können. Es ist doch allzu possierlich, mit welchen allerliebsten Begriffen das gute alte Pilotenspiel camoufliert wird. Ist eine Klimawattstunde die Energie, die das Klima in einer Stunde erbringt? Also eine rein ideologische Größe, die so oder so definiert werden kann? Scrabble für Looser?

Doch mit solchen männlichen Verstiegenheiten, in die man sich nur verheddern kann, gibt sich Ricarda Lang nicht ab. Ihre Idee besteht schlicht darin: Wenn es keinen Fachkräftemangel mehr gibt, ist alles gut. Den Fachkräftemangel kann man mit der Bewegung „Frauen an die Werkbank“ beheben. Viktor Orbán in Ungarn hat, so wie es sich Ricarda Lang wünscht, die „Erwerbsarbeit von Frauen“ durch Sozialpolitik gesteigert, beispielsweise dadurch, dass nicht nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld bekommt, wenn es zu Hause bleibt, sondern dass, wenn beide arbeiten gehen, das Kinderbetreuungsgeld die Großeltern erhalten, wenn sie sich während der Arbeitszeit der Eltern um das Kind kümmern. Nur Orbán hat vom Arbeitsmarkt, von der Ökonomie aus gedacht, während Lang von den Wünschen sozialer Verteilungspolitik aus denkt.

Doch was Orbán macht, ist ohnehin Teufelszeug, und wenn er etwas Vernünftiges einführt, beweist das nur, dass die Vernunft „homophob“, „reaktionär“, „islamophob“, „queerfeindlich“, „Terf“, „rechts“, „rechtsextrem“, „rechtsaußen“, „staatsdelegitimierend“, „familistisch“, „klimafeindlich“, „verschwörungstheoretisch“, kurz eine Erfindung alter weißer Männer ist.

Für die feministische Wirtschaftspolitikerin ist die Sache jedenfalls klar: „die viele unbezahlte Arbeit vom Kümmern um Kinder bis zum Pflegen von Angehörigen, die in dieser Gesellschaft zum großen Teil von Frauen geleistet wird“, muss „endlich“ anerkannt und „zum Ausgangspunkt für eine neue Arbeitsmarktpolitik“ gemacht werden. Das bedeutet, dass es in einer Zeit, in der der Bundeskanzler dafür wirbt, dass die Bürger, die arbeiten, länger arbeiten, Ricarda Lang zum Kernstück ihrer „neuen Arbeitsmarktpolitik“ eine „Zeitpolitik, die nicht auf eine 40 Stunden Woche aus dem letzten Jahrhundert beruht“, macht. Denn eine „gute Wirtschaftspolitik“ muss „heute auch eine Caring Economy sein und nur eine Gesellschaft, die in diese Caring Economy investiert, wird eine starke Wirtschaft haben. Kurz gesagt: Wir brauchen eine feministische Wirtschaftspolitik.“

Noch Fragen? So löst man ökonomische Probleme: durch Umverteilung und Wording. Es geht schließlich um die Work-life-balance, nur dass es in der Work-life-balance kein „work“ mehr gibt, denn das Ziel der Wirtschaft besteht dann nicht darin, international konkurrenzfähige Waren zu produzieren, sondern darin, dass sich der Arbeitgeber um die Belange seiner Arbeitnehmer kümmert, Wirtschaft also als sozialtherapeuthisches Institut oder als Kita. Die Arbeitgeber, die ihre Produktion nicht in das Ausland verlagern, wozu hohe Energiekosten, ausufernde Bürokratie, hohe Staatsquote, Energieunsicherheit und natürlich der Weltmarkt die Firmen immer stärker zwingt, werden Langs Vorstellungen folgen. Dumm nur, dass das dann ausschließlich Staatsbetriebe oder der öffentliche Dienst sein werden.

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Erich Honecker war mit der famosen Idee der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik gestartet und damit grandios gescheitert. Am Ende wurden immer mehr Kredite notwendig, um den Staat vor dem Bankrott zu bewahren. Doch so weit wie Lang ist nicht einmal Honecker gegangen. Der ehemalige Dachdecker erinnerte sich noch entfernt daran, dass erst etwas erwirtschaftet werden muss, bevor man es verteilen kann.

Doch die grünen Wohlstandskinder, die jetzt das Land regieren, haben nie mit der materiellen Produktion Bekanntschaft gemacht, nichts wissen sie davon, was ein Arbeitsalltag bedeutet und wie materielle Werte geschaffen werden. Geistige Werte betrachten sie ohnehin als Feind.

Langs feministische Wirtschaftspolitik löst Honeckers Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik in Richtung Sozialpolitik auf. Ihre Wirtschaft ist in dem Sinne eine Staatswirtschaft. Würde ihre feministische Wirtschaftspolitik verwirklicht, würde die einzige Wirtschaft, die sich in Deutschland noch findet, der öffentliche Dienst sein, der aber auch nicht mehr funktionieren wird, wie man jetzt schon sieht, weil seine einzige Sorge in der neuen Zeitpolitik für seine Angestellten zu bestehen hätte.

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