Tichys Einblick
Luther für rotgrüne Politik?

Alle 500 Jahre gibt es jetzt einen deutschen Luther-Feiertag

Den ganzen Tag hindurch predigten die Öffentlich-Rechtlichen, die katholische Kirche habe durch den Ablass Vergebung der Sünden verkauft. Doch das ist falsch! Die Geschichte ist eine andere, aber weil komplexer, für schlichte Geister nur schwer verständlich.

(L-R) Chairman of the Council of the EKD and Bavarian regional Bishop Heinrich Bedford-Strohm, former President of the United States of America Barack Obama, German Chancellor Angela Merkel and president of Church Congress Christina Aus der Au arrive for a discussion on democracy at Church Congress on May 25, 2017 in Berlin

© Steffi Loos/Getty Images

Dieser Reformationstag wird in die Geschichte eingehen als eine sehr kuriose Gestaltung des Jubiläums zum Wittenberger Thesenanschlag (wurde da eigentlich genagelt oder geleimt?, fragte ich seinerzeit den Geschichtslehrer und erhielt dafür eine Rüge). An diesem ersten allgemeinen Lutherfesttag nach 500 Jahren, arbeitsfreier Feiertag für alle Bürger jedweden Glaubens und Unglaubens war bemerkenswert die ganztägige sozusagen amtliche Agitation gegen den Katholizismus, die aus allen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten schallte.

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Emsige Jungredakteusen und Jungredakteure oder vergessliche Oldies müssen es gewesen sein, die in unsinnigen Tatsachenbehauptungen ihre historische Unbildung (religiöse Kenntnisse verlangen wir ja eh nicht mehr) offenbarten und sich in falschen Behauptungen überboten. So habe ich den ganzen Tag hindurch immer wieder gehört, dass die katholische Kirche durch den Ablass Vergebung der Sünden verkauft habe. Auch wenn kein katholischer Offizieller es wagte, dagegen Einspruch zu erheben, das ist durch und durch falsch! Die Geschichte ist eine ganz andere, aber da komplexer, für schlichte Geister nur schwer verständlich.

Die Theologen des Mittelalters entwickelten die menschenfreundliche Idee des „Fegefeuers“, weil sie mit der Lösung „Himmel oder Hölle“ sofort bei Todesfall unzufrieden waren. Dagegen sprach etwa die Verheißung eines Weltgerichts durch Christus am Ende aller Zeiten. Was soll er urteilen, wenn die Seelen schon nach oben und unten verteilt sind? Dagegen sprach auch das Gerechtigkeitsgefühl der Gläubigen. Sollte nach der durch den Priester erteilten Absolution ein Mörder ebenso problemlos in den Himmel kommen wie eine, die sich nicht an die Sonntagspflicht und die Fastengebote gehalten hatte (damals ebenfalls eine „schwere Sünde“)? Oder schlimmer, wenn die Sünderin durch einen plötzlichen Tod die Absolution verpasste, sie in der Hölle landete, während der Mörder froh in den Himmel aufstieg!

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Deshalb wurde in Analogie zum überkommenen weltlichen Rechtswesen eine Strafinstanz geschaffen, die dem schuldigen Sünder je nach Schwere seines Vergehens eine Zeit der Strafe zumaß, die er im Fegefeuer zu erdulden hatte. Dass man dabei an Peinigungen analog dem weltlichen Gerichtswesen dachte, entsprach ganz dem Geist der Epoche. Ablässe sollten diese zeitlichen Strafen durch Bußopfer während der Lebenszeit vermindern helfen, das konnte durch Wallfahrten, gute Taten oder eben durch den Kauf von Ablassbriefen geschehen. Dahinter steckte theologisch die realistische Auffassung, dass zum Erwerb von Geld Arbeit und Mühe aufgebracht werden muss, also dafür ein Opfer zu erbringen ist. Gegen den mit der Zeit – wie bei allen Geldangelegenheiten unvermeidlichen – Missbrauch des Ablasswesens durch verweltlichte Kleriker bezog Luther wie viele andere katholische Kritiker Stellung.

Dass sich dann im Laufe der Kontroverse die polaren Standpunkte immer mehr radikalisierten, führte zu der theologischen Entgegensetzung von „Werkgerechtigkeit“ und „Gnade“. Am Ende stand jene religiöse Spaltung des christlichen Europas, die mit zahllosen Kriegen und Millionen Opfern bezahlt wurde. Zu keinem Zeitpunkt aber gab es eine katholische Auffassung, wonach sich das Urteil des Jüngsten Gerichts über Heil oder Verdammnis durch Geldzahlungen vorentscheiden ließe.

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Selbstverständlich gehört zur aktuellen medialen Panegyrik Lob des schlichten Luther gegen Prunk und Luxus der katholischen Kirche, und so wird wider alle Faktizität behauptet, er habe deshalb Klöster auflösen wollen, „um das Vermögen der Kirche zu verteilen“ (tagesschau). Also sozusagen eine Vorwegnahme der Konzepte großer religiöser Denker wie Martin Schulz und Jürgen Trittin. Die Reformation an der Macht hingegen hatte mit Verteilungsgerechtigkeit gar nichts zu tun. Da nutzten die Landesfürsten die Lutherei dazu, um kräftig in den eigenen Säckel „zu verteilen“. Als die aufrührerischen Bauern tatsächlich „verteilen“ wollten, wütete Luther in seiner Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“: „Man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich wie einen tollen Hund erschlagen.“

Nachdem die willigen Helferlein in den Gebührenmedien genug fleißige Vorarbeit für die Regierungspropaganda geleistet haben, ist die Stimmung bereitet für den Chef der kuriosen Parallelaktion „500 Jahre Thesenanschlag“. Der evangelische Oberpropst Bedford-Strohm (der mit dem Kreuzverstecken bei den Imams) beschwört die Agenda der notwendigen Weltrettung und lässt keine Ranschmeißparole an die Merkel-K.G-E.-Politik aus. „Luther wäre heute gegen Obergrenzen“ meint der wendige Protestanten-Chef, Kardinal Marx nickt sofort beflissen, K.G-E. strahlt begeistert und das Antlitz der Kanzlerin wird von einem inneren Licht erhellt – in den hinteren Reihen sitzt pflichtverdonnert anwesend der Horst und schaut verdrossen. Wahrscheinlich denkt er an Revanche. Und dass es mit Jamaika nichts werden kann.

Luthertum heißt heute, wenn es nach den klerikalen Apparatschiks und ihren zahllosen Medienbeauftragten geht: Rotgrüne Politik, am besten unter dem Kommando der Pfarrerstochter. Das müssen jetzt alle kapieren, die sich den Tort der Festtagssendungen angetan haben.

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Nach soviel regierungsfrommer Daueragitation will mir die ZDF-Werbung noch eine schwellenlose Spätabendsendung zumuten: „Das Projekt der 1.000 Stimmen“, das aber mit 4.000 Sängern und 10.000 Zuschauern noch viel mehr Tausender aufbietet. „Reformationsbotschafter“ Eckard von Hirschhausen hat sich als Moderator schon im Februar empfohlen mit der Einlassung: „Luther war ein großer Entertainer. Seine Rhetorik war brillant, er hatte Humor … Ich bedaure, dass Luther nicht bei YouTube irgendwo live zu finden ist.“ Aber danke Eckhard und Martin, ihr evangelischen Entertainer! Ich verzichte und lese lieber das witzige Buch des nonkonformistischen Prälaten Wilhelm Imkamp: „Sei kein Spießer, sei katholisch“.

PS. Nachtrag zum Tag: Es wurde auch ein geplanter islamistisch-terroristischer Anschlag verhindert. In der anberaumten Pressekonferenz hatte man den Eindruck, dass Innenminister de Maiziere persönlich den Fall gelöst hat („Spät genug für die Beweise, früh genug, um Schaden zu verhindern“!). Was für eine wunderbare Fügung …

Albert C. Sellner hat als Programmmacher für den linken Politladenverlag Erlangen, als Redakteur für die Satirezeitschrift „Pardon“ und für das Frankfurter Stadtmagazin „Pflasterstrand“ gearbeitet, als Lektor im Eichbornverlag und als Herausgeber bei „Metropolitan“ und „Econ“. Seit 2000 widmet er sich als Autor und Antiquar der Pflege des kulturellen und religiösen Erbes.