Tichys Einblick

„Die neue Häschenschule“: Fuchs wird zum Veganer und Bauer wird zum Feind

Anke Engelke bringt eine Neufassung des Kinderbuchklassikers „Die Häschenschule“ heraus. Darin wird der Fuchs zum Veganer und der Bauer zum Feind. Die Landwirte aus der Realität sind sauer.

Esslinger Verlag, IMAGO - Collage: TE

In einer Neufassung des Kinderbuch-Klassikers „Häschenschule“ macht die Schauspielerin Anke Engelke den stereotypen „bösen Fuchs“ zum Veganer. In der Originalfassung von Albert Sixtus aus dem Jahr 1924 wurden die Hasen-Geschwister Hasenhans und Hasengretchen auf ihr Leben vorbereitet: sie lernen, Ostereier zu bemalen und sich vor dem Fuchs fernzuhalten, denn der hat nichts Gutes im Sinn. Aber „heutzutage sitzen in der Häschenschule nicht nur kleine Hasen im Klassenzimmer, sondern auch ein Fuchskind“, wie es in der Beschreibung von Engelkes Neufassung heißt. Aber Sorgen brauchen sich die Häschen keine machen, „denn – ganz ehrlich – wenn wir allen Chancen geben, können wir viel mehr erleben“, reimt Engelke in dem Buch.

Der Fuchs ist in Engelkes Werk also kein Bösewicht mehr – im Gegenteil: er ist ein Freund der Hasen. Er ernährt sich nicht mehr von Hasen, Hühnern, Mäusen, Rehkitzen oder Vögeln, wie es Füchse in der Natur nun mal so tun. Nein, er ernährt sich vegan – genauso wie Engelke selbst. Vor allem isst er gerne Karotten. Was ein Freundschafts- und Vertrauensbeweis für die Häschen aus der Häschenschule: „Du bist keine Gefahr, das ist ja wunderbar“, rufen die Häschen dem Fuchs zu. In der Beschreibung heißt es weiter: Die Geschichte „bringt nicht nur alte Rollenbilder ins Wanken, sondern beendet auch die Feindschaft zwischen Hase und Fuchs“. Und wer erklärt das jetzt den Füchsen in der Realität?

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Aber ganz ohne Feind geht es nicht – auch nicht in der „neuen Häschenschule“: Die Gefahr „droht von ganz anderer Seite und Fuchs und Hase können die schwierige Lage nur zusammen meistern“: In Engelkes Fassung des Kinderbuchs sind die Landwirte der Feind. Denn die würden Gift auf die Felder sprühen und Tiere mit ihren Mähdreschern häckseln. Wegen der Menschen gehe es den Waldtieren schlecht, lehrt die Lehrerin in der Häschenschule: „Es ist traurig aber wahr, Menschen sind eine Gefahr: Gift und Fallen und Maschinen sollen nur den Menschen dienen.“ In der Originalfassung war der Lehrer übrigens ein alter, weißhaariger Hasenmann mit runder Brille. Aber alte, weiße Männer machen sich immer schlecht in woken Kinderbüchern: Jetzt werden die Häschen von einer Frau unterrichtet – und auch die Direktorin der Häschenschule ist eine Frau.

Die Bauern kritisieren das Kinderbuch stark: „Solch Blödsinn“, sagt Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk gegenüber der „Freien Presse“: „Das ist absolut bildungsfern. Es sei absolut unwissenschaftlich, Fleisch- und Pflanzenfresser als beste Freunde darzustellen. „Und wenn schon ein solches Kinderbuch unsachlich ist, wie können wir dann einen sachlichen Diskurs über Ernährung und Landwirtschaft in der Gesellschaft erwarten?“, fragt der Bauernvertreter. Gegenüber der Welt sagt er, er sei „fassungslos“: „Man sucht sich ein Feindbild aus, zu dem man am wenigsten Berührung hat. Und sobald es um die Natur geht, ist der Landwirt der böse“, kritisiert Krawczyk. „Das ist wieder typisch.“

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Engelke schiebt die Schuld ihrem Verlag „Thienemann-Esslinger“ aus Stuttgart in die Schuhe: In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagt sie: „Dem Team vom Verlag war wichtig, dass es auch in der neuen Version einen Konflikt oder eine Gefahr gibt. Also haben wir entschieden, die frische Freundschaft von Hase und Fuchs ins Gefahrenzentrum zu packen. Der Schrecken ist jetzt eine große Mähmaschine.“ Eine solche überfährt in Engelkes Neufassung beinahe Häschen Hoppig – hätte der Fuchs sie nicht gerettet. Engelke wolle den Kindern nicht den Wunsch wegnehmen, später einmal Landwirt zu werden. „Aber den Menschen zum Buhmann zu machen, das musste ich für die Geschichte in Kauf nehmen“, erklärt die 58-Jährige.

Es ist aber nicht irgendein Mensch, den sie zum „Buhmann“ macht, sondern spezifisch der Bauer. Also der, der die Lebensmittelversorgung für die Menschen sicherstellt. Den sollen Kinder aus Sicht des Verlages „Thienemann-Esslinger“ offenbar als Feind sehen: Das Bild des Landwirts, das Engelke schürt: Er stelle Fallen auf, nutze Maschinen, die Tiere häckseln und sprühe Gift auf die Felder – was eine objektive Darstellung. Und das in Zeiten, in denen die Bauern ihre Proteste gerade erst heruntergefahren haben. Krawczyk sieht in diesem Buch daher sogar eine gesellschaftliche Gefahr: „Die ländliche Bevölkerung will nach den Bauernprotesten wieder in den friedlichen Diskurs gehen. Und dann bekommst du so ein Buch vorgeknallt. Das ist absolut kontraproduktiv“, sagt er gegenüber der Welt.

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In anderen „sachlichen“ Kinderbüchern erklären Autoren den Kindern indes, was die Vorzüge von „Zuchtfleisch“ sind: Also Fleisch aus dem Reagenzglas, für das es keinen Bauer mehr braucht. Und auch keinen Mähdrescher, der Tiere häckselt. Wie praktisch. In dem Buch „Das ist auch meine Welt: Wie können wir sie besser machen?“ steht zum Beispiel: „Wenn wir bald solches Zuchtfleisch essen, brauchen wir viel weniger Nutztiere im Stall.“ Und weiter lernen die Kinder: „So können wir möglichst viele ernähren, wenn es heißer und trockener wird.“

Der Trend ist deutlich: Tiere werden veganer und Bauern werden Feinde, während andere Autoren Zuchtfleisch und Gentechnik vorgeschlagen, um die Welt „besser“ zu machen. Da kann man nur froh sein, wenn man die Bücher aus der eigenen Kindheit behalten hat: Ursprünglich und unpolitisch und ohne Indoktrination – einfach kindgerecht. So auch das Original der „Häschenschule“ von Albert Sixtus: In dieser Häschenschule lernten die Häschen noch, wie sie Ostereier bemalen. Und hatten zudem Fächer wie Pflanzenkunde, Tierkunde, Sport und vieles mehr. Bei Engelkes Fassung lernen die Kinder nur über den gefährlichen Menschen und werden auf ihrem Nachhauseweg mit den gefährlichen Maschinen der gefährlichen Menschen konfrontiert. Andere „Häschen-Schulfächer“ erwähnt Engelke in ihrem Buch nicht.

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